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Randhemerkungen zur woche

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EIN WIENER MITTAGBLATT, das kürzlich in der publizistischen Etappe des Sozialismus arriviert ist und seine Originalität in Darbietungen zu vertreten scheint, die man auf der Linken Wienzeile ablehnt, verbreitete sich, aus Anlaß der feierlichen Verkündigung eines Glaubenssatzes für die katholische Welt, über „das Wunderdogma im 20. Jahrhundert“, um zu dem Schlüsse zu gelangen, daß „durch den Fortschritt der Wissenschaft der starre Dogmen- und Wunderglaube für jeden aufgeklärten Menschen des 20. Jahrhunderts erschüttert wurde“. Die erkennbare Voraussetzung für diese lapidare Erkenntnis war eine unbestreitbare und auch nicht verhohlene Unwissenheit. Aber da unter solchen Umständen doch etwas mehr für den „aufgeklärten Menschen des 20. Jahrhunderts“ geschehen muß, wartet das also berufene Blatt gegen den starren Dogmen- und Wunderglauben allsamstäglich mit einem astrologischen Kalender auf, der unter dem Titel „Wochenschau“ für jede Woche vom 21. März 1950 bis zum 20. März 1951 rückschauend und vorschauend — es geht unter einem Aufwaschen — den aufgeklärten Menschen des 20. Jahrhunderts zuverlässige, durch die Sterne und im Wege des besagten sozialistischen Mittagblattes vermittelte Ratschläge versetzt. So vernimmt der geneigte Leser jetzt im Zeichen des „Skorpions“ für 24. Oktober bis 25. November folgende, direkt aus dem Sternenraum stammende abgründige Weisheitssprüche:

„Die positiven Strömungen halten im großen und ganzen an. Man hüte sich jedoch davor, allzu subjektiv zu leben, das heißt den klaren Blick zu verlieren. Es könnten sich sonst unerwartete Fehlschlage innerhalb der Familie- und des Berufs ergeben. Selbstkontrolle wäre gerade jetzt sehr wichtig.“

Mit solcher abergläubischer Volksverdummung wagt sich ein Wiener Blatt, das dem Sozialismus dienen soll, unter die Leute. Wir muten gewiß den Herren Vizekanzler Dr. Schär f und Abg. Dr. Pitt ermann nicht zuviel zu, wenn wir ihre Zustimmung zu unserer Meinung annehmen, daß dieser Klimbim ihres publizistischen Anhängsels energisch abgestellt gehört. Es dürfte sich mit dem Ansehen und Beruf einer Partei schwerlich vertragen, ein Organ für astrologischen . Hokuspokus, Traumbüchelkunde und verwandte Valksaufklärung zu unterhalten.

NACHRICHTEN ÜBER DIE VOLKSDEUTSCHEN in Osterreich kann der aufmerksame Zeitungsleser innerhalb eines Monats sammeln. Eine kleine Auslese: Menschen, die sich in einer Bombenruine vor der drohenden Zwangsdelogierung verschanzen; dräuende Warnung des Innenministers an die Flüchtlinge, sich nicht in die Teuerungsdemonstrationen einzumengen, und von ganz Links dazu die Behauptung, die Volksdeutschen hätten eine führende Rolle in ihnen gespielt; nutzlose Vorsprache der sozialistischen Beiräte der Arbeiterkammer beim Präsidenten wegen der arbeitsrechtlichen Gleichstellung der Flüchtlinge; ein Selbstmörder im Wiener Stadtpark, Jurist, Staatsbürgergesuch seit Jahren im Magistrat; und die Kräfte des in Linz für ein volksdeutsches Statut demonstrativ wochenlang Hungernden „nehmen langsam ab“ ... Die zweite Sitzung des Beirates für die Volksdeutschen erhielt dieser Tage die Antwort auf ihre langjährigen Bitten um arbeitsrechtliche Gleichstellung. Also doch? Nun, wenn nach einem geflügelten Worte die Sprache dazu da ist, die Gedanken zu verbergen, dann ist noch viel verborgen. Da heißt es, daß man den Wünschen „soweit wie möglich sympathisch gegenüberstehe“; daß „Volksdeutsche Arbeiter unter gewissen Voraussetzungen“ sogenannte Befreiungsscheine erhalten könnten — Befreiung von der vorgeschriebenen Beschäftigungsgenehmigung nämlich. In einer Pressekonferenz haben wir indessen erfahren, daß die Tanzolympiade und die Stqatsmeisterschaften in Fox und Tango gesichert sind, vorausgesetzt, daß noch 100.000 Schilling flüssig gemacht werden können und die „Turnierkleidung“ beschafft wird, die für eine Dame 2000 bis 3000 Schilling kostet.

„KÜNSTLER HELFEN KÜNSTLERN“ — unter dieser Parole haben sich seit einem Jahr namhafte österreichische Schauspieler zusammengetan, um durch ihre nicht honorierte Teilnahme an künstlerischen Abend-veranstaltungen — die übrigens gut besucht worden sind — die Not ihrer fast zweitausend arbeitslosen, kranken oder alten Berufskollegen zu mildern. 40.000 Schilling konnten im Wege dieser Selbsthilfeaktion bereits aufgebracht und in Form von Lebensmittel-, Kleider- und Geldspenden weitergegeben werden; einer Anzahl von Schauspielern wurde eine Umschulung auf andere Berufe ermöglicht. Die Veranstaltungen sollen in verstärktem Maße fortgesetzt werden. Der Industriellenverband hat eine Reihe von Betriebsveranstaltungen bestellt, deren Reingewinn gleichfalls der Aktion zufließen wird. — Die Öffentlichkeit wird diesem tapferen und anständigen Selbsthilfeversuch österreichischer Künstler ihre. Anerkennung nicht versagen.

DIE KRONE IM SALZBURGER LANDSCHAFTSBILD, die Feste Hohensalzburg, zeigt schlimme Bauschäden, die mancherlei Befürchtungen“für die Zukunft dieses einzigartigen Architekturdenkmals wachrufen; Untersuchungen und Kommissionierungen haben die Notwendigkeit einer schleunigen und durchgreifenden Restauration erwiesen. Im Zusammenhang damit taucht die alte, leider immer noch unerledigte Frage nach der Unterbringung der jetzt in Magazinen allmählich verkümmernden, aber doch so ungemein r eichen

Bestände des S alzb ur g er Landesmuseums — dessen Haus bekanntlich während des Krieges zerstört wurde — neuerlich auf. Der ausgezeichnete Plan, das von jeher an Platzmangel leidende Landesmuseum in mit verhältnismäßig geringen Mitteln leicht zu adaptierenden Räumen der Hohensalzburg unterzubringen, hat die Zustimmung einer ganzen Reihe von Denkmalpflegern und Kunsthistorikern gefunden; wir erinnern unsere Leser an die warmen Worte, mit denen beispielsweise der wohl bedeutendste Fachmann auf dem Gebiet des Musealwesens, Viktor v. G e-r amb, dieses Projekt in der „Furche“ gewürdigt hat. Seine Verwirklichung scheint sich bisher weniger aus sachlichen denn aus verwaltungstechnischen Gründen hinausgezogen zu haben. Ob sich nicht jetzt die unschätzbare Gelegenheit gäbe, die beiden Projekte, nämlich das der Restauration der Festung und das der Neuunterbringung eines der bedeutendsten Museen, zu vereinen? Es läge im Interesse Salzburgs und seiner Festung — die ohnehin den Fremden nur leere Räume zu zeigen hat — und nicht zuletzt auch im Interesse der öffentlichen Geldsäckel. t

DAS ZENTRALORGAN DER KP IN ITALIEN sowie andere kommunistische und linkssozialistische Blätter erscheinen in Rom sozusagen auf Staatskosten. Wie es zu dieser mehr als eigenartigen Situation gekommen ist, verrät ein Bericht des römischen Korrespondenten der „New York Times“: Im Februar 1945 beschlagnahmten alliierte Truppen das Gebäude des ehemaligen faschistischen Parteiverlages in Rom und übergaben es später der damaligen von Bonomi geführten italienischen Regierung zur treuhändigen Verwaltung. Stellvertretender Ministerpräsident im Kabinett Bonomi aber war Palmiro Togliatti, der italienische Kommunismus stand im Zenit seiner Machtentfaltung. Deswegen war es für den kommunistischen Vizepremier auch ein leichtes, die Verwaltung dieses ehemaligen faschistischen Eigentums einer von seinen Parteifreunden beherrschten Kommission zu übertragen. Eine Praxis, die nicht einmalig und durchaus nicht ohne Beispiel in andern Ländern war. Die Kommission, deren Aufgabe es sein sollte, das Unternehmen zu liquidieren und den Erlös der Staatskasse abzuführen, hatte Zeit. Sie tagte und vertagte sich, während die Rotationsmaschinen die kommunistischen Blätter in Hunderttausenden von Exemplaren ausspieen. Daran änderte — aus undurchsichtigen Gründen — nicht einmal etwas der 18. April 1948, der Tag des Wahlsieges der Democristiani und die Übernahme der Regierung durch ihre Männer. Die ehemalige Druckerei Mussolinis arbeitete weiter für Palmiro Togliatti. Zu Beginn dieses Jähret, wurde endlich ein hoher Beamter des italienischen Arbeitsministeriums mit dem raschen Abschluß der Liquidierung beauftragt. Bis heute hat diese aber noch immer nicht stattgefunden, dafür verlassen täglich 300.000 Exemplare der „L'Vnita“, 60.000 des „II Paese“ und 40.000 des „Avanti“, alle bis in die letzten Spalten vollgeschrieben von Kampfansagen gegen den italienischen Staat und seine Regierung, die Druckerei in der Via IV. November, das Eigentum der italienischen Republik. Man erwartet, daß dieser Groteske bald ein Ende bereitet wird.

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