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Die Leitung der römisch-katholischen Kirche wird das drängende Begehren nach Reformen nicht mehr loswerden. | Es gäbe jede Menge - gut katholischer - Ansätze zu einer Weiterentwicklung der gegenwärtigen Situation.

Das Timing war perfekt: Just zum Auftakt der Herbsttagung der Österreichischen Bischofskonferenz wurden die Ergebnisse einer Pfarrer-Umfrage publik, die den Anliegen der Pfarrer-Initiative von Helmut Schüller erneut Auftrieb geben. In der Sache selbst gibt es nichts Neues, aber der Druck steigt, die Kirchenleitung gerät stärker unter Zugzwang. Die im "Aufruf zum Ungehorsam“ thematisierten Probleme betreffen grosso modo alle westlichen Industrieländer, jedenfalls aber den alten "christlichen Kontinent“ Europa. Der Verweis auf - zahlenmäßig stärker ins Gewicht fallende - andere Weltgegenden zählt nicht: Wenn sich Christentum und Kirche nicht in der - von ihnen wesentlich mitgeprägten - modernen pluralistischen Welt bewähren, haben sie verloren. Mit einem Wort Dorothee Sölles in Anlehnung an die bekannte alttestamentliche Episode (Gen 32) gesagt: "Hier ringt der Jakob der Neuzeit mit dem Engel …“

Unbehagen und Irritation

Man darf unterstellen, dass dies den Bischöfen bewusst ist - und nicht minder, entgegen allen Klischees vom weltfernen Vatikan, dem Bischof von Rom, dem Papst aus Deutschland. Mit dem in der genannten Umfrage artikulierten Unbehagen der Pfarrer korrespondiert eine weitreichende Irritation vieler Katholiken. Wer sich ein wenig umhört, weiß, dass dies nicht nur für die "üblichen Verdächtigen“ des Funktionärskatholizismus gilt. Diese Irritation ist freilich diffus, zum Teil auch aus medialer Übertreibung gespeist (im Fall der Kirche gilt ja für die meisten Medien vom ORF abwärts in ganz besonderer Weise die Rede, nur bad news seien good news). Aber selbst all dies in Rechnung stellend kommt man nicht darum herum, dass die katholische Kirche ein Glaubwürdigkeitsdefizit hat, das sich - vorsichtig formuliert - nicht verringern dürfte.

Im Wesentlichen geht es dabei um die Zulassungsbedingungen zum Priesteramt und um den Umgang mit wiederverheirateten Geschiedenen. Beides Themenkomplexe, die eng verwoben sind mit Fragen von Liebe, Beziehung, Geschlechtlichkeit, Sexualität. Daher wird auch gerne in simpleren Debatten das Totschlagvokabel von der "katholischen Sexualmoral“ ausgepackt, die endlich zu entsorgen sei: Die Kirche möge dazu bitte doch endlich nichts mehr sagen. Das wird freilich nicht die Lösung sein können: Wenn sie zu Dingen, die ans Innerste der menschlichen Existenz rühren, nichts mehr sagte oder zu sagen hätte, käme das einer (partiellen) Selbstaufgabe gleich.

Die Kirche kann und wird also an dieser ihrer "Sexualmoral“ im weitesten Sinne, an ihrem ganzheitlichen und umfassenden Verständnis vom Menschen als leiblich verfasstes, seelisch geprägtes und geistig begabtes Wesen festhalten. Aber sie wird möglicherweise davon ausgehend doch zu anderen Schlüssen kommen als sie der Status quo widerspiegelt. Es gäbe, um beim pastoral drängendsten Problem anzufangen, Wege einer Zulassung zu den Sakramenten für Wiederverheiratete, die kein Abgehen vom Ideal der unauflöslichen Ehe bedeuten würden, sondern einen barmherzigen Umgang mit Scheitern. Es gäbe jede Menge theologischer Ansätze für ein Neubedenken der unterschiedlichen Funktionen (Gemeindeleitung, Sakramentenspendung …), die heute im Priesteramt gebündelt sind, aber nicht zwingend von einer - geweihten, männlichen - Person erfüllt werden müssten.

Die Krise des Glaubens

Und es ließe sich, ohne die Idee der inneren Freiheit und Verfügbarkeit durch Verzicht auf Ehe und Familie für obsolet zu erklären, auch in der Zölibatsfrage eine Änderung denken. Man müsste nur weiterdenken, was jetzt schon mit verheirateten Diakonen oder konvertierten Priestern mit Familie möglich ist. Johann B. Metz hat schon vor über 30 Jahren dafür plädiert, den Zölibat als das Spezifikum der Orden deutlicher herauszustreichen. Wunder - etwa im Sinne sich plötzlich wieder füllender Seminare o. ä. - darf man sich von alldem freilich keine erwarten. Und man sollte diese Dinge auch nicht gegen die Diagnose einer tiefgreifenden Glaubenskrise ausspielen: Diese ist und bleibt die eigentliche Herausforderung.

rudolf.mitloehner@furche.at

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