Bleibender Auftrag für die Kirche

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Obwohl manche anderes geglaubt hatten: Die „Voten“ des „Dialogs für Österreich“ konnten nichts erzwingen.

Die Bischöfe saßen in der ersten Reihe und sahen den Vorgängen mit sichtbar gemischten Gefühlen zu. Sie waren Beteiligte und Beobachter zugleich: Vor ihnen ein Podium mit einem Tagungsleiter samt Präsidium, hinter ihnen 280 Delegierte, die in quasi parlamentarischer Form über kirchliche Reformen berieten und letztendlich in geheimer Abstimmung Beschlüsse fassten. Die Veranstaltung vom 23. bis 25. Oktober 1998 im Salzburger Bildungshaus St. Virgil hieß „Delegiertenversammlung“ und war der Höhepunkt und Abschluss des kirchlichen „Dialogs für Österreich“.

Die Versammlung in Salzburg markierte das Ende eines für die Kirche von Österreich traumatischen Jahrzehnts. Mehrere Bischofsernennungen waren auf heftige Kritik gestoßen, die Affäre um den Erzbischof von Wien, Kardinal Hermann Groër, hatte die Kirche zutiefst erschüttert und ihr viele Mitglieder entfremdet. Schließlich hatte das „Kirchenvolks-Begehren“, das von einer halben Million Menschen unterschrieben worden war, mit seinem Thesenkatalog, der von frommen Appellen bis zu Forderungen nach Aufhebung der Zölibatspflicht und der „Gleichstellung“ der Frauen in der Kirche reichte, für erhebliche Unruhe gesorgt und die Bischöfe unter Druck gebracht.

Repräsentativ, aber nicht gewählt

Während einige Bischöfe jedes Eingehen auf die Kritiker ablehnten, plädierte Bischof Johann Weber von Graz, der nach dem Rücktritt Groërs 1995 interimistischer Vorsitzender der Bischofskonferenz war, für einen breiter angelegten Gesprächsprozess, der „Dialog für Österreich“ genannt wurde und sich über zwei Jahre hinzog. In Salzburg nur über die Forderungen des Kirchenvolks-Begehrens zu diskutieren, wie es sich dessen Proponenten vorstellten, kam für die Bischöfe aber nicht in Frage. Wenn schon, dann wollten sie dessen Themen in einen breiteren Rahmen stellen: Gesellschaftliche Herausforderungen; Mission und Zeugnis des Glaubens; akute innerkirchliche Anliegen.

Die Teilnehmer der Delegiertenversammlung waren nicht demokratisch gewählt, sondern von den Bischöfen „handverlesen“, stellten aber doch einen repräsentativen Querschnitt durch das Kirchenvolk dar, denn die Bischöfe wollten sich nicht dem Vorwurf aussetzen, sie hätten nur Leute ausgewählt, die ihnen zu Gesicht stehen. Die drei Tage waren voll angeregter Debatten in aufgeräumter Stimmung, in den „Voten“ – also Meinungsäußerungen – wurden wichtige gesellschaftspolitische Forderungen erhoben, wie der Schutz des arbeitsfreien Sonntags und die Stützung von Leben, Ehe und Familie. Von den innerkirchlichen „heißen Eisen“ wurde der Diakonat der Frau gefordert, sowie die Zulassung von „viri probati“ zum Priesteramt und damit die Relativierung der Zölibatsverpflichtung.

Beschlüsse wurden Makulatur

Es war von vornherein klar gewesen, dass die Voten der Delegiertenversammlung keine bindende Wirkung haben konnten, obwohl mancher Teilnehmer geglaubt haben mag, man könne mit Abstimmungen etwas erzwingen. Dennoch standen die Bischöfe nun vor der Frage, wie sie damit umgehen sollten, zumal von der Delegiertenversammlung der Appell an sie gerichtet worden war, die Beschlüsse „umzusetzen“. Die Bischofskonferenz stellte alsbald klar, dass die Beschlüsse „an die Vorgaben des kirchlichen Lehramts zu binden“ seien, womit vor allem die zu den kirchlichen Strukturfragen zur Makulatur geworden waren, denn diese können sinnvollerweise nur im Einklang mit der Weltkirche, die die katholische Kirche nun einmal in erster Linie ist, gelöst werden.

Im Rückblick stellt sich die Delegiertenversammlung von Salzburg als der letzte von vielen Versuchen der „Demokratisierung“ der Kirche durch synodale Prozesse dar, die man heute mit einiger Ernüchterung sieht. Ebenso wenig wird man sich die allgemeine Klerikalisierung der Kirche wünschen, was der eigentliche Hintergedanke des Kirchenvolks-Begehrens war, dessen Vertreter in Salzburg bei den Gottesdiensten verräterischerweise mit priesterlichen Insignien auftraten. Das Programm, mit den Gläubigen und den viel zahlreicheren „fast nicht mehr Gläubigen“ auf sehr vielfältige Weise im Gespräch zu bleiben, ist der Kirche freilich dringend aufgegeben. Wenn man will, ist das ein bleibender Auftrag von Salzburg.

Der Autor, langjähriger Leiter der Wiener Redaktion der „Kleinen Zeitung“, ist stellvertretender Vorsitzender des Verbandes katholischer Publizisten Österreichs.

„Ebenso wenig wird man sich die allgemeine Klerikalisierung der Kirche wünschen, was der eigentliche Hintergedanke des Kirchenvolks-Begehrens war.“

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