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Einer unhaltbaren Situation ein Ende machen

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Der Papst fordert von Lefebvre eine Erklärung, die klar zum Ausdruck bringen müsse, „was jeder katholische Bischof zugestehen muß“. Sie müsse

•„die freimütige Zustimmung zu allen Dokumenten des II. Vatikanischen Konzils;

•die Annahme der Entscheidungen

•die Annahme der Bestimmungen des Kirchenrechtes und

•die Beachtung der Verantwortung der Bischöfe in ihren Diözesen“ enthalten.

Lefebvre solle auch seine persönlichen Anklagen gegen den Papst und seine Mitarbeiter einstellen und alle Initiativen unterlassen, die zu dieser Erklärung im Widerspruch stehen. In diesen zentralen Punkten „kann es keinen Kompromiß geben“, betont Paul VI.

Weiters wird der Erzbischof aufgefordert, die Verantwortung für die von ihm ins Leben gerufenen Seminare in die Hände des Papstes zu legen. Uber die Zukunft der von Lefebvre gegründeten Institutionen und Priorate müsse, „wie es in der ganzen katholischen Kirche die Regel ist“, im Einvernehmen mit dem jeweiügen Ortsbischof entschieden werden. Der Heilige Stuhl werde für das Wohl der betroffenen Personen Sorge tragen und dabei „die echten Berufungen zum Priestertum fördern“. Die unerlaubterweise geweihten Seminaristen könnten die Aufhebung der gegen sie verhängten Sanktionen erlangen,, „wenn sie die genahnte Erklärun annehmen' •. Erz-Bischof Lefebvre selbst könne der „Vergebung und der Aufhebung der Suspendierung in dem Maße sicher sein“, als er „aufrichtig und ohne Zweideutigkeit bereit“ sei, „die in diesem Brief gestellten Bedingungen zu

erfüllen und das hervorgerufene Ärgernis wiedergutzumachen“.

Paul VI. setzt sich in seinem Brief ausführlich mit den Argumenten auseinander, mit denen Lefebvre seine oppositionelle Haltung begründet. Er räumt ein, daß es nach dem Konzil tatsächlich gewisse Fehlentwicklungen und Mißbräuche gegeben habe, die jedoch nicht dem Konzil und den von ihm „zu Recht verfügten“ Reformen zugeschrieben werden, noch eine Rechtfertigung für die Haltung Le-febvres darstellen könnten.

Diese Haltung sei in sich widersprüchlich. Einerseits beklage Lefebvre, daß die Autorität in der Kirche nicht genügend respektiert werde, andererseits lehne er sich selbst gegen diese Autorität auf und maße sich eine „besondere Rolle“ an, „die allen Bischöfen und vor allem dem Papst zukommt“. Wenn Lefebvre sich weigere, die Autorität des Konzils und des Papstes in seiner Gesamtheit anzuerkennen und eine rebellische Aktivität entfalte, so sei dies absolut „unannehmbar“. Denn Christus habe „die höchste Autorität in seiner Kirche Petrus und dem Kollegium der Apostel, d. h. dem Papst und dem Bischofskollegium“, übertragen. Lefebvre habe Gewissensbedenken wegen einiger Stellungnahmen des Konzils (Kollegialität, Religionsfreiheit, Ökumenismus...). Das sei eine geistliche Angelegenheit, die Resjgekt^verdiene, aber, persönlicher .Natur sei und keine Ermächtigung darstelle, sich „öffentlich zum Richter aufzuwerfen über Fragen, die rechtmäßig und faktisch einstimmig angenommen worden sind“, und noch weniger, einen Teil der Gläubigen in diese Ablehnung nachzuziehen.

Auch die Auffassung von „Tradition“, auf die sich Lefebvre berufe, sei falsch, betonte der Papst. Die Tradition sei keine erstarrte, tote und statische Gegebenheit, die das Leben des kirchlichen Organismus in einem bestimmten geschichtlichen Stadium blockieren müsse. Dem lebendigen Lehramt der Kirche komme es zu, „zu unterscheiden, was unveränderlich ist und was den veränderten Zeitumständen angepaßt werden muß“.

Was die „mißbräuchliche Feier der Messe des hl. Pius V.“ angehe, so sei in Lefebvres Fall „der alte Ritus in Wirklichkeit auch der Ausdruck einer verfälschten Ekklesiologie, ein Kampfplatz gegen das Konzil und seine Reformen“. Die Meßfeier dürfe nicht als Instrument und Zeichen der Auflehnung mißbraucht werden. Im übrigen betont Paul VI. in diesem Zusammenhang erneut die Berechtigung, den Wert und die Rechtmäßigkeit der liturgischen Reform sowie die Bedeutung ihrer Annahme durch alle Gläubigen.

Paul VI. wirft Lefebvre eine Reihe weiterer „irriger Interpretationen“ sowie offene Mißachtung päpstlicher Anordnungen und kirchenrechtlicher Sanktionen vor und fordert ihn auf, seine Haltung zu ändern. „Die Antwort liegt nun in Ihren Händen“, heißt es abschließend. Lefebvre solle sich „an einem Ort, der ihm die notwendige Zurückgezogenheit ermöglicht“, Zeit zur Besinnung nehmen. In diesem Zusammenhang warnt der Papst den Alt-Erzbischof „vor dem Druck, der von Seiten jener auf Sie ausgeübt werden könnte, die wollen, daß Sie weiter in einer unhaltbaren Position verharren“. „Mögen Sie die Schwere der Stunde ermessen und die einzige Entscheidung treffen, die einem Sohn der Kirfrie attgeWiesgWflSPt'sehreibt der Papst wörtlich.

Der Brief ist vom 11. Oktober datiert und wurde zunächst nicht veröffentlicht, um dem Erzbischof „die zum Nachdenken nötige Zeit“ zu lassen.

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