Wie nach einem Hochzeitstag in eine Ehe, so kehrt nach den Festtagen des Papstbesuches in die katholische Kirche Österreichs der Alltag ein. Ob Kardinal Groer, Bischof Krenn und Udo Fischer, Kirchenvolks-Begehren oder Stecher-Briefe, Kirchenaustritte oder Rückgang beim Meßbesuch - die Fragen und Probleme bleiben auf dem Tisch. Konnte Johannes Paul II. etwas hinterlassen, was diesen Alltag heller, die Polarisierung erträglicher macht?
Die Bilanzen werden subjektiv unterschiedlich ausfallen. Doch daß der gealterte und leidende Johannes Paul II. noch stärker als in früheren Jahren menschlich berührt - am eindrucksvollsten im Hospiz der Caritas Socialis -, bestreitet kaum jemand. Auch seine Vision von Europa, sein Appell zur Solidarität mit allen Benachteiligten, sein Einsatz für eine "Kultur des Lebens", sein Eintreten für die Erhaltung des Sonntags finden wohl weit über die Katholiken hinaus mehrheitliche Zustimmung.
Die bloße Anwesenheit einer zweifellos charismatischen Persönlichkeit bewirkt aber keine Wunder. Und auch das Hinlenken des Papstes auf große gemeinsame Ziele - unter offenkundiger Vermeidung von "heißen Eisen" und Moralpredigten - kann nicht einmal in Ansätzen jene innerkirchlichen Wunden, für die Rom zuständig ist, heilen. Hilfreicher ist da schon seine Ermutigung der Bischöfe zum offenen Dialog und sein Wort im Salzburger Dom: "Tretet nicht aus, sondern auf!"
Das sollten sich alle, vor allem aber die kritischen Geister, die während der Visite Zurückhaltung übten, nicht zweimal sagen lassen. Nun steht wieder katholische Konfliktkultur innerhalb Österreichs auf dem Prüfstand, es müssen nicht alle Wege sofort nach Rom führen. Das Papstwort kann dazu ermuntern, im "Dialog für Österreich" bis an die äußersten Grenzen des Möglichen zu gehen, um für die meisten Streitfragen hierzulande nach Lösungen zu suchen, aber auch nach gut formulierten Reformvorschlägen, die dann ohne vorauseilenden Gehorsam der Weltkirche vorgelegt werden.
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