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Neue Kooperationen und ein alternatives Projekt namens „Ja”

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Österreichs katholische Kirchenzeitungen befinden sich in einer Umbruchphase. Ab Jahresbeginn will das Blatt „Ja” für frischen Schwung sorgen.

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Österreichs katholische Kirchenzeitungen befinden sich in einer Umbruchphase. Ab Jahresbeginn will das Blatt „Ja” für frischen Schwung sorgen.

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Ist eine Kirchenzeitung ein runder Tisch (offenes Forum) oder ein Mitteilungsblatt des jeweiligen Rischofs? Für den Paudorfer Pfarrer, Pater Udo Fischer, bekannt als Kritiker des St. Pöltner Bischofs Kurt Krenn, ist die Antwort „sonnenklar”: Eine Kirchenzeitung soll „ohne Scheuklappen informieren und auch kritisch sein”. Da dies seiner Ansicht nach im Osten Österreichs nicht der Fall ist, will der Ordensmann ab Jänner wöchentlich eine neue achtseitige Kirchenzeitung mit dem Titel „Ja” auf den Markt bringen.

Ihm zur Seite steht der Pastoral-theologe Franz Schmatz, dessen Lehrtätigkeit an der St. Pöltner Hochschule im Juli von Krenn gekündigt wurde. Insbesondere die einseitige Berichterstattung in der Wiener und St. Pöltner Kirchenzeitung nahmen die beiden zum Anlaß, ein wöchentliches alternatives, von der Basis gemachtes Blatt zu gründen. Eine Probenummer wurde vergangene Woche in Wien präsentiert. Um den Preis von zehn Schilling wird es keine Fernsehprogramme, keine Fortsetzungsromane und keine bischöfliche Hofberichterstattung, dafür aber Kommentare über das kirchliche Geschehen ohne Maulkorb geben. Finanziell arbeiten die Herausgeber „mit dem Prinzip der Hoffnung”. Mit 150.000 Schilling und ehrenamtlichen Mitarbeitern habe man nun dieses Projekt begonnen, so Fischer zur furche. Er hofft auf 5.000 Abonnenten.

Kann es „Ja” gelingen, sich in der heimischen Kirchenpresse zu etablieren? Der Salzburger Publizistikprofessor Michael Schmolke sieht gute Chancen: „In der gegenwärtigen kirchlichen Situation wird diese Zeitung gewiß auf Interesse stoßen.” Allerdings weist Schmolke auf das hohe finanzielle Risiko hin. So werden die Herausgeber zunächst „asketisch” arbeiten müssen. „Die spannende Frage ist, wie lange es dauern wird, bis sie kostendeckend bilanzieren werden.”

Die Konkurrenz von „Ja” ist groß. So gibt es je eine deutschsprachige Kirchenzeitung in jeder der neuen Diözesen. Außerdem besitzen noch die Slowenen in Kärnten (Auflage: 4.300) und die Kroaten im Burgenland (Auflage: 3.600) je eine Kirchenzeitung in ihrer Muttersprache. Wie die Tabelle zeigt, leiden mit Ausnähme der Eisenstädter Kirchenzeitung, deren Auflage konstant blieb, seit 1971 alle Blätter unter ständigem Leserschwund. Der Chefredakteur des Grazer „Sonntagsblattes”, Herbert Meßner, klagt, daß die Stornierungen nicht nur aufgrund von Todesfällen erfolgten: „Die innerkirchlichen Querelen sind auch bei uns nicht spurlos vorübergegangen.” Interessant ist, daß nicht nur die als „konservativ” geltende Wiener Kirchenzeitung sondern auch die als „liberal” eingestufte Linzer Kirchenzeitung Haare lassen mußten. Dabei sollte man nicht übersehen, daß in beiden Diözesen zwei überregionale Monatszeitschriften entstanden sind. Diese sind rechts („Der 13.” in der Diözese Linz, Druckauflage: 13.000) und links („Kirche intern”, Druckauflage: 20.000, in der Erzdiözese Wien, die einen neuen Eigentümer sucht) von der kirchlichen Mitte angesiedelt.

In den Kirchenzeitungs-Redaktionen steht man der neuen Publikation „Ja” gelassen gegenüber. Den Herausgeber von „Kirche bunt”, Prälat Josef Eichinger, macht das Blatt von Pater Udo „nicht nervös”. Auch die Chefredakteurin der Wiener Kirchenzeitung, Marie-Theres Hemberger, glaubt nicht, dadurch Leser zu verlieren. „Wenn Gott ,Ja' haben will, wird die Zeitung Bestand haben.” Zum Vorwurf der einseitigen Berichterstattung wollten beide nicht Stellung nehmen. Hemberger: „Ich setze mich doch nicht mit den Ansichten von Pater Udo auseinander.”

Die österreichische Kirchenpresse, in der sich die innerkirchliche Polarisie-rung widerspiegelt, befindet sich derzeit im Umbruch. So war dem Salzburger Erzbischof Georg Eder die liberale Haltung des „Rupertusblattes” schon immer ein Dorn im Auge. Zusammen mit Weihbischof Andreas Laun nahm er Änderungen vor. Er entließ den langjährigen Chefredakteur Bernhard Strobl, worauf sich auch 3.500 Leser verabschiedeten. Der Ausstieg aus der Kooperation der westösterreichischen Kirchenzeitungen (Linz, Innsbruck, Feldkirch) mit Ende dieses Jahres schlägt noch immer hohe Wellen im Kirchenvolk.

Der neue Chefredakteur Andreas Löschberger sieht sich als Opfer seines Vorgängers. Gewisse Laien und sogar manche Priester hätten eine Unterschriften-Kampagne gegen die neuen Blattmacher durchgeführt. Mit Jahresbeginn will Löschberger mit den Wiener Kollegen kooperieren. Ein Gespräch fand vergangenen Donnerstag in Salzburg am Rande der Herbstsitzung der Bischofskonferenz statt. Für kurze Zeit nahmen auch die Erzbischöfe Georg Eder und Christoph Schönborn daran teil. Löschberger danach zur furche: „Zwar ist noch nichts Genaueres fixiert. Doch ich denke an eine lose Zusammenarbeit. Wir wollen von Wien jene Berichte übernehmen, die uns gefallen.”

Damit wird es ab Jahresbeginn vier Gruppen von wöchentlich erscheinenden Kirchenzeitungen geben: die „liberale” Westkooperation (Feldkirch, Innsbruck und Linz), die neue „konservative” Achse (Wien, Eisenstadt und erstmals Salzburg), die „Einzelkämpfer” St. Pölten, Graz und Klagenfurt sowie das neue Projekt „Ja”. Änderungen sind möglich.

Seit vielen Jahren wird die überregionale Berichterstattung der Wiener Kirchenzeitung von den Burgenländern übernommen, um Kosten zu sparen. Der Chefredakteuer der Eisenstädter Kirchenzeitung, Franz Buch-berger, ist mit den vorgegebenen Seiten jedoch nicht zufrieden: „Ich kann mich mit der Linie von Frau Hemberger und ihrem Vorgänger nicht identifizieren. Im Gegenteil, ich wünsche mir eine offenere Blattlinie. Meine Vorschläge werden aber nicht gehört.” Im vergangenen Jahr bekam Buchberger zahlreiche Briefe empörter Leser. Der Chefredakteur zur furche: „Damals habe ich überlegt, die Zusammenarbeit mit Wien aufzukündigen. Jetzt hoffe, daß sich unter dem neuen Erzbischof Schönborn etwas ändern wird.” In einer Sondernummer werden derzeit die Gläubigen im Burgenland auch über ihre Meinung zur Eisenstädter Kirchenzeitung befragt. Buchberger will das Votum der Leser ernst nehmen.

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