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Experiment Kunstanleihe

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Das seit 1958 bestehende Salzburger Theater „Elisabethbühne” mit 200 Plätzen steht nicht nur vor einem Spielstättenwechsel in den sanierten Petersbrunnhof im Nonntal. Geschäftsführer Arno Fischbacher und Direktrice Renate Bustier -Ourth, die das Privattheater (65 Mitarbeiter, 34 davon ganztags) wie einen mittelständischen Betrieb führen, haben sich zur Langzeitfinanzierung des mit 74 Millionen Schilling Kosten veranschlagten Umzugs für eine Kunstanleihe entschieden. Auf 15 Jahre anberaumt, zu drei Prozent verzinst.

Das Papier wurde in Zusammenarbeit mit der Kärntner BBB-Bank AG im Frühjahr als „erste österreichische Theateranleihe seit der Monarchie” in der Wiener Börse vorgestellt. Mit der „Begebung der Anleihe,”, so der Bankjargon, reagiert man aber zugleich auf die nicht zu vernachlässigende Tatsache, daß die Kunstförderung der öffentlichen Hand immer den wechselhaften Einflüssen der öffentlichen Meinung ausgesetzt ist. Geschäftsführer Arno Fischbacher: „Nur durch die Stärkung der Eigenwirtschaftlichkeit sichern wir langfristig die Freiheit unserer Kunst.”

Freilich: Das Theater hat eine Bückendeckung und die heißt Auslastung. Über die Jahre stetig steigend, nun, 1994 97,08 Prozent, das sind 34.373 Zuschauer in 250 Vorstellungen. Man ist schuldenfrei und hatte zu Jahresbeginn 1994 ein Umlaufvermögen in der Höhe von 1,745.832 Schilling bei Verbindlichkeiten von 1,288.225 Schilling.

Nach einer Art Ziegelsteinmodell und unter dem imageträchtigen Motto „Leihen Sie der Kunst ihr Geld!” schaffte die Salzburger Niederlassung der Kärntner BBB-Bank das Kunst-

Drei Prozent Verzinsung

(Laufzeit: 15 Jahre) bietet die von der Salzburger „Elisabethbühne” mit der Kärntner RBB-Bank herausgegebene Anleihe. stück, eine in die Zukunft gerichtete Finanzlage mit Kunstförderung unter einen Hut zu bringen.

Der Anleihenehmer kann eine 1.000-Schilling-Anleihe zu einem Aufpreis von 1.400 Schilling ankaufen und bekommt in 15 Jahren durch die drei Prozent Verzinsung 1.450 Schilling rückerstattet. Über die Rendite von 50 Schilling wird er sich weniger freuen als über den großzügigen Gestus, Kunst mit seinem Geld gefördert zu haben. Denn der Aufpreis und die zurückbleibende Verzinsung fließen direkt in die Kassen der Elisabethbühne: Von den 1.400 Schilling exakt 850 Schilling, der Rest wandert in ein Bankdepot.

Die Gesamtnominale der Ausschüttung beträgt 20 Millionen Schilling. 15.900 kleine Anleihen zu 1.000 Schilling und 820 große zu 5.000 Schilling wurden zu einem Emissionskurs von 140 Prozent ausgegeben. Da die Papiere am 15. März 1995 aufgelegt wurden, ist die Gesamtfälligkeit am 15. März 2010.

Mit der Salzburger Niederlassung der Kärntner BBB-Bank AG operiert die Salzburger Elisabethbühne seit längerem, im Vorjahr kaufte das Institut ein Jahr lang 40 Sekunden-Sendeplätze auf Ö 2 an und stellte sie der Elisabethbühne für Kunstradiospots in Sachen Eigenwerbung zur Verfügung.

Der durch die Gesetzeslage begünstigte Nebeneffekt der nunmehrigen Anleihen ist, da sie unter Ausnutzung einer Novelle als erste heimische Anleihe individuell und künstlerisch gestaltet sind, daß sie unter dem Buchhaltungstitel „geringwertiges Wirtschaftsgut” von der Steuer abschreibbar sind. Wegen des Kunstcharakters gelten die gleichen steuerlichen Ab-schreibbarkeitsbestimmungen wie etwa bei einem Bild-Erwerb unter der Preishöhe von 5.000 Schilling. Neben dem pekuniären Grund sollten sich, so die Initiatoren, auch-Sammler angesprochen fühlen, das zehnfärbige Anleihepapier in Triptychonkon-zeption nach einem Entwurf des Salzburger Künstlers Hans Weyringer zu erwerben.

Nach zwei Monaten wurde im Mai zwischengerechnet. Bisher konnte man 200 Zeichner verbuchen, mit „Anlage-Volumina zwischen 1.000 Schilling und 200.000 Schilling Nominale”, wie man sich in der Elisabethbühne kryptisch gibt. Nun geht es in einem zweiten Schritt zu Firmen und Großanlegern. Indessen wurde in München die PR-Agentur Top Score mit dem Vertrieb der Idee und eine Filmes darüber in deutsche Privat-TV-Anstalten beauftragt, in New York ist der Wertpapierexperte Georg Liebenberger bei der Brokerfirma „Bear & Sterns” als Kontaktmann eingesetzt. Geschäftsführer Fischbacher hat auch schon die „International Society of Performing Arts/ISPA” in den Vereinigten Staaten von diesem Projekt in Kenntnis gesetzt. Auch die Arbeitsgruppe „Kul-turKontakt” im heimischen Kunstministerium hat Interesse bekundet, jedenfalls: Die telefonische Hotline unter 0660-5452 (Ortstarif) bleibt bis in den Herbst offen.

Die Anleihe möchte im Grunde auch auf ein Dilemma hinweisen: Nämlich darauf, daß gewöhnliches Kultursponsoring sich nur beschränkt dazu eignet, „größere Investitionen zu tätigen” (Fischbacher). Für ein Theater aber, das eine langfristige Profilierung innerhalb eines gesellschaftlichen Diskurses anstrebt, ist eine projektbezogene einmalige Finanzierung zu wenig.

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