Klares Sehen, diffuses Urteilen, fehlendes Handeln

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Das Hirtenwort des österreichischen Episkopats zum "Jahr des Glaubens“ stellt dessen kleinsten gemeinsamen Nenner zur katholischen Kirchenlage dar. Und dokumentiert auch den Stillstand.

A us dem Glauben heraus die Kirche erneuern: So charakterisierte Kardinal Schönborn den Duktus des Hirtenbriefs der österreichischen Bischöfe zum "Jahr des Glaubens“ (vgl. S. 18), den er am Mittwoch vorstellte: Auf diese Weise sollte man aus Sackgassen heraus finden, in die Kirche (Pfarrer-Initiative …) wie Gesellschaft geraten seien.

Kein aufrechter Katholik wird sich dem Kardinals-Anliegen verschließen. Ob aber das Hirtenwort, dieser kleinste gemeinsame Nenner, auf den sich Österreichs Episkopat hier einigte, dem gerecht wird? Das Dokument versucht einmal mehr, den Spagat zwischen aufrichtiger Situationsanalyse und der Bekräftigung der Unmöglichkeit einer Veränderung zu schaffen.

Geht man mit dem gutkatholischen Dreischritt Sehen-Urteilen-Handeln an den Hirtenbrief her-an (auch die wegweisende Pastoralkonstitution "Gaudium et Spes“ des Konzils baut auf solchem Dreischritt auf), dann stechen unterschiedliche "Klarheiten“ ins Auge.

Beim "Sehen“ haben die Bischöfe den Mut, Tacheles zu reden. Dass es der Kirche nicht gut geht, dass etwa - um ein Beispiel herauszugreifen - festgestellt wird, dass der Sonntags-Messbesuch "in einer kontinuierlichen, unaufhaltsamen Abwärtsbewegung seit 50 Jahren“ zurückgeht, beschönigt nichts. Auch bei anderen Themen - von der Missbrauchskrise bis zum Priestermangel - gibt es an der bischöflichen Analyse nichts zu deuteln.

Keine Änderungen oder: Alles bleibt in der Schwebe

Schwieriger wird es beim "Urteilen“. Denn über die Gründe für die beschriebenen Entwicklungen kann man unterschiedlicher Auffassung sein. Das Problem auch dieses Dokuments stellt sich jedoch zuvorderst beim "Handeln“: Hier erklären die Bischöfe einmal mehr, dass sich nichts ändern wird und kann. Oder sie belassen mögliche Handlungen völlig in der Schwebe.

Paradigmatisch für Letzeres ist der Umgang des Dokuments mit dem "Aufruf zum Ungehorsam“ der Pfarrer-Initiative. Hier heißt es lapidar: Dieser könne "nicht unwidersprochen hingenommen werden“. Was das jedoch bedeutet und welche Folgen das nach sich zieht, darüber schweigt sich das Schreiben aus.

Wiederholung von Altbekanntem

Dass die Bischöfe auch "heiße Eisen“ der Kirchendiskussion thematisieren, ist ihnen anzurechnen. Aber bei allen Themen - Zölibat der Priester, Weihe von "Viri probati“ (von Frauen gar nicht zu reden), der Frage nach der Eucharistie in den einzelnen Gemeinden - erfahren Katholikin und Katholik, dass keinerlei Veränderung möglich ist. Gleiches gilt auch für die - verklausuliert formulierte - Frage des Sakramentenzugangs für wiederverheiratete Geschiedene: "Hier werden oft von uns Rezepte erwartet, die wir nicht geben können, generelle Lösungen, die mit den klaren Worten Jesu und mit der Treue zur Lehre der Kirche unvereinbar sind.“

Niemand verlangt von den Bischöfen, dass sie mit fliegenden Fahnen ins Kirchenreformlager wechseln. Niemand fordert von Ihnen, sich alle Reformanliegen hier und heute zueigen zu machen. Aber ein Zeichen der bischöflichen Solidarität mit den Nöten der Gläubigen oder gar dafür, dies auch gegenüber Rom zu thematisieren, sieht nicht so aus wie dieses Schreiben.

Es gibt ja aktuelle Beispiele, dass es auch anders geht: Erzbischof Robert Zollitsch, der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, signalisierte bis zuletzt, dass sich die Kirche in der Geschiedenen-Frage bewegen muss, und dass er dies auch der Kirchenleitung übermittelt. Die österreichischen Bischöfe hingegen sind - zumindest in der Gemeinsamkeit dieses Hirtenworts - zu keiner einzigen, von Altbekanntem abgehenden Aussage bereit. Leider.

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