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Warum nur in St. Pölten?

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„Da müßte der liebe Gott abdanken, denn ich vertrete ja die Wahrheit, die er, Gott, uns gibt.” Dieser Satz war auch vielen konservativen Katholiken und Katholikinnen zuviel. Seither ist der Verteidigungsring um Bischof Kurt Krenn dünn und brüchig geworden. Aber genau an dieser Stelle hat die Argumentation ernsthafter Kritiker schon immer angesetzt.

Nicht seine Positionen im .innerkirchlichen Meinungsspektrum sind es, die prinzipiell Anstoß erregen.„Im Haus meines Vaters sind viele Wohnungen.” Das gilt auch für das Haus Gottes auf Erden. Es muß natürlich auch konservative Auffassungen geben. Nur im geschwisterlichen Dialog schreitet der innerkirchliche Erkenntnisprozeß weiter.

Das Anstoßerregende, das Unannehmbare an Bischof Krenn ist dessen Anspruch, auch dort, wo es erkennbar nicht um die unaufgeb-bare Wahrheit und Offenbarung Gottes geht, quasidogmatische Verbindlichkeit in Anspruch zu nehmen. „Ich vertrete ja die Wahrheit.” Die darin enthaltene Unterstellung ist das Unerhörte: Wer mich kritisiert, begeht Verrat an der Wahrheit!

Dazu gehören ehrsame Ordensobere, Dechanten und Pfarrer, aber auch katholische Laien, die sich im Dienst der Kirche seit Jahrzehnten abrackern und deren Wahl oder Bestellung nicht bestätigt wird. Dazu gehören aber auch Amtsbrüder des Bischofs. Warum wird in keiner anderen Diözese Österreichs über ähnliche Fragen wie in St. Pölten gestritten? Weil alle übrigen Bischöfe auch schon „die Wahrheit” verraten haben?

Die den Bischof verteidigende „katholische Laien-und Kulturorganisation Pro Occidente” hat genau das zum Ausdruck gebracht, als sie die Kritiker als „unwürdige Prälaten und pflichtvergessene Priester”, als „häretischen und rebellischen Klerus” und natürlich als „antikirchliche und linksliberale Medienmafia” einstufte.

Das aber ist nur das zweite Ärgernis, zu dem der Bischof von St. Pölten immer wieder Anlaß gibt: die Leute, mit denen er sich umgibt, die er besonders fördert, von denen er sich verteidigen und die er andere (etwa seinen bischöflichen Amtsvorgänger) angreifen läßt.

Die Entwicklung in der Diözese St. Pölten ist kein Grund zur Genugtuung. Wir brauchen die Sorge eines SPÖ-Zentralsekretärs nicht, um des Kummers gewahr zu werden, der in der eigenen Kirche berechtigt herrscht. •

Niemand, der die Kirche liebt, stellt sich gern vor ein Demonstranten- oder Fernsehmikrofon und streitet mit einen} Bischof, der im übrigen auch seine anerkennenswerten Züge hat: persönlichen Mut, Stärke im Nehmen (denn auch ihm ist schon Unrecht widerfahren), Konsequenz.

Aber Hybris frißt Tugend auf. Ein Signal der Umkehr kann nur vom Bischof selbst jetzt kommen. Es sei erbeten.

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