7064350-1991_49_03.jpg
Digital In Arbeit

Es geht um die Rede von Gott

19451960198020002020

Keine Spur von Triumphalismus war in den ersten Tagen der Sondersynode europäischer Bischöfe in Rom zu spüren, obschon der Anlaß dieser zweiwöchigen Begegnung, die „Wende" in Osteuropa und das Ende des Staatsatheismus, Grund genug zum Jubeln, ja zu „weströmischer" Selbstgerechtigkeit wäre.

19451960198020002020

Keine Spur von Triumphalismus war in den ersten Tagen der Sondersynode europäischer Bischöfe in Rom zu spüren, obschon der Anlaß dieser zweiwöchigen Begegnung, die „Wende" in Osteuropa und das Ende des Staatsatheismus, Grund genug zum Jubeln, ja zu „weströmischer" Selbstgerechtigkeit wäre.

Werbung
Werbung
Werbung

Sogar Kardinal Joseph Ratzinger, der oberste Glaubenshüter im Vatikan, kehrte vor der eigenen Tür statt Staub vor anderen Türen aufzuwirbeln: „Die Kirche muß ihr Gewissen erforschen, ob sie nicht zuviel von sich selbst redet und ob nicht auch ein Großteil ihrer Verkündigung die Rede von Gott im Hintergrund läßt... Die Verkündigung der Kirche ist nicht die Masse von Dogmen und Vorschriften, sondern im letzten ganz einfach Rede von Gott..."

Mit diesen Sätzen seines im übrigen sehr kurzen Beitrags berührte Ratzinger am dritten Arbeitstag der Synode zugleich den schwachen Punkt ihrer (freilich erst beginnenden) Debatte. Sie ist zunächst vor allem mit innerkirchlicher Bestandsaufnahme für Ost und West beschäftigt. Schon das Arbeitspapier, das aus Antworten der Bischofskonferenzen auf siebzehn Fragen entstand und nun als Diskussionsgrundlage vorliegt, ließ erahnen, wie schwer es sein wird, alles auf einen gemeinsamen Nenner zu bringen: die Sorge, daß nun nach der Befreiung Osteuropas auch solche westliche Freiheiten dort Einlaß finden, mit denen es die Papstkirche immer schon schwer hatte, und daß umgekehrt im Westen als Fundamentalismus oder auch Progressismus mißverstanden wird, was sich im Osten - sei es im erzwungenen Ghetto oder in modernen Katakomben - an religiöser Substanz konserviert hat. „Einige fürchten, daß die Kirche heute selbst eine Ideologie verkörpern könnte", hieß es dazu im Vorbereitungsdokument. Und nicht von ungefähr wollten die holländischen Bischöfe den Begriff des „christlichen Europa", das neu evangelisiert werden soll, durch „christlich inspiriertes", also vom christlichen Geist beseeltes, nicht beherrschtes Europa ersetzen. Oder soll es gar als katholisches Europa (miß)verstanden werden - vom Atlantik bis zum Ural ein Missionsgebiet?

Der Papst selbst hat sich schon bei der feierlichen Eröffnung der Synode auffallend kurz und zurückhaltend geäußert. Nur aus einer gewissen Verlegenheit oder, wie manche meinen, weil er bewußt der Debatte der 137 Bischöfe nicht „von oben" vorgreifen will? Jeder von ihnen hat acht Minuten Redezeit für seinen vorbereiteten Text (der schon deshalb auf Vorredner schwerlich eingehen kann). „Nicht einfach ist es da, das Gespräch unbefangen zu führen", bemerkte der Mainzer Bischof Karl Lehmann (Österreichs Delegierte, Kardinal Hans Hermann Groer und Bischof Egon Kapellari, meldeten sich in den ersten Tagen noch nicht zu Wort).

„Künstliche Fragen", echte Probleme Wer von den westlichen Bischöfen ans Rednerpult tritt, ist meist spürbar bestrebt, nicht als Schulmeister aufzutreten, ja im Gegenteil zu betonen, daß auch jetzt, da die Mauer verschwunden ist, nicht alles, was aus dem Westen kommt und rhetorisch glänzt, schon ein „goldenes" Wort ist. Überhaupt dürfe sich die Kirche nicht auf moralische Zwischenrufe gleichsam von „erhöhter . Tribüne" beschränken, sagte der Hildesheimer Bischof Josef Homeyer, während etwa der polnische Bischof Jözef Zycinski aus Tarnöw ganz in diesem Sinne darauf aufmerksam machte, daß zur Zeit der kommunistischen Religionsunterdrückung die einfachen russischen „Babuschkas", jene oft belächelten frommen alten Weiberl, dem Kern des Religiösen und seiner Wahrheit näher blieben als manche westliche Intellektuelle. Fast geringschätzig sprach der polnische Bischof von „künstlichen Fragen", auf die es oft

„pseudotheologische Antworten" gebe -sogar von angesehenen akademischen Zentren...

In solchen Stimmen kommt eine komplexe Wirklichkeit, kommen auch Komplexe zum Vorschein, kompensiert vom Stolz derer, die „trotz allem" überlebt haben. So wie etwa einer der drei(!) heute in Estland für dreitausend Katholiken tätigen Pfarrer, der vor der Synode sprach und beiläufig erwähnte, daß einer seiner beiden Kollegen im Untergrund geweiht wurde und - verheiratet ist. Und man hatte nicht den Eindruck, daß es ein Problem ist. Auch weil es hier wie überall genug echte Probleme gibt.

Abwesenheit der Orthodoxen Ein Problem, das wie ein Schatten über der Synode liegt, ist die Absage aller eingeladenen osteuropäischen orthodoxen Kirchen -zuletzt noch der serbischen (von der es schien, als wollte sie in Rom für Belgrad gut Wetter machen...).

Der Moskauer Patriarch lehnte mehr brüsk als höflich die Einladung ab, wenn er auch den Dialog nicht ganz abbrechen will. Was er fürchtet, ist „Proselytenmacherei". Dazu der Moskauer katholische Bischof Tadeusz Kon-drusiewicz fast flehentlich: „Wir können doch keinen Russen zurückweisen, der sich katholisch taufen lassen will!" Da hat es ein Kurienkardinal wie Jozef Tomko, der für Mission zuständig ist, einfacher: Für ihn kann es nur eine missionarische oder gar keine Kirche geben. Der Teufel aber steckt im Detail des „Wie".

So wurden die Problemknoten der Synode schon zu Anfang sichtbar. Erst in den kleinen Sprachzirkeln, die ab 5. Dezember zusammentreten, wird das echt und kontrovers diskutiert werden. Der Papst selbst gab nur eine Parole dafür aus: Gegenseitige Vergebung - religiöse, nationale, menschliche. Und dazu müßte man freilich - im Sinne von Ratzinger - weniger von sich selbst reden. Ein allzu frommer Wunsch?

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung