Erzbischof_Alois_Kothgasser-20080703_AloisKothgasser_PetraRainer_Querformat - © Petra Rainer

Erzbischof Alois Kothgasser: Eine Kirche für alle

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Von der Ökumene bis zur Pfarrer-Initiative, von der Kirchenlage in Salzburg bis zur Nachfolgefrage: Erzbischof Alois Kothgasser im FURCHE-Interview.

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Von der Ökumene bis zur Pfarrer-Initiative, von der Kirchenlage in Salzburg bis zur Nachfolgefrage: Erzbischof Alois Kothgasser im FURCHE-Interview.

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Er übernahm 2003 die Erzdiözese Salzburg in keiner einfachen Situation. Acht Jahre später steht Erzbischof Alois Kothgasser kurz vor der Emeritierung. Ein Gespräch über die große und die kleine katholische Welt.

DIE FURCHE: Sie engagieren sich sehr in der Ökumene mit der Orthodoxie. Erst kürzlich waren Sie in Istanbul bei der Bischofsweihe des neuen griechisch-orthodoxen Metropoliten von Österreich.
Erzbischof Alois Kothgasser:
Die Beziehungen von der katholischen zur orthodoxen Kirche sind im Grund sehr gut. Das liegt nicht zuletzt am beiderseitigen Bemühen um eine wahre Einheit, die nicht nur beim Papst sondern auch beim Ökumenischen Patriarchen Bartholomaios deutlich zu spüren ist.

DIE FURCHE: Was erwarten Sie von Arsenios Kardamakis, dem neuen Metropoliten von Austria?
Kothgasser:
Ich bin zuversichtlich, dass er die solide offene Linie von Metropolit Michael Staikos fortsetzt. Bei seiner Amtseinführung in Wien hat er das auch klar zum Ausdruck gebracht. In Salzburg haben wir traditionellerweise besonders gute Beziehungen zu den Rumänisch und den Serbisch Orthodoxen.

DIE FURCHE: In Salzburg haben Sie mit dem Superintendenten Olivier Dantine bald auch ein neues evangelisches Vis-à-vis.
Kothgasser:
Mit der bisherigen Superintendentin Luise Müller funktioniert auch hier die Ökumene sehr gut. Ich hoffe, dass das so weitergeht.

DIE FURCHE: Insgesamt ist die katholisch-evangelische Ökumene schwieriger geworden. In Ihrem ersten Jahr als Erzbischof haben Sie im FURCHE-Interview auf die gemeinsame Eucharistie von Katholiken und Protestanten bezogen gemeint: "Da muss uns der Heilige Geist noch einen ganz schönen Schubser geben“. Acht Jahre später kann man wirklich nicht behaupten, dass von solchem Schubser schon etwas zu bemerken wäre.
Kothgasser:
Auf der unteren Ebene ist das Miteinander oftmals einfacher. Auf der höheren Ebene wie vor einigen Wochen beim Papstbesuch in Erfurt, wo ich dabei sein konnte, war einerseits eine gewisse Offenheit auf Seiten der Protestanten da, andererseits aber auch ziemlich klare Vorstellungen von einem intensiveren Schritt in den Fragen des Abendmahls oder des Amtes. Ich habe den Eindruck gehabt, dass die Evangelischen da enttäuscht waren. Benedikt XVI. hat Recht, dass man diese Probleme, die uns seit über 500 Jahren quälen, nicht von heute auf morgen lösen kann. Wir haben in den letzten 50 Jahren große Fortschritte gemacht. Aber in einigen Grundfragen müssen die 1500 Jahre, die der Spaltung vorausgingen, gegenwärtig gehalten werde - etwa gerade in der Frage des Amtes: Was ist da das Wesentliche, das von Christus her kommt und in den ersten Jahrhunderten gelebt wurde und wie kann das heute formuliert werden? Da braucht es den Heiligen Geist und seinen Antrieb.

DIE FURCHE: Aber haben dazu nicht schon Theologen beider Seiten viel gearbeitet und nachgedacht?
Kothgasser:
Mit den Studien, die mittlerweile vorliegen, haben wir genug Material, um zu prüfen, wo es Konsens gibt. Da hat der Präsident des Päpstlichen Einheitsrates, Kardinal Kurt Koch, einiges zu tun. Allerdings habe ich auch den Eindruck, dass da und dort die theologische Tiefe und die Gründlichkeit der Gespräche nachgelassen haben.

DIE FURCHE: In der Abendmahlsfrage ist es auch Wunsch katholischer Christen, etwa in gemischtkonfessionellen Familien, dass hier endlich etwas weitergeht!
Kothgasser:
Das stimmt. Aber auch wenn das auf manchen Kirchentagen forciert wird, gibt es keine Einigkeit in diesen Fragen. Man möchte da und dort etwas erzwingen. Aber erzwungene Dinge führen nicht weiter, wenn sie nicht von Grund auf differenziert diskutiert, formuliert und dann angenommen werden können.

DIE FURCHE: Die Frage des Amtes ist auch wesentlich in den innerkatholischen Diskussionen rund um die Forderungen der Pfarrer-Initiative, die Österreich in den letzten Wochen bewegt haben.
Kothgasser:
Auch hier gilt: Das, was bisher in gründlichen Studien erarbeitet wurde, ist ins Auge zu fassen, aber nicht oberflächlich! Man vermisst da oft die Rückbindung an die Urkirche und an Christus selber. Dessen Vermächtnis steht nicht zur Disposition: Woher kommt die Vollmacht? Diese Vollmacht, die von Christus kommt, gehört zum Wesen von Eucharistie und Amt. Hier sollten in der innerkatholischen Diskussion die drängenden Fragen theologisch tiefer reflektiert werden, damit es nicht zu Oberflächlichkeiten kommt.

DIE FURCHE: Sind die Forderungen der Pfarrer-Initiative so eine Oberflächlichkeit?
Kothgasser:
Nicht alle. Es sind da Fragen darunter, mit denen wir ringen, …

DIE FURCHE: … zum Beispiel?
Kothgasser:
Wie kann in unseren Gemeinden den Gläubigen die Eucharistie garantiert werden, wenn es weniger Priester gibt? Das entscheiden wir aber nicht als Einzelbischöfe, sondern das ist eine Frage der Gesamtkirche.

DIE FURCHE: Aber wie soll man sich als einfacher österreichischer Katholik in diese weltkirchliche Diskussion einbringen?
Kothgasser:
Die Frage ist ja so präsent, dass sie niemandem unbekannt bleibt. Die Frage bewegt uns Bischöfe. Und es ist auch eine Frage, welche die Weltkirche bewegt. Wir sind natürlich von einer langen Tradition verwöhnt, in anderen Kontinenten lebt man schon lange in einer gewissen restriktiven Situation, weil die geringe Anzahl von Priestern einfach Realität ist und nicht von heute auf morgen verändert werden kann.

DIE FURCHE: Vor Kurzem haben Sie die Ernennung eines Priesters Ihrer Erzdiözese zum Dechanten abgelehnt, weil er Mitglied der Pfarrer-Initiative ist.
Kothgasser:
Mein Generalvikar und ich waren der Meinung, es ist besser, vorher zu sagen, dass da Probleme entstehen können. Wer in der Kirche die Hauptverantwortung des Hirtendienstes mitträgt, muss eine eindeutige Solidarität mit der Kirchenleitung haben.

DIE FURCHE: Eine generelle Sanktionierung der "ungehorsamen“ Pfarrer ist von Ihrer Seite …
Kothgasser:
… nicht vorgesehen. Es wird natürlich Gespräche mit den Einzelnen geben. Aber der "Ungehorsam“ ist ja zumeist nicht so eng zu sehen, wie es ursprünglich den Anschein hatte.

DIE FURCHE: Man hört auf Nachfrage hinter dem plakativen "Ungehorsam“ ja oft eine differenzierte Sichtweise .
Kothgasser:
Das habe ich im Gespräch mit einem Unterzeichner der Initiative ebenfalls festgestellt. "Ungehorsam“ wurde da nicht als allgemeine Verweigerung gemeint, sondern es geht um Probleme und Fragen von Reformen, die aufgrund der Situation gestellt werden. Und die kann man stellen. Wie wir dann damit weiterkommen, ist eine schwierigere Frage.

DIE FURCHE: Sie haben als Salzburger Erzbischof unter anderem das Projekt "Offener Himmel“ initiiert. War das eine richtige Spur?
Kothgasser:
Ich bin überzeugt, dass diese Initiative die Kirche den Menschen näher gebracht hat. Am Anfang waren manche skeptisch. Aber als dann die konkreten Begegnungen begannen, haben immer mehr teilgenommen. Das hat das Klima verbessert.

DIE FURCHE: Sie werden 2012 emeritieren. Sie haben vor Kurzem gesagt, sie wünschen sich einen Mann der Mitte als Nachfolger.
Kothgasser:
Ich bemühe mich, meine Nachfolge vorzubereiten, so gut ich kann: Es soll ein Mann der Mitte sein, der vorausgeht, der aber nicht Schlagseiten in die eine oder andere Richtung hat. Er soll fähig sein, Dialog zu führen und das Angebot unseres Christseins zu allen zu bringen. Da sind die menschlichen Voraussetzungen sehr entscheidend - der Umgang mit den Menschen, die Aufmerksamkeit für ihre Situation.

DIE FURCHE: Aber Sie entscheiden Ihre Nachfolge ja nicht selber. Glauben Sie, dass Sie diese Entscheidung beeinflussen können?
Kothgasser:
Ich hoffe schon. Ein bisschen Erfahrung habe ich ja wohl doch. Die Gespräche mit vielen Menschen, die da Erwartungen haben, sind eine Hilfe, um zu einem ganzheitlichen Bild zu kommen. Es ist ein Vorteil, dass in Salzburg das Domkapitel aus drei Kandidaten auswählen kann. Ich werde von meiner Seite Namen nach Rom übermitteln - mehr als drei!

DIE FURCHE: Wie beurteilen Sie Ihre Amtszeit als Erzbischof?
Kothgasser:
Der Anfang 2003 war nicht leicht, es gab Spannungen - auch in der Priesterschaft. Da war der offizielle Priesterrat und eine inoffizielle Gruppe. Ich habe gleich begonnen, Gespräche zu führen - und es hat Gott sei Dank nicht lange gedauert, dass über die Fragen der einen wie der anderen gemeinsam geredet werden konnte. Es ist so gelungen, wieder eine Einheit zu bilden. Das Bemühen, zusammenzuführen, war eine meiner Hauptaufgaben. Daneben habe ich mich viel der pastoralen Tätigkeit gewidmet, ich wollte so viel wie möglich unter und mit den Menschen sein.

DIE FURCHE: Und was bleibt offen?
Kothgasser:
Es geht jetzt vor allem darum, sich auf die Pfarrverbände umzustellen, und wir haben auch schon darüber gesprochen, wie da etwa die Feier von Weihnachten aussieht, wie die Priester gut verteilt werden können, wie Aufgaben geteilt werden können.

DIE FURCHE: Ist daran gedacht, auch die Gemeindeleitung verstärkt an Laien zu übergeben?
Kothgasser:
Was de facto an Delegation von Aufgaben an Mitverantwortung schon geschieht, ist ein guter Ansatz der Mitbeteiligung vieler am Gelingen einer pfarrlichen oder überpfarrlichen Gemeinschaft. Es ist das weniger eine Frage des Vokabulars als der realen Mitarbeit und Mitbeteiligung. Das geschieht in vielfacher Weise, ohne dass das Wort "Leitung“ überproblematisiert wird. Die Mitarbeiter müssen wir noch besser ermutigen und anerkennen.

DIE FURCHE: Die Kirche soll also keine kleine Herde 100- oder "200“-prozentiger Christen werden?
Kothgasser:
Ich bin immer für eine offene Gemeinschaft gewesen und ich bin überzeugt: Wir sind zu allen Menschen gesandt. Wir sollen nicht nur eine kleine Herde bilden. Denn der Weg Jesu führt zu allen Menschen.

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