Von der Freiheit zur Zensur

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Auch im Bereich der Medien geht es um Verteilungsgerechtigkeit: Nur einige wenige Unternehmen haben hier das Sagen. Ein Symposion in Wien setzte sich damit auseinander.

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Auch im Bereich der Medien geht es um Verteilungsgerechtigkeit: Nur einige wenige Unternehmen haben hier das Sagen. Ein Symposion in Wien setzte sich damit auseinander.

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Wiens Bürgermeister Michael Häupl brachte es vor einiger Zeit auf den Punkt: "Zur Kronen-Zeitung soll ich mich äußern? Ich bin doch nicht verrückt." Ob man auch gegen die Krone Politik machen könne? "Ich weiß nicht, ob das geht."

Kein Wunder, weit über 40 Prozent des österreichischen Zeitungsmarktes wird von der Krone kontrolliert. Bezogen auf die Einwohnerzahl ist sie mit einer Reichweite von 2,7 Millionen Lesern die mit Abstand größte Zeitung der Welt. Während es in Deutschland 400 und in der Schweiz 80 Tageszeitungen gibt, können die Österreicher nur auf 17 Blätter zurückgreifen.

Doch damit nicht genug. Krone-Eigentümer Hans Dichand, gründete in den späten achtziger Jahren mit dem Kurier (mit 12,7 % Reichweite die zweitgrößte Tageszeitung) das übermächtige Konglomerat Mediaprint. Die Vorteile liegen auf der Hand: eine gemeinsame Druckerei, ein gemeinsames Vertriebssystem und die Produktion einer eigenen Fernsehbeilage. Als der Standard (Reichweite: 5 %) die flächendeckende Hauszustellung der Mediaprint mitnutzen wollte, wurde er brüsk abgewiesen. Das Wirtschaftsblatt wurde dagegen aufgenommen.

"Wir werden uns unsere Partner doch aussuchen dürfen", konterte Bernd Nacke von der Mediaprint-Geschäftsführung beim Symposion "Verteilungsgerechtigkeit: Medien zwischen Markt und Macht", das Ende Jänner in Wien stattfand.

Verteilungsgerechtigkeit? Für News-Herausgeber Wolfgang Fellner, Teilnehmer eines Expertenpodiums beim vom Katholischen Zentrum für Massenkommunikation veranstalteten Symposion, ist die "Medienvielfalt in Österreich ein Witz, da sie nicht einmal mit dem Fernglas erkennbar ist." Die Monopolstellung der Krone und des ORF sei in der "gesamten christlichen Welt einzigartig". Fellner interessiert die heimische Medienpolitik "Null-Komma-Null", da die Politiker mit Veränderungen auf den "Sanktnimmerleinstag" warten. Ähnliches befürchtet Armin Thurnher, Chefredakteur der Wiener Stadtzeitung Falter: "Bei den Privatradios sind die großen Medienhäuser zum Zug gekommen. Wahrscheinlich wird es beim Privatfernsehen genauso laufen."

Wie soll die Kirche auf die zunehmende Medienkonzentration reagieren? "Auf keinen Fall abwarten und die Hände in den Schoß legen", forderte Elisabeth Ohnemus vom Katholischen Zentrum für Massenkommunikation. "Die christlichen Kirchen sind aufgerufen, sich hier kompetent zu machen und dann klar Stellung zu beziehen, wenn die Medienvielfalt aufgrund wirtschaftlicher Zwänge gefährdet ist", betonte Ohnemus. In Deutschland sei man in dieser Hinsicht schon viel weiter. Dort haben die evangelische und die katholische Kirche eine Arbeitsgemeinschaft gebildet. Wann immer es notwendig ist, werden Erklärungen erarbeitet und Gesprächsforen durchgeführt. Ohnemus wünscht sich, "daß wir in Österreich ähnliches machen. Die Kirchen müssen auch bei uns zur medienethischen Instanz werden".

Thomas Bauer, Wiener Publizistik-Professor, begrüßt es, wenn sich die Kirche am öffentlichen Diskurs über die Mediengesellschaft beteiligt. "Allerdings muß dann die Frage erlaubt sein, wie weit die Kirche innerhalb ihrer eigenen Reihen eine offene und faire Kommunikation zuläßt." Hier sei in letzter Zeit einiges schief gelaufen: "Die innerkirchliche Kommunikationsstruktur leidet an Verkrampfungen und Krankheiten", stellte Bauer fest: "Die Kirche kann nur eine glaubwürdige Stimme nach außen sein, wenn sie in ihrer Gemeinschaft den Dialog zuläßt."

Die ORF-Journalistin Barbara Coudenhove-Kalergi kann sich der Forderung nach Toleranz innerhalb der Kirche nur anschließen. Sie sieht die Kirche an einem Wendepunkt: "Es ist wie am Beginn der Reformation. Und es ist noch nicht klar, ob es eine Reformation oder eine Gegenreformation geben wird." Für Josef Bruckmoser, Redakteur bei den Salzburger Nachrichten, ist es dagegen eindeutig, daß sich die Kirche in den letzten Jahren "von der Vielfalt zur Einfalt und von der Freiheit zur Zensur" bewegt hat. Früher sei etwa die Pressestelle in der Salzburger Erzdiözese Stimme der ganzen Diözese gewesen: "Inzwischen hat sie sich zum reinen Verlautbarungsorgan des Erzbischofs entwickelt." Das gleiche passierte mit der Salzburger Kirchenzeitung Rupertusblatt. "Sie war einst ein runder Tisch der gesamten Diözese mit einem unabhängigen Chefredakteur. Jetzt wird nur mehr geschrieben, was der Erzbischof will." Und in der Erzdiözese Wien werden, so Bruckmoser, die Katholiken mit einer "geschickten PR-Strategie" auf Linie gebracht. "Nicht überall wo ,Dialog' draufsteht, ist auch Dialog drin", meinte der Journalist in Anspielung auf die bunte Gratiszeitung namens Dialog, die monatlich an alle Wiener Katholiken geschickt wird. Wolfgang Bergmann, Pressesprecher der Erzdiözese Wien, kann "diese ganze Suderei nicht mehr hören". Im Dialog würden kritische Leserbriefe abgedruckt. Und es gebe einen "runden Tisch", wo heikle Themen diskutiert werden, behauptet Bergmann.

Ein anderer strittiger Punkt: Die vielen Medienauftritte von Bischof Kurt Krenn. "Wir Journalisten sind nicht daran schuld", unterstrich Bruckmoser. Ein Beispiel: Nach der Veröffentlichung des heiß diskutierten "Stecher-Briefes" rief Bruckmoser bei allen österreichischen Bischöfen an. Die meisten waren nicht erreichbar, ein als "gemäßigt bekannter Bischof" bot ihm zwar einen Interviewtermin an, allerdings erst in drei Monaten. Nur Bischof Krenn und Salzburgs Weihbischof Andreas Laun gaben sofort eine Stellungnahme ab. Die gleichen Erfahrungen machte Helmut Obermayr vom ORF-Landesstudio Oberösterreich: "Ich schätze unseren Bischof Maximilian Aichern sehr. Doch sein Umgang mit Medien läßt zu wünschen übrig." Einmal drohte er dem ORF mit einer Anzeige, weil ein Kamerateam vor dem Bischofshof wartete. Ein anderes Mal sagte Aichern zu ORF-Journalisten, sie sollten doch zu seiner Sonntagspredigt kommen. Dort werde er sich schon zu aktuellen Themen äußern. Obermayr: "Warum wissen nur konservative Bischöfe, wie man sich gegenüber Medien verhält?"

Klare Worte in der Debatte fand Wiens Alterzbischof Kardinal Franz König, der als einziger Bischof am Symposion "Verteilungsgerechtigkeit" teilnahm: "Die Kirche muß bereit sein, den Medien vollständige, wahre und genaue Informationen anzubieten." Der Austausch von Nachrichten und Informationen müsse gewährleistet sein, "damit einerseits ein wahres Bild von der Kirche vermittelt wird, andererseits die Strömungen, Meinungen und Erwartungen der Öffentlichkeit sichtbar werden".

Allerdings sollten sich auch die Medien, so König, die Frage stellen, ob die Art und Weise, wie man in Österreich in den letzten Jahren über Kirche berichtet hat, dem Anspruch des Gegenstands immer gerecht wurde. Es gebe unter anderem die "Vermengung von Bericht und Kommentar", die "normative Kraft des Vorurteils", die "Lust daran, tragische oder operettenhafte Einzelphänomene über Gebühr in den Vordergrund zu stellen."

König: "Gewissenserforschung darf kein einseitiger Vorgang sein. Sie muß sowohl in der Kirche als auch in den Medien erfolgen."

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