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Wiederkehr des Schönen

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Seit längerem haben sich in Österreich nur wenige Katholiken herausragend um das Gespräch zwischen Kirche und Kultur als bildender Kunst und Literatur bemüht. Diese ohnehin kleine Schar wurde durch den Tod von Otto Mauer und P. Diego Goetz noch einmal entscheidend dezimiert. Unter den bis heute unermüdlich Engagierten sind vor allem P. Alfred Focke und Günter Rombold dankbar zu nennen.

Neuerdings scheint sich die stagnierende Beziehung zwischen Kirche und Kunst allerdings zu beleben. Eine der Ursachen dafür liegt beim gegenwärtigen Papst, dessen Biographie eine Trennung von Kirche und Kultur nicht kennt. Als Krakauer Erzbischof versammelte er regelmäßig Kreise von Künstlern, Literaten und Wissenschaftlern und betrieb damit so etwas wie einen katholischen „Salon“.

Zu einem „katholischen Salon“ wurde vorübergehend auch der Herkulessaal der Münchener Residenz, als Johannes Paul II dort im November des Vorjahres lapidar anmerkte, daß die Kirche die Kunst braucht, und die Frage stellte, ob nicht auch die Kunst ohne Bezug zur Kirche verarme.

„In den neuzeitlichen Jahrhunderten, am stärksten seit 1800, lockerte sich die Verbindung von Kirche und Kunst“, sagte der Papst. Es gibt dafür viele Gründe. Sicher hat auch das Ringen der Kirche mit den als feindlich empfundenen Natur- und Humanwissenschaften viele Kräfte verbraucht und der Auseinandersetzung mit der Kultur entzogen. Das Verhältnis zu diesen Disziplinen ist heute teilweise entstört, zum anderen Teil sind die Probleme eher verdrängt. Statt dessen findet sich die Kirche gegenwärtig in einer riesigen ethisch-politischen Herausforderung durch Massenelend, Bedrohung des Weltfriedens und Wertzerfall. Die Kluft zwischen Ethik und Ästhetik droht sich demzufolge auch in der Kirche weiter zu vertiefen!

Nicht selten wurde in der jüngeren Vergangenheit Kirchenkunst als Luxus abgetan. Das Geld dafür werde den Armen vorenthalten. Bestenfalls wollte man diese Kunst noch gelten lassen, wenn sie sich als ethisches Stimulans, als prophetischen Protest und als Störung verstand. Das Schöne aber wurde als falsche Verhübschung des Daseins abqualifiziert, als ob Kirche nicht auch unverzichtbar die erhoffte Verklärung, das himmlische Jerusalem zu verkünden hätte. Degeneriert aber die Kunst zum Aschenbrödel in der Kirche, dann ist die Kirche selbst in Gefahr, sich auf eine ethisch-politische Leistungsgesellschaft zu reduzieren, in der auch das Gute ohne sonderliche Freude getan wird. Manės Sperber hat davor gewarnt, als er einem katholischen Priester sagte: „Vergessen Sie nicht Ihr Wichtigstes. Sie haben die Gnade zu verkünden und nicht das Gesetz“. Warnen wollte auch Alexander Solscheni zyn, als er in seiner Nobelpreisrede Dostojewskijs Wort „Das Schöne wird die Welt retten“ zitiert hat.

Die Kirche feiert dieses rettende Schöne in ihrer Liturgie. Hier sollte überhaupt die Beziehung zwischen Kirche und Kunst am dichtesten sein, sind doch alle Kunstäußerungen des Menschen ursprünglich aus kultischen Handlungen hervorgegangen. Mißt man die Zwischenergebnisse der jüngsten Liturgiereform an diesem Postulat, dann bleiben freilich noch viele Wünsche offen. Die gläserne Kompottschale als Taufgerät, die Kochplatte auf dem Volksaltar zum Aufwärmen von Wasser und Wein sind vielleicht nicht nur kuriose Einzelfälle sondern Symptome einer allgemeineren Krise. Hier wird das Sakrament seiner Sinn- haftigkeit entkleidet und auf pure Gültigkeit reduziert, hier sind Pastoralingenieure am Werk.-

Erheblich ist auch die Sprachnot. Offizielle Gebete sind - weil in Kommissionen eilig formuliert - unausgereift. Die gewollt gewöhnliche Sprache der Bibelübersetzung ist von so gegensätzli chen Kritikern wie dem Tübinger Exe- geten Haag und dem Münchner Kardinal Ratzinger herb getadelt worden. Und was schließlich manche Liturgien bestwillig an sprachlicher Improvisa- . tion beisteuern, hat selbst so großzügige Literaten wie Hans Weigel und Barbara Frischmuth um den Ausweg ins Latein bitten lassen.

Was könnte die Liturgie heilen? Sicher werden die Liturgen sich in jeder Art von Wüste der schweigenden Gegenwart Gottes radikaler aussetzen müssen, damit das Wort Gottes als ihr Wort wieder Kraft gewinne. Liturgie ■ wird sich aber auch in einen lebhafteren Dialog mit alter und neuer Kunst einlassen müssen, um ihre Tendenz zur Harmlosigkeit umzukehren. Wieviel hätte beispielsweise ein Bild des Juden Rothko einem Liturgen zu sagen! Die Lehrpläne der theologischen Fakultäten, der Stil der Seminare und vieles andere in der Kirche wären vor diesem Hintergrund zu korrigieren.

(Dieser Beitrag ist ein Auszug aus dem Referat, das der Autor vor den österreichischen Bischöfen gehalten hat.)

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