Weiterreden ist erlaubt

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Österreichs Hirten fanden in Rom unklare Perspektiven vor und hinterließen schalen Nachgeschmack.

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Österreichs Hirten fanden in Rom unklare Perspektiven vor und hinterließen schalen Nachgeschmack.

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Die Aufmerksamkeit der Römer richtete sich letzte Woche auf anderes als die Aufmerksamkeit mancher Österreicher in Rom. Da waren etwa die aus ganz Europa herbeiströmenden Kurden, die für die (mittlerweile erfolgte) Freilassung des PKK-Chefs Öcalan Hungerstreiks abhielten. Oder die für Rom untypische Kälte, die auch wintergeübten Österreichern zusetzte. An kirchlichen Ereignissen machte die Bischofssynode für Ozeanien Furore, Einheimische aus der Südsee tanzten im Petersdom in luftiger Bekleidung vor dem Papst und vermittelten ein exotisches Flair von Weltkirche.

Daß Österreichs Bischöfe in der Herbstkälte ihren Ad-limina-Besuch absolvierten, kam den Bewohnern Roms kaum zu Ohren. Das liegt schon daran, daß dem Vatikan pro Jahr etwa 30 solcher Besuche, bei denen die Bischöfe eines Landes über die Situation ihrer Kirche berichten, ins Haus stehen. Und: Auch aus kirchlicher Perspektive ist Österreich klein, das Gewicht von sechs Millionen Katholiken ist in der Weltkirche ein begrenztes. Zumindest wird Österreichs Kirche in Rom nicht in der Weise wahrgenommen, wie die (öffentliche) Beurteilung in Österreich verläuft. Über diese Wahrnehmung österreichischer Verhältnisse durch Rom einerseits und die Probleme aus der Sicht des heimischen Episkopats andererseits war zu reden - mit dem Papst und in verschiedenen Ämtern des Vatikan. Und es wurde geredet, wie die Bischöfe versicherten: mit Kardinal Joseph Ratzinger in der Glaubenskongregation ebenso wie mit anderen Angehörigen der Kirchenspitze.

Die Themen lagen auf der Hand. Der Ad-limina-Bericht, der in Österreich so viel Aufregung verursacht hatte, weil er zu früh bekannt wurde, und weil Bischof Krenn in einem "News"-Interview erklärte, ihn abzulehnen, spricht bezüglich der Probleme der österreichischen Kirche eine klare Sprache (siehe Seite 3). Dazu kam der "Dialog für Österreich", der auch für die Weltkirche einen beredenswerten Vorgang darstellt. Die Bischöfe berichteten denn auch, daß bei den Gesprächen sowohl der "Dialog für Österreich" als auch die dabei erhobenen Voten angesprochen wurden. Ein vertrauensvolles Gespräch sei möglich gewesen, äußerte der Wiener Weihbischof Helmut Krätzl. Ob es Fortschritte in bezug auf die Salzburger Voten gegeben habe? Krätzl: Eine unmittelbare Umsetzung etwa des Frauendiakonats oder der Priesterweihe für verheiratete Männer sei nicht zu erwarten gewesen.

Was aber war zu erwarten? Zumindest die Ermutigung für eine Weiterführung des "Dialogs". Ob dies aus den Ergebnissen der Gespräche in der Kurie und aus den Worten des Papstes an die Bischöfe herauszulesen ist? Keine Tür wurde zugeschlagen, so die bischöflichen Interpretationen sowohl der Gespräche als auch der vom Papst an die Bischöfe verteilten Ansprache (siehe Seite 2). Nur ein einziges "Verbot" findet sich in den Worten des Papstes, und zwar in bezug auf die Priesterweihe für Frauen. Doch von dieser war in den Voten der Salzburger Delegiertenversammlung zum "Dialog für Österreich" keine Rede. Auch die Unauflöslichkeit der Ehe, die der Papst einmahnt, wurde in Salzburg nicht bestritten, ebensowenig die Wichtigkeit der Priester für die Kirche. Vatikanjournalisten vor Ort schätzten insbesondere die Papst-Aussagen zu "Demokratie in der Kirche" als neu ein: eine derart scharfe Absage sei in päpstlichen Dokumenten bislang nicht zu lesen gewesen.

Eine Ermutigung?

War die Papstrede aber wirklich ermutigend, wo sie die Themen der Salzburger Delegiertenversammlung nur durch deren "Auslassung" ansprach? Der Grazer Bischof Johann Weber freute sich, daß es zu keinem der Salzburger Voten ein Redeverbot gebe. Und Kardinal Schönborn bemerkte bei der Abschlußpressekonferenz, man könne ein halb gefülltes Glas "halbleer" nennen. Er selbst sehe es aber "halbvoll". Als Bekräftigung dieser Interpretation stellte Schönborn in Rom erstmals konkretere Schritte vor, wie der "Dialog für Österreich" weitergeführt werden soll: Eine Arbeitsgruppe (bestehend aus dem Wiener Weihbischof Alois Schwarz, Salzburgs Erzbischof Georg Eder und dem Innsbrucker Hirten Alois Kothgasser) wird dafür eingesetzt, die Pastoralkommission Österreichs wird sich spätestens zum Jahreswechsel mit der "Dialog"-Weiterführung befassen, eine eigene Bischofskonferenz am 9. Dezember wird erste Schritte vorschlagen.

Neben derartigen Perspektiven hinterläßt die österreichische Romvisite aber schalen Nachgeschmack: Trotz der beschworenen "guten Atmosphäre" konzedierte ein österreichischer Bischof gegenüber der Furche, viele der Gespräche seien "sehr unkonkret" verlaufen. Mitunter habe man nicht einmal wesentliche Anliegen vorbringen können. So habe man mit dem Präfekten der Bischofskongregation, Kardinal Lucas Moreira Neves, auch die Frage der Bischofsernennungen erörtern wollen, sei aber aus Zeitmangel nicht dazugekommen.

Bei diesem letzten Programmpunkt des Ad-limina-Besuches kam auch der in Rom eskalierte Konflikt zwischen Bischof Kurt Krenn und Kardinal Schönborn neu zum Ausbruch. Krenn wurde mit der Aussage zitiert, der von ihm so bekämpfte Fünfjahresbericht der Bischöfe, dessen Adressat die Bischofskongregation ist, sei Kardinal Neves gar nicht übergeben worden. Tatsächlich wurde das Dokument, wie die Umgebung Kardinal Schönborns bestätigte, durch ein "technisches Versehen" erst am Nachmittag des letzten Besuchstages übermittelt. Zu diesem Zeitpunkt waren aber viele der Bischöfe längst abgereist ...

Die österreichischen Querelen wurden in Rom wohl nur von den mitreisenden Journalisten registriert (und nach Österreich befördert; siehe auch Glosse Seite 10). Eine der Aufforderungen in der Papstrede lautete allerdings, den Blick über die Kirchtürme Österreichs hinaus zu weiten. Ob dieser Horizont, der vom Papst zu Recht eingemahnt wurde, und der ein wesentlicher Aspekt für eine Fahrt "Ad limina Apostolorum", an die Schwellen der Apostelgräber sein sollte, allen bischöflichen Reisenden nachhaltig in den Blick gekommen ist?

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