Tisch-Symbol statt Abendmahl

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Zwischen 100.000 und 200.000 Teilnehmer werden vom 12. bis 16. Mai in München beim zweiten Ökumenischen Kirchentag erwartet. Missbrauchsskandal und Ökumene-Stillstand werfen Schatten auf dieses Großereignis.

Unglücklicher hätte der Termin für den zweiten Ökumenischen Kirchentag in Deutschland kaum fallen können. Seit Wochen überlagert der Missbrauchsskandal alle anderen kirchlichen Themen. Darüber hinaus bewegt sich in der Ökumene zwischen katholischer und evangelischer Seite derzeit nicht viel. Die Erwartungen an den Ökumenischen Kirchentag in München sind dementsprechend gering, ja bei manchen Beobachtern geradezu auf Null gesunken. Hoffnung machen da eigentlich nur das Leitwort („Damit ihr Hoffnung habt“) und die Erfahrung, dass gerade Ereignisse, von denen man zuvor nichts erwartet hatte, eine positive Eigendynamik entwickeln können.

Die Zahlen dieses Christentreffens, das weltweit seinesgleichen sucht, können sich durchaus sehen lassen: Die Veranstalter, das Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK) und der deutsche Evangelische Kirchentag, rechnen bei der Großveranstaltung vom 12. bis 16. Mai mit weit über 100.000, vielleicht sogar 200.000 Teilnehmern. Das dicke Programmbuch weist knapp 3000 Veranstaltungen auf, u.a. mit Bundespräsident Horst Köhler, Bundeskanzlerin Angela Merkel und weiteren hochkarätigen Gesprächspartnern.

Inhaltlich zeichnen sich die Grundlinien ab. Wie erwähnt, droht der ÖKT von der anhaltenden Diskussion über die Missbrauchsfälle überrollt zu werden. ZdK-Präsident Alois Glück ist aber zuversichtlich, dass nicht das ganze Glaubenstreffen von diesem „alptraumhaften Thema“ geprägt sein wird. Auf jeden Fall haben die Veranstalter schnell reagiert und kurzfristig zwei Veranstaltungen zu dieser Thematik ins Programm aufgenommen, eine zum sexuellen Missbrauch in der Gesellschaft und eine zum sexuellen Missbrauch in der katholischen Kirche. Auch die anderen drängenden Fragen nach der Bewältigung der Wirtschafts- und Finanzkrise, einer zukunftsfähigen Kultur und einem gerechten Frieden in Krisenländern wie Afghanistan stehen auf der Tagesordnung. Auf jeden Fall sollen diese ethischen und gesellschaftspolitischen Themen im Vordergrund stehen, also die Verantwortung der Christen für die Welt und die Gesellschaft, nicht die großen dogmatischen Streitfragen.

Tabu gemeinsames Abendmahl

Und das gemeinsame Abendmahl? Die Präsidenten von Zentralkomitee und Evangelischem Kirchentag haben sich große Mühe gegeben, allem, was in diese Richtung geht, eine klare Absage zu erteilen. Der evangelische Landesbischof Johannes Friedrich (und natürlich erst recht der katholische Erzbischof Reinhard Marx) wollen für gemeinsame Abendmahlsfeiern keine Räume zur Verfügung stellen. Hintergrund ist die Angst, dass es auch diesmal – wie beim ersten Ökumenischen Kirchentag 2003 in Berlin – zu solchen Abendmahlsfeiern am Rande des Kirchentages kommen könnte, die dann eine viel größere mediale Resonanz finden könnten als die eigentlichen Veranstaltungen des ÖKT. Doch die Wahrscheinlichkeit, dass es diesmal zu solch spektakulären Aktionen kommt, ist eher gering: Gruppierungen wie die Kirchenvolks-Bewegung“ oder „Wir sind Kirche“ wollen sich diesmal stärker auf den Missbrauchsskandal, den Zölibat und die kirchliche Sexualmoral konzentrieren und von derartigen Provokationen Abstand nehmen.

Sozusagen als „Ersatz“ für das gemeinsame Abendmahl (was natürlich so nicht deklariert wird) soll der Tisch zum zentralen Symbol der Münchner Tage werden – der Tisch, zu dem alle eingeladen sind, unabhängig von sozialem Status, Herkunft und persönlicher Überzeugung. Dieses Tisch-Symbol wird am Freitagabend des Glaubenstreffens verknüpft mit einer ökumenischen Vesper nach orthodoxem Ritus auf dem zentral gelegenen Münchner Odeonsplatz. Bei der sogenannten „Artoklasia“ soll am Ende des Gottesdienstes Brot gesegnet und an 1000 Tischen an die Gläubigen verteilt werden.

Überhaupt werden die Orthodoxen so stark in das Programm eines großen Christentreffens integriert wie vielleicht noch nie. Darüber hinaus wurden erstmals auch evangelische Freikirchen in die Planungen einbezogen. Insofern ist die Ökumene des ÖKT im Laufe der sieben Jahre seit Berlin deutlich breiter geworden, der Kirchentag keine rein katholische-evangelische Angelegenheit mehr.

Doch wird der Ökumenische Kirchentag wirklich etwas bewirken? Erhebliche Zweifel sind angebracht. Zwischen den beiden großen Kirchen in Deutschland herrscht in der Kirchen-, Ämter- und Eucharistiefrage zur Zeit Stillstand. Zunächst und vor allem ist derzeit die Schärfung der Profile angesagt – auf beiden Seiten. Neben den traditionellen dogmatischen Konfliktfeldern tun sich längst neue ethische Grunddifferenzen in Bereichen wie Abtreibung, homosexuelle Partnerschaften, Euthanasie und Bioethik, denen „ein erhebliches emotionales Potenzial zur Spaltung (Kardinal Walter Kasper) anhaftet. Insgesamt ist die ökumenische Atmosphäre seit dem ÖKT von Berlin „leider angespannter und gereizter“ (Kasper). 2003 kam es in Berlin zum Eklat, als der in Graz geborene Trierer Theologe Gotthold Hasenhüttl bei einem katholischen Gottesdienst auch evangelische Christen zur Kommunion einlud.

Der damalige Bischof von Trier Reinhard Marx suspendierte Hasenhüttl vom Priesteramt und entzog ihm die kirchliche Lehrerlaubnis für die Universität. Seit dem ersten Ökumenischen Kirchentag, der auf solch tragische Weise eher kontraproduktiv wirkte, gibt es bei vielen Verantwortlichen ein Trauma, die Turbulenzen von damals könnten sich in München wiederholen.

Kritik von links – und rechts

Die Probleme der Ökumene in Deutschland spiegeln sich auch in der Kritik wider, die bereits vorab am ÖKT laut wird. So hat der prominente Wittenberger Theologe und frühere DDR-Bürgerrechtler Friedrich Schorlemmer ihn schon vor Wochen als „Etikettenschwindel“ abgetan und seinen Boykott des Großereignisses angekündigt. Doch nicht nur von links, sondern auch von rechts stößt das ÖKT-Programm auf heftige Kritik. Spitzenvertreter des Forums Deutscher Katholiken und der evangelischen Internationalen Konferenz Bekennender Gemeinschaften wehren sich mit Nachdruck gegen den Auftritt von Homosexuellen.

Die Rahmenbedingungen dafür sind wahrhaftig alles andere als leicht, aber Vorzeige-Ökumenikerin Dorothea Sattler (Universität Münster), die maßgeblich am ÖKT-Konzept mitgearbeitet hat, spricht wohl für viele, wenn sie sagt: „Wir brauchen solche Großereignisse, um uns gegenseitig zu ermutigen. Die, die kommen, werden bei Feiern, Gesprächen, Gottesdiensten und Diskussionen erleben, dass die Gemeinsamkeiten größer sind als alles Trennende. Dass man sich wechselseitig tröstet und ermutigt, hat seinen eigenen Wert.“

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