Von Regierung, Medien und Polarisierung

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Das Beste aus Fake News, Lügen und Propaganda. (...) Im Fernsehen, im Radio und auf dem Facebook-Profil von Armin Wolf. (Heinz-Christian Strache)

'Es ist heute wichtiger denn je, dass alle gegen die Gefährdung der Pressefreiheit rechtzeitig und eindeutig auftreten', sagt der Publizist Paul Lendvai.

Nicht zum ersten Mal kommt es zu scharfen Auseinandersetzungen zwischen Medien und Politik. Was der funkelnde Satiriker Kurt Tucholsky in den 1930er-Jahren über Deutschland schrieb, gilt heute mitunter auch für Österreich: "Im übrigen gilt ja hier derjenige, der auf den Schmutz hinweist, für viel gefährlicher als der, der den Schmutz macht."

Die Zukunft der liberalen Demokratie in Österreich hängt unter den aktuellen Mehrheitsverhältnissen im Parlament vielleicht mehr denn je in der Zweiten Republik auch vom Agieren der Medien ab. Das Schicksal des ORF war dabei stets ein Gradmesser für den jeweiligen Zustand der pluralistischen Gesellschaft. Vor allem angesichts der Konkurrenz durch kommerzielle Sender und ihrer Verbindungen mit den Zeitungen sei es "heute wichtiger denn je, dass alle gegen die Gefährdung der Pressefreiheit rechtzeitig und eindeutig auftreten", sagt der Publizist und frühere Leiter der Osteuropa-Redaktion des ORF, Paul Lendvai.

"Angriff auf die Republik"

Im Gedenkjahr 2018 dürften die Lehren der Vergangenheit nicht vergessen werden, sagt Lendvai. Und er verweist auf die "Eroberung zuerst der öffentlich-rechtlichen Medien und dann der meisten Sender und Zeitungen" durch die national-populistischen Regierungen und die mit ihnen verbündeten Oligarchen in Ungarn und Polen. "Auch die Hetzjagd auf unabhängige Journalisten von Moskau bis Pressburg sollte als Alarmzeichen gelten", sagt Lendvai.

Das Klima zwischen dem ORF und der Regierung, insbesondere der FPÖ, hatte sich zuletzt deutlich verschlechtert. Der offene Angriff von FP-Vizekanzler Heinz-Christian Strache auf ZiB2-Moderator Armin Wolf und die Rundfunkanstalt mittels Facebook-Posting ("Es gibt einen Ort, an dem Lügen zu Nachrichten werden. Das ist der ORF.") bewirkte breite Aufregung. Dies nicht nur weit über die Medienbranche, sondern auch über die Landesgrenzen hinaus: Eine Reihe prominenter deutscher Journalisten machte ihrer Besorgnis in einem offenen Brief an Bundeskanzler Sebastian Kurz Luft. Dieser hat sich bis heute noch nicht dazu geäußert.

"Die Schwierigkeiten Straches bestehen darin, dass er durch manche Aussagen aus der Vergangenheit eingeholt wird", sagt der frühere ÖVP-Vizekanzler Erhard Busek. Nun müsse er sich am Spagat zwischen regierungsverträglichem Kurs und eigener Glaubwürdigkeit versuchen.

Warum aber steht gerade der ORF im Fokus der FPÖ? "Der öffentlich-rechtliche Rundfunk und das Fernsehen sind das wichtigste Medium im Land und auch jenes Medium, das als untadelige Informationsanstalt gilt", sagt die Journalistin Barbara Coudenhove-Kalergi. "Jeder Versuch, diese Institution so zu verändern, dass sie ihre Funktion nicht mehr ausüben kann, ist dadurch aber letztlich ein Angriff auf die Republik Österreich." Anhand der aktuellen Debatten zeige sich allerdings auch, dass ein radikaler Umbau, wie er in Polen, Ungarn oder Russland stattgefunden habe, in Österreich nicht so einfach möglich sei. Der wichtige Kampf zwischen Versuchen der Regierung, die Öffentlich-Rechtlichen unter Kontrolle zu bringen und journalistischer Unabhängigkeit, werde nun aber "auch in Österreich ausgefochten", sagt Coudenhove-Kalergi.

Medien als Lügenpresse zu bezeichnen und ihnen "Fake News" zu unterstellen -die Systematik ist von US-Präsident Donald Trump bestens bekannt. Und findet eifrige Nachahmer in aller Welt. "Wenn es gelingt, die Glaubwürdigkeit der unabhängigen Presse zu beschädigen, dann ist eine wichtige Säule der Demokratie zerstört", sagt Coudenhove-Kalergi. "Und das ist ein sehr gefährliches Spiel, weil dadurch auch das Vertrauen in die Demokratie schwer beschädigt wird." Dementsprechend wichtig sei es, dass sich auch die Zivilgesellschaft zu Wort melde.

Neues ORF-Volksbegehren?

Immer wieder wird auch ein Medienvolksbegehren ins Spiel gebracht -mit dem Ziel, den ORF von den Möglichkeiten politischer Einflussnahme zu befreien. Ein ORF-Volksbegehren gab es schon 1967 -und es war sehr erfolgreich. Der damalige Kurier-Chefredakteur Hugo Portisch war die treibende Kraft dahinter. "Damals ist es gelungen, den ORF, der vollkommen im Griff der Parteien war, unabhängig zu machen", sagt Coudenhove-Kalergi.

Busek hat dennoch Zweifel an der Sinnhaftigkeit einer neuen Initiative dieser Art: "Ein Volksbegehren hat immer auch einen populistischen Aspekt, denn man versucht ja, an die Mehrheit zu appellieren." Es brauche grundsätzlich eine forcierte öffentliche Diskussion zur Mediensituation. Die lasse sich nicht auf ein Volksbegehren reduzieren.

Aber ist auch abseits der Konflikte zwischen Regierung und ORF eine Polarisierung des öffentlichen Diskurses zu bemerken? Für Coudenhove-Kalergi schon. Denn nicht nur sitze mit der FPÖ jetzt eine extrem rechte Partei in der Regierung; sondern im Gegensatz zu Schwarz-Blau I unter Wolfgang Schüssel hätten jetzt auch "die Burschenschaften, also der extremste Flügel einer extremen Partei", das Sagen in der FPÖ. In der kurzen Zeit, seit die türkisblaue Regierung im Amt ist, habe es eine Fülle von Vorfällen gegeben. "Von den Nazi-Liederbüchern bis zu außenpolitischen Eskapaden, wo wichtige FPÖ-Funktionäre im Kosovo, in Belgrad, in der Ukraine Positionen bezogen, die im Gegensatz zur österreichischen Außenpolitik stehen." All das habe Besorgnis hervorgerufen, sagt die Publizistin. Eine öffentliche Polarisierung könne dementsprechend nur bedingt überraschen.

Coudenhove-Kalergi schätzt es jedenfalls als positiv ein, dass wichtige Themen nicht unter den Tisch gekehrt werden. Für schwierig hält sie, dass jene, die jetzt in der Regierung säßen, einerseits das politische System vertreten müssten, andererseits aber dagegen seien. "Das ist ein Widerspruch, der klarerweise zu Problemen führt", sagt die Journalistin. Positiv sei dagegen, dass diese Widersprüche offengelegt und diskutiert werden könnten.

Die Einschätzung vom polarisierten Diskurs teilt Busek dagegen nicht: "Ich bin ein Gegner der Behauptung, dass die Gesellschaft hier gespalten ist. Das ist sie nicht. Wir haben den Vorteil, in Österreich eine nach innen hin sehr verträgliche Situation vorzufinden." Richtig sei, dass der öffentliche Diskurs von vielen unzulässigen Vereinfachungen geprägt sei. "In Wirklichkeit beschränkt sich das aber auf eine Minderheit, die dafür sehr viel Öffentlichkeit bekommt", sagt Busek.

Was bringt der EU-Vorsitz?

Auch Bundespräsident Alexander Van der Bellen lässt auf Anfrage der FURCHE über seinen Pressesprecher ausrichten, dass er in Österreich "keine große Polarisierung" sehe. Unmittelbar nach vergangenen Wahlgängen sei die Stimmung emotionalisiert gewesen, danach sei aber eine "ziemliche Beruhigung" eingetreten.

Österreich übernimmt am 1. Juli die EU-Präsidentschaft. In Medien und Öffentlichkeit ist davon bislang noch nicht viel zu bemerken. Vielleicht ist diese Ratspräsidentschaft auch ein Anlass, "nachzudenken, was die EU ist und wozu wir sie brauchen", meint Coudenhove-Kalergi. Vielleicht trüge sie auch zu einer besseren Bewusstseinsbildung darüber bei, dass Österreich ein Teil dieser Union sei. Manche der Probleme der amtierenden Regierung seien schließlich dadurch entstanden, dass "die zweite Regierungspartei eine sehr EU-kritische bis EU-feindliche Position eingenommen hat", sagt die Journalistin. "Man kann nicht zugleich Ratspräsident und gegen die Europäische Union sein. Insofern wird es auch eine Bewährungsprobe, wie wir Österreicher mit dieser Ratspräsidentschaft zu Rande kommen."

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