Alois Glück, Präsident des Zentralkomitees der deutschen Katholiken, über Ökumene, die Missbrauchsfälle und fällige Konsequenzen.
Alois Glück (CSU), zuletzt Bayerns Landtagspräsident, war auf Einladung des Institutes der Regionen (ire) in Wien und gab als Präsident des Zentralkomitees der deutschen Katholiken der FURCHE ein Interview.
Die Furche: Ihre Erwartungen an den 2. Deutschen Ökumenischen Kirchentag sind ...
Alois Glück: Der Kirchentag ist, obwohl überschattet von der Missbrauchsdiskussion, eine große Chance für missionarische Kirchen. Eine steigende Anzahl von Menschen sucht Orientierung, Religion hat einen höheren Stellenwert als vor zehn Jahren. Was uns beschäftigt – Finanzkrise, Gerechtigkeit, Frieden – spiegelt sich wider im Programm dieses Tages.
Die Furche: Reicht das, um die Unterschiede zu überbrücken?
Glück: Die Ökumene hat Fortschritte gemacht. Katholische und evangelische Gemeinden haben jetzt in Bayern 500 Projekte realisiert. Ungelöste theologische Fragen, etwa jene des Abendmahls, können wir nicht lösen. Die Situation von Familien verschiedener Konfessionen ist ein Schmerz.
Die Furche: Ökumene dient dem Zusammenhalt der Gesellschaft?
Glück: In der tiefen Verunsicherung und im Schrecken über Missbrauchsfälle stellen wir fest, dass auch viele Menschen ohne besondere Beziehung zu den Kirchen meinen, diese seien wichtig für die Gesellschaft. Sie sind ein Orientierungspunkt und haben Autorität.
Die Furche: Wird genug getan, um diese wieder herzustellen?
Glück: Die deutschen Bischöfe haben konsequent reagiert, schon 2002. In der jetzigen Schockwirkung kam es zu einem guten und richtigen Paradigmenwechsel: Die Opfer stehen im Mittelpunkt, nicht mehr der Schutz der Kirche. Wir haben das Thema Missbrauch zu lange verharmlost, auch im Staat, in anderen Institutionen. Als zweites ist eine interne Debatte zu führen, ob kirchenspezifische Strukturen dies begünstigt haben. Zum Zölibat sehe ich keinen unmittelbaren Zusammenhang.
Die Furche: Manche sehen Papst Benedikt XVI. sehr kritisch ...
Glück: Es gibt Pendelschläge. Die Euphorie nach seiner Wahl war ohnegleichen, aber ebenso falsch ist es jetzt, sein Pontifikat nur kritisch zu sehen. Das innerkirchliche Spannungsverhältnis hat nicht erst mit ihm begonnen. Wir debattieren, wer die Deutungshoheit über das 2. Vatikanum hat. Leben wir mit den Menschen, wie es formuliert wurde, oder kommt es zu einem Rückzug, zu Wagenburgmentalität? Es gibt zu viel Ängstlichkeit und Verhärtung in unserer Kirche. Was mich beschäftigt: Noch nie waren so viele Menschen auf der Suche. Warum gelingt es christlichen Kirchen so wenig, dass sich diese Menschen von ihnen angesprochen fühlen?
* Das Gespräch führte Claus Reitan
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