Kontinent auf Wegsuche

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Noch bis 23. Oktober sind gut 200 Kirchenführer aus allen Ecken des Kontinents zur Europa-Bischofssynode in Rom versammelt. Die "Gruppendynamik" hat den Beratungen schon jetzt eine bunte Note verliehen.

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Noch bis 23. Oktober sind gut 200 Kirchenführer aus allen Ecken des Kontinents zur Europa-Bischofssynode in Rom versammelt. Die "Gruppendynamik" hat den Beratungen schon jetzt eine bunte Note verliehen.

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Das Vorbereitungspapier, welches die europäischen Bischöfe ihren Synodenberatungen in Rom zugrundegelegt hatten, war von Düsternis und Pessimismus geprägt. Von Egoismus, Nihilismus und Nationalismen zerfressen, kopple sich Europa mehr und mehr von seinen christlichen Wurzeln ab, meinte das Dokument in seiner Analyse. Drei Wochen intensiven Lamentos schienen sich anzubahnen, als Anfang Oktober über zweihundert Synodenväter ihre Zimmer in Rom bezogen.

Es sollte anders kommen, nicht zuletzt als Reaktion auf den düsteren Tenors des "Instrumentum Laboris" genannten Arbeitspapiers. Das Fehlen der positiven Komponenten in dem Text hatte die Bischöfe aufgerüttelt und mancher versuchte gegenzusteuern. Der schönste Vergleich fiel Kardinal Godfried Danneels von Mechelen-Brüssel ein, der in seinem achtminütigen Statement in der ersten Beratungswoche den Kontinent mit einem Garten verglich. Da wüchsen viele giftige Blumen, aber in jedem Gift verberge sich auch das Gegengift. Als Beispiel nannte Danneels die intensive Suche nach Glück. Statt diese Sehnsucht als egozentrisch zu brandmarken meinte der Kardinal, auch im Evangelium liege ein Glücksversprechen, es gelte nur, deutlich und glaubhaft davon zu sprechen. Andere schlugen in dieselbe Kerbe. Vor allem die neuen spirituellen Bewegungen, die in der Kirche aufgebrochen sind, fanden wiederholt Erwähnung.

Ungeordnete Themen Kardinal Danneels war nach acht Minuten mitten im Satz verstummt, das Mikrofon hatte sich automatisch abgeschaltet, wie bei manch anderem Redner auch. Der Papst hätte noch gerne weiter zugehört, doch die Technik ließ keine Ausnahmen zu, was angesichts des dichten Zeitplans und der völlig ungeordneten Themen auch unvermeidlich war. Das umständlich formulierte, breite Thema "Jesus Christus, der lebt in seiner Kirche, Quelle der Hoffnung für Europa" ließ den Rednern jede Freiheit und machte es den Sprachgruppen in der zweiten Woche der Synode schwer, die Themen zu reduzieren beziehungsweise zu bündeln.

Aus den über zweihundert Wortmeldungen ragte die eindringliche Rede von Timothy Radcliffe heraus. Der Generalmeister des Dominikanerordens warnte vor dem erhobenen Zeigefinger in der Verkündigung: "Die Autoritätskrise innerhalb der Kirche ist lediglich ein Symptom einer weiteren Autoritätskrise in Europa. Jegliche externe Autorität, die mir sagt, was ich glauben oder tun soll, macht sich verdächtig." Radcliffe schließt daraus nicht auf die Verworfenheit der Europäer, sondern fährt fort: "Wir geben auf diese Furcht keine Antwort, indem wir die Autorität der Kirche nur immer stärker betonen. Die Leute werden entweder widerstehen oder einfach keine Notiz davon nehmen." Die Lösung sieht Radcliffe im Emmaus-Evangelium angedeutet. Die Jünger gehen nach ihrer Begegnung mit Christus nach Jerusalem zurück, um davon zu erzählen: "Die Autoritätskrise wird nicht durch Unterwerfung, sondern durch die Verkündigung gelöst. Sie werden selbst zu Autoritäten."

Martinis Vorstoß Für Überraschung sorgte in der ersten Woche die Meinung des Mailänder Erzbischofs Kardinal Carlo Maria Martini, der ein neues Konzil vorschlug. Martini war von seinem vorbereiteten Statement nach Anhörung der ersten Reden abgegangen, offenbar schien ihm die Bischofssynode ein ungeeignetes Instrument zur Lösung der von seinen Amtskollegen angeschnittenen großen Themen.

Die Reaktion auf den zeitlich nicht präzisierten Vorschlag des Kardinals fiel freilich reserviert aus. Der Kärntner Bischof Egon Kapellari, mit dem zeitweise abwesenden Kardinal Christoph Schönborn und dem während der Synode erkrankten Salzburger Erzbischof Georg Eder Delegierter der österreichischen Bischöfe, meinte etwa dazu: "Viele bezweifeln, daß ein Konzil zur Aufarbeitung schon bald nach dem II. Vatikanum das beste Instrument zur Behandlung der großen Themen ist, die auf dem Tisch der Kirche liegen". Ähnlich äußerte sich der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, der Mainzer Bischof Karl Lehmann, im Gespräch mit Journalisten. Er wies auf die Tatsache hin, daß sich seit dem letzten Konzil die Zahl der Bischöfe verdoppelt habe. 4.500 Bischöfe nach Rom zu bringen und in diesem Forum gemeinsame Entscheidungen zu finden, sei schwierig, meinte Lehmann. Außerdem wisse man nicht, ob auch andere Länder die Notwendigkeit einer solchen allgemeinen Kirchenversammlung empfänden. Nach Lehmann wären weitere themenspezifische Bischofssynoden sinnvoller.

Die Frage des Verhältnisses zwischen den Ortsbischöfen und der Zentrale, eines der sogenannten "heißen Eisen", die auch den "Dialog" in Österreich dominierten, kam nicht zur Sprache. Das Thema wird nächstes Jahr bei der Synode über das Bischofsamt im Mittelpunkt stehen, versprach Bischof Lehmann. Die Bedeutung der Frauen für die Kirche wollten die Bischöfe durch die Nominierung von drei Patroninnen Europas hervorstreichen. Zusätzlich zum Heiligen Benedikt und zu den Slawenheiligen Cyrill und Method gelten nun auch Katharina von Siena, Brigitta von Schweden und Edith Stein als Schutzpatroninnen des alten Kontinents. Auf die Forderungen des Kirchenvolks-Begehrens nach Frauenordination gingen die Bischöfe erwartungsgemäß nicht ein, sie sprachen sich jedoch für eine stärkere Einbindung von Frauen in die Verkündigung aus.

Fast erschreckt reagierten die Bischöfe auf manches Bekenntnis von Amtskollegen aus ehemals kommunistischen Ländern, die sich nicht auf die Schilderung der Zustände vor dem Fall der Mauer beschränkten, sondern die Gleichgültigkeit des Westens nach der Wende anklagten. Außerdem wirkten viele enttäuscht über das mangelnde Interesse ihrer Landsleute an Kirche und Christentum. Wiens Kardinal Christoph Schönborn regte in diesem Zusammenhang an, der Aufarbeitung der Verbrechen der kommunistischen Regime mehr Aufmerksamkeit zu schenken als bisher.

Ökumene, Islam Der Jesuitengeneral Hans-Peter Kolvenbach war nicht der einzige, der in der schwierigen Lage der Christen in pluralistischen Gesellschaften die Notwendigkeit der Ökumene hervorhob. Kolvenbach schlug Pfarrpartnerschaften vor und kirchliche Gastfreundschaft, universitären Austausch oder Begegnungen von Mitgliedern der Gemeinschaften des gottgeweihten Lebens mit Vertretern der monastischen Tradition und der neuen Gemeinschaften.

Aufsehen erregte die Äußerung des Bischofs von Izmir, des Minoritenpaters Giuseppe Germano Bernardini. Ein "einflußreicher Vertreter der Muslime" habe sich während eines Dialogtreffens an die christlichen Teilnehmer und laut Bernardini gesagt: "Dank Eurer demokratischen Gesetze werden wir euch überwältigen, dank eurer religiösen Gesetze werden werden wir euch beherrschen." Bernardini berichtete noch zwei weitere Beispiele und warnte vor Naivität im Umgang mit den Vertretern des Islam. Schon bald sollte ein Symposion betroffener Bischöfe einberufen werden, um gemeinsame Prinzipien im Umgang mit den in Europa lebenden Muslimen zu finden, regte der Bischof an den Papst gewandt an.

Begegnungen, informell Ähnlich, wenn auch weniger scharf, äußerten sich andere Bischöfe. Karl Lehmann erzählte am Rande der Synode von den Schwierigkeiten mit fundamentalistischen Muslimen in seiner Diözese. Mit den religiösen Führern der Türken, die die fünf Moscheen in Mainz dominierten, sei ein Dialog kaum möglich, meinte der Bischof. Bischof Kapellari erinnerte daran, "daß es in einigen islamischen Ländern kaum Toleranz für dort lebende Christen gibt."

Abgesehen von den produzierten Papieren liegt der Wert der Synode in der Gruppendynamik des Ereignisses selbst. In unzähligen informellen Begegnungen beim Essen oder in den Sitzungspausen kamen Bischöfe aus Ost und West einander näher und verringerten so die Barrieren zwischen ihren jeweiligen Diözesen. "So etwas sollten die europäischen Politiker auch einmal machen", meinte der Hildesheimer Bischof Josef Homeyer.

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