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Heimathaus statt Festung

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Österreichs katholische Bischöfe wollen am 15. Mai 1990 einen mutigen Sozialhirtenbrief präsentieren und betrachten „mit Sorge und Schmerzen“ die Zunahme der Kirchenaustritte.

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Österreichs katholische Bischöfe wollen am 15. Mai 1990 einen mutigen Sozialhirtenbrief präsentieren und betrachten „mit Sorge und Schmerzen“ die Zunahme der Kirchenaustritte.

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Die Österreichische Bischofskonferenz, der die zehn katholischen Ordinarien, fünf Weihbischöfe und der Abt von Mehrerau angehören, trat von 6. bis 9. November in Wien zu ihrer Herbsttagung zusammen. Hauptthema war, wie erwartet, der Sozialhirtenbrief, der am 15. Mai 1990, pünktlich zum 99. Jahrestag der ersten Sozialenzyklika, „Rerum novarum“, fertig vorliegen soll.

Der Sozialethiker P. Johannes Schasching SJ von der Päpstlichen Universität Gregoriana in Rom informierte an einem Studientag über die kirchliche Soziallehre von Papst Johannes Paul II. und gab Hilfestellung für ein „Gerippe“ dieses Briefes, der sich natürlich im Stil vom heiß diskutierten „Grundtext“ (FURCHE 37/1988) unterscheiden wird. Denn es gilt, die vielen schriftlichen Stel-lungnahmen-2.199bis31. Juli 1989, weitere hundert in den Wochen bis zur Drucklegung der nun vorliegenden Broschüre „Zusammenfassung der Stellungnahmen“ - zu berücksichtigen. (Die Broschüre ist um S 20,- beim Sekretariat Sozialhirtenbrief, 4020 Linz, Herrenstraße 19 erhältlich.)

Nach vorsichtiger Schätzung haben sich etwa 15.000 Personen einzeln oder in Gruppen zu Wort gemeldet. Etwa 73 Prozent der Einsendungen kamen aus dem kirchlichen Bereich, sechs Prozent von Schülern, sieben Prozent von politischen Parteien und Interessenvertretungen und die restlichen 14 Prozent von nicht näher zugeordneten Einzelpersonen.

Die Bischöfe sprachen allen Beteiligten an der regen Diskussion ihren Dank aus, und der Linzer Bischof Maximilian Aichern, Hauptverantwortlicher für den Sozialhirtenbrief, betonte, man wolle beim endgültigen Text „mutig“ sein, da die Bischöfe sonst „nicht dem Sinn des Evangeliums“ entsprechen würden. Jetzt solle man die Bischöfe in Ruhe arbeiten lassen.

Anfang März 1990 gibt es eine außerordentliche Bischofskonferenz zum Hirtenbrief. Dieser soll dann auf der nächsten ordentlichen Session der Oberhirten im April verabschiedet werden.

Zum Thema Familie trafen mit Abstand die meisten Stellungnahmen (788, gefolgt von Erwerbsarbeit mit 550) ein. Die Bischöfe appellierten an Regierung und

Gesetzgebung, die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen „noch stärker so zu gestalten, daß Familie gelebt und erlebt werden kann“.Einzelne Abschnitte der jüngst erschienenen „Materialien zur Sexualerziehung“ lehnt die Bischofskonferenz ab, sie hält aber „eine gute Sexualerziehung, zu der zu allererst die Eltern berufen sind, für unerläßlich“, und läßt das Bestreben erkennen, selbst „schulisch vertretbare Modelle erstellen zu lassen“.

„Sorge und Schmerzen“ bereiten den Bischöfen die Kirchenaustritte, 1989 voraussichtlich sogar noch um etwa zwölf Prozent mehr als im Negativ-Rekordjahr 1988 mit 35.224 Austritten. Das Problem sei nicht auf die Frage des Kirchenbeitrages zu reduzieren. Man stehe zur umstrittenen Kampagne „Trag' was bei“, betonte Bischof Johann Weber als Sprecher der Bischofskonferenz, besonders die Einführung der Beitragsberater sei positiv zu werten. Der (von Weihbischof Kurt Krenn geäußerte) Vorschlag, nicht mehr vor der Behörde, sondern in der Pfarre aus der Kirche auszutreten, werde nicht weiterverfolgt, auch nicht die Idee einer „Missio canonica“ für Journalisten.

Es werde nichts unter den Teppich gekehrt und es käme auch zu Auseinandersetzungen in der Bischofskonferenz, sagte Weber. Das Haus Kirche, das man bauen wolle, sei kein „Barockbau“ und keine „romanische Festung“, sondern ein „Heimathaus“.

Noch nicht kam es diesmal zu einer Umverteilung der Referate innerhalb der Konferenz. Gegenüber dem umstrittenen Engelwerk sollen noch einmal verschärft die drei Beschlüsse des Vorjahres -keine Berufung auf Privatoffenbarungen, keine Engelweihen, kein Import von Aktivitäten aus Deutschland - wiederholt werden.

Über den jüngsten Artikel von Kardinal Franz König (FURCHE 44/1989) sei inoffiziell gesprochen worden, erklärte Bischof Weber. Er habe keine Gegenstimmen zur Analyse Königs gehört.

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