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Bruch mit Lefebvre

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Ist der Bruch bereits vollzogen? „Wo Petrus ist, dort ist die Kirche!“ stellte Paul VI. am ivjttwoch fest, bereits in Kenntnis der Tatsache, daß Erzbischof Lefebvre trotz der beschwörenden Appelle des Papstes, gegen dessen eindeutige Weisungen, die angekündigten Priesterweihen vorgenommen hatte. Noch ist - zur Stunde des Schreibens - der Trennungsstrich nicht gezogen. Aber selbst Karl Rahner meinte, die Geduld des Papstes müsse eigentlich am Ende sein. Lefebvre begehe eine schismatische Handlung.

Der „Fall Lefebvre“ ist - wie alle „Fälle“ - vielschichtig. Da ist der per-’ sönlich zweifellos integre und, wie seine Anhänger behaupten; charismatisch wirkende ehemalige Missionsbischof. Und da ist seine Anhängerschaft, in ihrer Größe schwer zu schätzen, wohl oft überschätzt (vielleicht manchmal auch unterschätzt), aus sehr heterogenen Motiven zusammengeführt. Da ist die - vielleicht menschlich verständliche - Verstimmung des Erzbischofs, mit seinen Gegenvorschlägen beim Konzil nicht durchgedrungen zu sein. Und da ist die daraus abgeleitete Ablehnung des Konzils überhaupt, mit’ einer Vehemenz, die an mittelalterliche Bannflüche und die daran gebundenen Ketzerverbrennungen erinnert. Da ist - bei seinen Anhängern - das menschlich verständliche Bedauern, von Altgewohntem Abschied nehmen zu müssen, um so mehr dann verständlich, wenn das Neue in seiner Sinngebung zuwenig verdeutlicht wurde, verbunden mit dem vielfach beobachteten Mißverständnis, die „lateinische Messe“ wäre verboten (da man sich des Unterschiedes zwischen dem tridenti- nischen Ritus und einer im neuen Ritus, aber in lateinischer Sprache zelebrierten Eucharistiefeier nicht bewußt ist). Da ist der aus einer allgemeinen Verunsicherung entstandene Nährboden, auf dem kleine Gruppen von Sektierern ihre undurchsichtigen Pläne verfolgen-Anhänger des Erzbischofs, die wohl weit über das hinausgehen, was er selbst vielleicht in der Einleitungsphase des Konfliktes vorausgesehen hatte. Und da sind schließlich die geistigen Wurzeln dieser Bewegung in der französischen Geschichte des 19. und frühen 20. Jahrhunderts und die personellen Hintergründe in den politischen Ambitionen italienischer und französischer Aristokraten - Hintergründe, denen Le- febvres Anhänger außerhalb Frankreichs und Italiens verständnislos gegenüberstehen. Aber nur wenn man diese Hintergründe kennt, versteht man, wieso der streitbare Erzbischof in einem Zug seine deutschen (und österreichischen) Amtsbrüder mit dem Kardinal von Paris verdammt und jede Öffnung gegenüber anderen Konfessionen oder politischen Zeitströmungen ablehnt.

Wie alle Radikalen, gleichgültig, welcher Blickrichtung, erkennt auch Lefebvre nicht, daß all das, was er „den ändern“ vorwirft, auf ihn selber zuträ- fe. Er beruft sich auf die Kirche vor dem Konzil — aber gerade diese betonte die unantastbare Autorität des Papstes, die unbedingte Gehorsamspflicht jedes Priesters diesem gegenüber - genau das, was Lefebvre ihm verweigert. Er fordert Toleranz des Vatikans für jene, die die Messe im alten Ritus feiern wollen - verweigert dieselbe Toleranz aber all jenen, die die neuen Möglichkeiten begrüßen.

Ist der Bruch bereits vollzogen? Bedeutet er eine Kirchenspaltung, ein Schisma? Lefebvre und seine Anhänger haben sich - selbst eingestanden - durch ihre Handlungen von der Römischen Kirche getrennt. Daß sie sich selbst als die wahren Katholiken anse- hen und bezeichnen, gehört dazu. Jede Abspaltung erfolgt unter der Begründung, daß die Gemeinschaft, die man verläßt, den wahren Glauben nicht mehr vertrete.

Aber Schisma? Gerade die kirchenhistorischen Forschungen der letzten Jahre, in Richtung Protestantismus wie in Richtung der Ostkirche(n), haben zu erkennen gegeben, daß die Schismen des letzten Jahrtausends theologisch oft genug auf Mißverständnissen beruhten, aber dann von politischen Kräften zum Schaden der Kirche aufgegriffen und weitergespielt wurden. Dazu aber fehlen heute die Voraussetzungen.

Ein Schisma ist von Lefebvre und seinen Anhängern nicht zu befürchten. Das Konzil ist nicht mehr rückgängig zu machen. Seine Ergebnisse liegen vor, gären weiter. Die ecclesia semper reformanda wird sich auch weiterhin mit Änderungen abzufinden haben, die Weiterentwicklungen vorantreiben müssen. Es wird immer Menschen geben, die hier über das angepeilte Ziel hinausschießen, andere, denen die Veränderungen zu schnell, zu weitgehend Vorkommen. Eine prä- konziliare antirömische „Altglau- ber“-Kirche aber hat kaum Aussichten, zu überleben.

Für Lefebvres Anhänger stellt sich nun die Gewissensentscheidung: Geht ihre Verunsicherung, ihr Unvermögen, mit den Entwicklungen des Konzils mitzuziehen, soweit, daß sie ihrem Herold in das kirchliche Exil zu folgen bereit sind? Oder ist nun der Punkt gekommen, berechtigt erscheinende Kritik in anderer Form vorzubringen und Papst und Kirche die Treue zu halten?

Für die Kirche aber sollte der „Fall Lefebvre“ zum Denkanstoß werden: Wo gilt es, Übertreibungen in der Reform ebenso entgegenzutreten wie dem Hang zum Zurück? Der Papst hat auch nach dieser Seite hin seinen Willen zum Durchgreifen angekündigt. Und vor allem ist es gut, sich die Frage zu stellen, ob nicht fiir viele-unter Lefebvres Anhängern Verunsicherung und Irrweg durch eine intensivere Aufklärung über die Inhalte und Intentionen der Neuerungen hätten vermieden werden können.

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