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Das (sehr) freie Wort

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Bischof Kurt Krenn als ständiger „Sonntags-Krone”-Kolum-nist „Christianus”(FURCHE 25/ 1993): Auch das mediale Echo auf die Offenlegung dieser Beziehung war beachtlich.

Auch wenn man nicht gewußt hat, wer hinter dem Pseudonym „Christianus” steckt, war es klar: das ist ein Deckname, dahinter steckt ein Mensch aus Fleisch und Blut.

Das sollte man doch erst recht bei Leserbriefen annehmen dürfen, die sogar Name und Adresse zieren. Da veröffentlichte beispielsweise die „Kronen-Zeitung” am 24. Juni prominent und zweispaltig „Das freie Wort” von Anton Oberleuthner aus „2486 Pottendorf'. Enthusiastisch, im Tonfall eines Editoriais, das „Cato” Hans Dichand nicht besser hätte dem Papier anvertrauen können, pries der Schreiber die „Krone” und ihre Linie im St. Pöltner Konflikt, wenn man da liest:

„Zwar muß ich vorausschicken, daß man mich nicht zu den Stammlesern Ihrer Zeitung zählen kann, doch greife ich oft (und immer öfter) zu ihr, und das, wie ich immer deutlicher erkenne, zu Recht.

Maßgeblich beeinflußt hat meine Beurteilung der ,Krone' die noble Zurückhaltung in der Berichterstattung über Konflikte um den St. Pöltner Bischof Kurt Krenn.

Als die große Zeitung der breiten Volksmassen wäre die .Krone'geradezu prädestiniert, aus dem Potential an Emotionen, Aggressionen und Konflikten, welches die Thematik ßischof Krenn und seine rebellischen Schäfchen' in sich birgt, mittels sensationslüsterner Artikel und Berichte Kapital zu schlagen, auch wenn es auf Kosten der Kirche undder Menschlichkeit geht.

Keine Zeitung kann in ähnlichem Ausmaß die öffentliche Meinung beeinflussen. Doch die,Krone 'widerstand dieser Versuchung, sie verkaufte journalistische Ethik nicht für steigende Auflagen (...).

Der ach so blutrünstige undsen-sationslüsterne ßoulevard', falls dieser in der Medienwelt so beliebte Ausdruck überhaupt angebracht ist, stand abseits, als überall sonst im österreichischen Blät-terwaldzum fröhlichen Kesseltreiben auf den schwergewichtigen Bischof geblasen wurde.

Alle waren sie dabei, als der Ruf der Jagdhörner erschallte: eine Wochenzeitschrift mit markantem Profil und eine mittelformatige Tageszeitung mit Erfahrung im Organisieren von Telefonumfragen voran, ein Wochenblatt, das Neuigkeiten schon im Titel verspricht, und sogar ein ehemaliges Großformat von nunmehr bescheidenerem, dafür aber bunteren Auftreten hintendrein, und alle auf Bischof Krenn...”

Der kleine Schönheitsfehler dabei: der „Anton Oberleuthner” ist in „2486 Pottendorf' unbekannt, ist dort weder aufzuspüren noch anzutreffen. Womit also „Das freie Wort” doch sehr frei sein dürfte -bei all dem dicken Lob für die journalistische „Krone”-Ethik.

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