Küberl - © Foto: privat

Franz Küberl: „Gegeneinander leben geht nicht“

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Zu seinem 70. Geburtstag hat sich der langjährige Caritas-Präsident Franz Küberl selbst mit einem Buch beschenkt: „Zukunft muss nach Besserem schmecken“ lautet sein Titel. Ein Gespräch über die nötigen Besserungen in Gesellschaft, Politik, Medien und Kirche.

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Zu seinem 70. Geburtstag hat sich der langjährige Caritas-Präsident Franz Küberl selbst mit einem Buch beschenkt: „Zukunft muss nach Besserem schmecken“ lautet sein Titel. Ein Gespräch über die nötigen Besserungen in Gesellschaft, Politik, Medien und Kirche.

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Ob als Caritas-Präsident oder als Publikums- und Stiftungsrat im ORF: Die Gemeinschaft und die gemeinsame Öffentlichkeit waren und sind Franz Küberl ein zentrales Anliegen. DIE FURCHE hat ihn anlässlich seines 70. Geburtstags am 22. April zum Gespräch gebeten.

DIE FURCHE: Vor genau zehn Jahren hat DIE FURCHE ein Interview mit Ihnen geführt und es mit „Beruf Katholik“ übertitelt. Sie waren damals nicht begeistert. Aber tatsächlich waren Sie in allen Ihren Funktionen prototypisch für den öffentlich sichtbaren Laien, der christliche Grundsätze wie Menschlichkeit hochhält.
Franz Küberl:
Ich bin eben ein Kind des Zweiten Vatikanums. Als Ministrant hat mich das Öffnen der Fenster zur Welt von Johannes XXIII. ungemein bewegt, ebenso die Formulierung vom gemeinsamen Priestertum von Laien und Geweihten. Zudem bin ich beseelt vom Verständnis, dass diese Kirche verheutigt werden soll – und ich will mithelfen, dass es so bleibt.

DIE FURCHE: Wie geht es Ihnen dann damit, dass gerade bei den Jungen Strömungen an Attraktivität gewinnen, die vor Anpassung an den „Zeitgeist“ warnen – während viele überhaupt nichts mehr mit Kirchen zu tun haben wollen?
Küberl:
Das Erste ist tatsächlich eine neue Schichtung, die stärker wird – ebenso wie die Evangelikalen. Nicht jeder will offensichtlich die gesamte Geschichte der Kirche im Rucksack tragen, sondern immer mehr wollen einen eigenen spirituellen Zugang finden. Was mich allerdings mit Wehmut erfüllt, ist, dass gar nicht wenige derer, die wie ich in der Jugend begeistert waren, von dieser Begeisterung Abschied genommen haben. Damit die Kirche weiter ein Anziehungspunkt bleibt, braucht sie zwei Fundamente: Erstens geht es um die Person, die ein Sinngehäuse sucht und sich die Grundfragen stellt: Woher komme ich? Wohin gehe ich? Wer bin ich? Zweitens geht es um die Kirche als Institution, die ja eine Sinnzufluss-Agentur ist – und darauf achten muss, es zu bleiben.

DIE FURCHE: Tatsächlich suchen sich sehr viele mittlerweile ihren Sinn anderswo.
Küberl:
Wir erleben heute eine ungemeine Wucht an Freiheit. Das ist einerseits toll: Wir sind viel freier als früher. Und man muss auch nicht mehr überall dabei sein, bei keiner Partei, Gewerkschaft oder Kirche. Zugleich bin ich davon überzeugt, dass nicht jeder für sich allein glauben kann. Auch eine Gesellschaft, in der sich jeder nur um sich selbst kümmert, kann nicht funktionieren. Man wird immer Gemeinschaft brauchen – wie man auch einen gemeinsamen Ethikbogen braucht: Was sind unsere gemeinsamen Werte? Natürlich sind Differenzen zur Identitätsbildung wichtig: Ich bin anders als Sie. Trotzdem haben wir unendlich viel gemeinsam. Dem sollten wir uns bewusst sein.

DIE FURCHE: „Die Welt taumelt“: Mit diesem Befund einer umfassenden Vertrauenskrise gegenüber Institutionen eröffnen Sie Ihr neues Buch. Was hat zu diesem Schwund geführt?
Küberl:
Vertrauenskrisen hat es immer gegeben. Jetzt sind aber neue Ingredienzien dazugekommen, etwa die digitale Explosion und der ungeheure Wissenszuwachs, der viele Leute erschlägt – und umgekehrt viele dazu bringt, sich ihre eigenen Weltsicht im Internet zusammenzustricken, statt mit Menschen zu reden. Ob das eine Kinderkrankheit der Freiheit oder schon ihr Endresultat ist, getraue ich mich nicht zu sagen. Hier kommen auch die „Wutbürger“ ins Spiel: Das sind nicht immer die Ärmsten, sondern oftmals Leute, die eine solche Leere im Leben spüren, deren Sinngehäuse so ungefüllt ist, dass sie sich im Internet auf alle möglichen Dinge stürzen und unserer Gesellschaft den Garaus machen wollen. Das halte ich schon für dramatisch. Davon zu unterscheiden sind begründete Zukunftsängste, etwa davor, die Energierechnung nicht mehr bezahlen zu können oder den Klimawandel nicht abwehren zu können. Auch der Krieg kommt dazu. Diese parallelen Krisen haben uns unsicherer gemacht.

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