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Kein Vorhang im Äther

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Auf Erden ist der „Vorhang" zwischen West und Ost eisern wie eh und je. Im Äther gibt es ihn jedoch nicht. Wie Österreich diese Chance nutzt, ist Anerkennung wert.

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Auf Erden ist der „Vorhang" zwischen West und Ost eisern wie eh und je. Im Äther gibt es ihn jedoch nicht. Wie Österreich diese Chance nutzt, ist Anerkennung wert.

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Uber Macht und Einfluß im und auf den ORF wird endlos diskutiert. Das kostet Zeit und Nerven, auch wenn es demokratiepolitisch wichtig ist. Nicht ablenken aber sollte solcher Streit von der Tatsache, daß — vielleicht sogar bemerkenswerterweise — im ORF auch gearbeitet wird. Hart und

überwiegend gut. Zum Beispiel in der Redaktion für Ost- und Südeuropa, wie das frühere Osteuropabüro nun heißt.

Die Geburt war turbulent, die Inthronisierung Paul Lendvais als Bürochef war nicht ohne Friktionen erfolgt. Was er, die Chefreporterin Barbara Coudenhove-Kalergi und andere Mitarbeiter bisher geleistet haben, zählt unbestritten zum Besten, was der ORF im Informationsbereich zu bieten hat: trotz Mini-Budget!

Es ist auch quantitativ nicht wenig: zehnmal jährlich eine Dokumentationsserie („Ost- und Südostreport" — im neuen Programmschema unverständlicherweise zeitgleich mit „Club 2"), fünf- bis sechsmal im Jahr eine sonntägige „Pressestunde" mit Auslandsgästen, zwei Symposien (über die Funktion der Medien im Dialog der Blöcke 1981 und „Religion, Menschenrechte und Entspannung" 1983), „Club-2"-Pro-duktionen in Budapest und BelT grad, denen eine in Warschau folgen wird.

Ungarn wie Jugoslawien haben diese „Club"-Abende, zeitversetzt freilich und auf je eine Stunde verkürzt, auch im eigenen Fernsehen ausgestrahlt: eine beachtliche Leistung, auch wenn die

Scheu vor Direktübertragungen ein unübersehbares Wesensmerkmal demokratiefeindlicher Medienscheu bleibt.

Am 24. Mai wird ein „Club 2" über die Situation in Polen in FS 2 live aus Warschau ausgestrahlt und am 31. Mai verkürzt auch im polnischen Fernsehen gezeigt werden.

Das im März zwischen den Funkanstalten beider Länder unterzeichnete Kooperationsabkommen, das auch die Zusage einer Dauerakkreditierung von ORF-Redakteuren enthält, liegt doch ein gutes Stück abseits des Obstruktionsweges, den die polnischen Behörden mit der Einreiseverweigerung für Barbara Cou-denhove-Kalergi Ende 1982 beschritten hatten.

Freilich ist ein kommunistisches Regime nach wechselndem Bedarf immer auch für jede Art von politischem Eiertanz gut. So konnte Professor Lendvai gelegentlich des jüngsten Besuchs des österreichischen Außenministers Erwin Lanc in der CSSR zwar zwischen heimischen Ministern an der Prager Galatafel dinieren— von der Schwarzen- Liste, auf die er wegen einer Bemerkung gegenüber Staatspräsident Gustav Hu-sak 1982 gesetzt worden war, wurde er trotzdem nicht gestrichen. „Ich muß halt immer einen Minister oder Staatssekretär mitnehmen, wenn ich nach Prag will", gewinnt Lendvai der Situation eine humorvolle Note ab.

Scherereien hat die Ost- und Südosteuropa-Redaktion des ORF nicht nur mit den Nachbarn im Norden. Wegen der Kroatien-Dokumentation hat 1982 auch Jugoslawien hart attackiert. Prag paßte auch die Coudenhove-Dokumentation „Böhmen im Herbst" nicht. Und die „Iswestija" tobte 1983 und 1984 ganz gewaltig gegen den ORF.

Lendvai preist die volle Rük-kendeckung durch Generalintendant Gerd Bacher, aber auch durch Bundesregierung und Oppositionschef Alois Mock: „Die Erfahrung aller westlichen Medien zeigt, daß sich die Sowjets letztlich den Realitäten anpassen und bei glaubwürdigem Widerstand gegen Pressionen ihr Vorhaben stillschweigend fallenlassen."

Der ORF-Korrespondent in Moskau wird nicht ärger behindert als andere Westkorrespondenten in allgemeiner Form auch. ORF-Dokumentationen werden derzeit über den Islam in Jugoslawien (Sendetermin Juli), das Leben in Albanien (August) und jüdische Gemeinden in Osteuropa (November) gedreht. Im Mai kommt eine rumänische Rundfunkdelegation nach Wien.

Die Hörer und Seher in Westungarn, Südböhmen, der Slowakei, Südpolens und Nordwestjugoslawiens werden voraussichtlich auch in Zukunft ein Atherbild ihres Lebens aus Wien präsentiert bekommen, das der Realität teilweise mehr entspricht als heimische Propagandasendungen — ohne daß der Schwarzweißmalerei des eigenen Rotfunks eindimensionale Gegenpropaganda gegenübergestellt würde.

Man sollte Fernsehleute aus Ost- und Südosteuropa einladen, Lebensbilder in Österreich zu drehen und diese dann auch uns vorzuführen. Als Gegenprobe.

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