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Bischöfe und Kirchenvolks-Begehren

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Was die katholischen Bischöfe Österreichs zum „Kirchenvolks-Begehren” beschlossen haben, hat viele enttäuscht. „Leere Worthülsen”, „dünne Suppe”, so titelten die Tageszeitungen. Die gemeinsam verabschiedete Erklärung hat aber doch deutlich gezeigt: Die Bischöfe haben einmütig festgestellt, daß hinter dem Begehren sehr viele engagierte Christen stehen. Deren Sorge nehmen sie ernst und muten ihnen zu, daß es ihnen wirklich um Erneuerung der Kirche geht. Damit haben sich die Bischöfe klar von allen „Verschwörungs-” und „Kirchenspaltungstheorien” distanziert. Eine einstimmige Erklärung dieser Art war nicht zu erwarten.

Zehn Vorhaben zur Verwirklichung einer Erneuerung wurden angekündigt, aber nur für drei fand man Konsens. Es ist das erste Mal, daß die Bischofskonferenz so offen Meinungsunterschiede zugibt. Viele längst nötige Erneuerungen würden ein geschlossenes Vorgehen verlangen, aber es ist ehrlich zu sagen, daß zu ihrer Verwirklichung die Bischöfe noch unterschiedlich stehen. Zurecht kann man jetzt erwarten, daß die einzelnen Bischöfe das, was sie jeweils für besonders erneuerungsbedürftig ansehen, ihren Diözesanen verständlich zu machen versuchen.

Christliche Ehe und Familie wurden als besondere Anliegen genannt, aber kein Wort zur Sexualmoral, zu Empfängnisverhütung oder der Pastoral an wiederverheirateten Geschiedenen gesagt. Solches Schweigen ist symptomatisch für die momentane Situation in der katholischen Kirche. Unter den Moraltheologen besteht ein weitreichender Konsens über Formen verantworteter Elternschaft und Hilfen im Geist des Evangeliums für Menschen nach zerbrochenen Ehen. Ein Großteil der betroffenen (praktizierenden) Katholiken hat im Hören auf das eigene Gewissen Lösungen gefunden. Gesamtkirchliche Lehräußerungen aber lauten anders und wiederholen frühere Entscheidungen, ohne sich den Problemen neu zu stellen. Ohne Zweifel ein Hauptgrund für den Vertrauensschwund der Kirche gegenüber. Müßten nicht gerade hier die Bischöfe (nicht nur die österreichischen) in Rom ihre Mitverantwortung für das Lehramt im Sinne des Weiterdenkens deutlich geltend machen?

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