Barockes Blatt auf Augenhöhe

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Die Erzdiözese Wien braucht eine Image-Reparatur. Hilfreich dabei ist das Gratismagazin "Dialog". Sein Rezept: Es bleibt auf der Augenhöhe der Masse seiner Leser - und greift auf das Sinnlich-Bildhafte der Barockzeit zurück.

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Die Erzdiözese Wien braucht eine Image-Reparatur. Hilfreich dabei ist das Gratismagazin "Dialog". Sein Rezept: Es bleibt auf der Augenhöhe der Masse seiner Leser - und greift auf das Sinnlich-Bildhafte der Barockzeit zurück.

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Der Erfolg: Nach einem Jahr der Gratisverteilung des kleinen bunten Blattes namens "Dialog" an alle Wiener Kirchenbeitragszahler haben zehn Prozent von ihnen eine bessere Meinung von der Kirche. Sagt eine Umfrage unter 500 Leserinnen und Lesern. Der Preis: 12,5 Millionen Schilling pro Jahr Zuschuß, wie prognostiziert; heuer voraussichtlich etwas weniger. Finanziert wird das Magazin aus dem Kirchenbeitrag. Diesen einzuheben "unterstützt der 'Dialog' vom Stimmungsbild her sehr gut", sagt der Leiter der Kirchenbeitragsstelle, Josef Weiss, zur Furche.

Der durch verschiedene Beitragsermäßigungen hausgemachte Beitragsrückgang war im vergangenen Jahr laut Weiss kleiner als erwartet. Die Zahlen von 1997 sind noch nicht geprüft; 1996 hatte die Erzdiözese Wien 1,3 Milliarden Schilling zur Verfügung. Und ein einziges Prozent davon muß der Erzdiözese diese Kommunikations-Plattform zwischen den Katholiken und der Diözese schon wert sein, hieß es zum Start des "Dialogs".

Es geht also um Kommunikation, weniger um Information. Auch keine Information über die Kirchenbeitrags-Bilanz: "Was macht die Kirche mit unserem Geld?" ist im "Dialog" bloß eine nette Geschichte mit dem Zusatz: Die Bilanz kann angefordert werden.

Information über das Leben in den Pfarren findet nicht statt, es wird kein "Pfarrgefühl" erzeugt, und ein Veranstaltungs-Überblick fehlt auch.

Dafür gibt es ziemlich viele Promis und Geschichten, die menscheln. "Durch Bekanntes auf Unbekanntes weisen", sagt Chefredakteur Wolfgang Bergmann. Das gelingt. Weil das Magazin sowohl journalistisch als auch graphisch professionell gemacht wird. Mit einigem Aufwand: Der statuengleiche Nackerte der jüngsten Nummer wurde eigens für den Dialog fotografiert.

Der glänzende Männerkörper regte weniger auf als jenes Inserat, das für den Einkauf am 8. Dezember warb: "Das hat mich in diesem an sich gut gemachten Magazin maßlos geärgert - bei allem Verständnis für die Finanzierung durch Anzeigen" sagte Buchhändler Werner Riedmüller zur Furche.

Die Sache mit der Werbung für den 8. Dezember als Einkaufstag war ein Herausgeberunfall: "Mit dieser Handelskettenanzeige hatte es nie zuvor Probleme gegeben, daher ging sie direkt in die Druckerei", berichtet Bergmann. Und er zerstreut die Hoffnung, daß sich das Magazin durch Inserate selbst finanzieren kann. Schuld sind die Postgebühren der adressierten Aussendung. Immerhin hat der "Dialog" eine kontrollierte Auflage von 710.454. Bei 1,4 Millionen Katholikinnen und Katholiken in der Erzdiözese. Mit ihnen will der Dialog einen "Dialog" führen.

Das gelingt, naturgemäß, nur in einem beschränkten Ausmaß. Es existiert die angestrebte Kommunikations-Plattform, Mitreden im Sinne von Mitbestimmen geschieht dort nicht. "Der ,Dialog' versucht nicht, eine zusätzlich Kirchengemeinde zu gründen", sagt Bergmann und verweist auf die "vielfältigen Formen der Mitbestimmung in der Kirche".

Mit dem unbändigen Willen, den Leserinnen und Lesern auf Augenhöhe zu begegnen, wird dem Dialog wesentlich mehr journalistische Freiheit eingeräumt als der an sich von der Diözesanleitung viel unabhängigeren Wiener Kirchenzeitung.

Bei der Gründung des "Dialogs" schien das Ende der Wiener Kirchenzeitung, die Mitte April ihr 150jähriges Bestehen feiert, angebrochen. Als gewinnbringende Institution ist sie ihrem Herausgeber von der Schaufel gesprungen. Mit solchem Schwung, daß ihr soeben ein neues Outfit verpaßt wird. Nach dem üblichen Mantel-Konzept des deutschen Zeitungsmaches Heiko Klinge, das die Lokalberichterstattung in den Hintergrund drängt. Wird da an einen Mantel für alle österreichischen Kirchenzeitungen gedacht? Die Wiener Kirchenzeitung finanziert sich ihre Erneuerung selbst. Dazu der Generalsekretär der Kirchenpressekonferenz, Ernst Gansinger: "Kirchenzeitungen müssen in beinharter Arbeit ihre Existenz sichern, Gratiszeitungsprojekte dürfen schier maßlos kosten".

Die österreichischen Kirchenzeitungen müssen mit Miniredaktionen auskommen. Viele Jahre durften sie nichts investieren, weil sie den Diözesen als Melkkuh dienten. Der Wunsch nach besserer Ausstattung, schlicht: der Wunsch nach mehr Geld ist legitim. Und der Wunsch nach der Variante: Einmal pro Monat statt der Gratiszeitung an alle Katholiken zu gehen.

Davon war in Wien nicht die Rede. Die Erzdiözese produziert seit einem Jahr das Gratismagazin "Dialog".

"Dialog", das Blatt auf Augenhöhe, ist mit seinen bunten Fotos und kurzen Texten ein Rückgriff auf das Sinnlich-Bildhafte des Barock. Der Verzicht auf das Intellektuelle hat auch damals so manche geschmerzt.

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