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Der Katholikentag 1983 brachte auch für viele Medienleute ein „neues Kirchengefühl“. Trotzdem bleiben Mißverständnisse zwischen Kirche und Medien weiterhin aktuell.

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Der Katholikentag 1983 brachte auch für viele Medienleute ein „neues Kirchengefühl“. Trotzdem bleiben Mißverständnisse zwischen Kirche und Medien weiterhin aktuell.

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Katholikentag und Papstbesuch im Vorjahr waren das österreichische Medien-Ereignis. Vor, während und unmittelbar nach dem religiösen Großereignis war eine Nähe und Vertrautheit zwischen Kirche und Medien zustande gekommen, wie sie seit Konzils-Zeiten nicht mehr gegeben war.

Der Pressesprecher der österreichischen Bischöfe, Weihbischof Helmut Krätzl, formulierte es vor wenigen Tagen so: „Die Kirche hatte die Medien plötzlich ganz auf ihrer Seite. Wie sich die Kirche dabei gegeben hat, was sie tat und sagte, hat viele überrascht und nicht wenige nachdenklich gemacht.“

Viele Journalisten erlebten ein völlig neues Gefühl von Kirche — und sie transportierten es auch für ihre Leser, Hörer, Seher. Zweifellos war der Erfolg der „fünf unvergeßlichen Tage im September 1983“ auch auf diese Vermittlungs-Leistung der Medien zurückzuführen.

Also alles eitel Wonne und Sonnenschein zwischen Kirche und Medien seit dem Katholikentag? Die Antwort kann nicht eindimensional ausfallen. Einerseits hat die Erinnerung an das neue „Kirchengefühl“, das viele Medienleute im September 1983 kennenlernten, durchaus auch Langzeitwirkung. Andererseits bleiben die Probleme, die Mißverständnisse, die Fehlleistungen zwischen Kirche und Medien — auf beiden Seiten — aktuell.

Viele applaudierten begeistert, als Johannes Paul II. bei der Begegnung mit den Publizisten in der Wiener Hofburg sagte: „Bauen Sie beharrlich Brücken zwisehen getrennten Ufern und über Grenzen hinweg. Betrachten Sie den Menschen und die Gesellschaft nicht nur mit einem unerbittlich diagnostizierenden Blick, sondern mit einem Blick der Hoffnung, mit dem Spürsinn für mögliche Veränderungen zum Besseren. Ermöglichen Sie es dem Guten, als wenigstens ebenso spannend erlebt zu werden wie das Unerfreuliche.“

Der Applaus ist verrauscht, das spannend angebotene Gute tut sich in den österreichischen Medien — aber zweifellos nicht nur in diesen — nach wie vor schwer. Der eindringliche Papst-Appell war sicher nicht als Aufruf zum „Zudecken“, zum Vertuschen und Verniedlichen zu verstehen. Im Grunde stellten die Papst-Worte einen Appell an die Journalisten dar, ihrer Grundversuchung — dem Zynismus — entschlossener zu widerstehen. Ehrlicherweise wird man zugeben müssen, daß der Papst-Appell in dieser Richtung noch nicht sehr viel Wirkung gezeigt hat.

Aber auch Positiva sind nicht zu übersehen: die Berührungsängste zwischen Kirche und Medien sind geringer geworden. Eine gehörige Portion des gegenseitigen Mißtrauens wurde abgebaut.

Kirche kommt in den Medien öfter vor, auch das mag eine Nachwirkung von Katholikentag und Papstbesuch sein. Freilich hängt das auch mit weltweiten Entwicklungen zusammen — die Thesen von der unerbittlich voranschreitenden Säkularisierung sind wie so viele Thesen vor ihnen von der Wirklichkeit widerlegt worden. Die Rückkehr des Religiösen — im Guten wie im Bösen — beherrscht die einschlägige Diskussion. Siehe Polen, Nikaragua usw.

Doch die neuralgischen Punkte im Verhältnis von Kirche und Medien schmerzen nach wie vor. Da ist zum Beispiel der Trend der Medien, nur die „Oberfläche“, die Verpackung, zu vermitteln, den Inhalt aber auszusparen. Die Problematik wird noch verstärkt durch die in Österreich von den Medien besonders gehegte „Personalisierung“.

Da muß es sich mit der Kirche „spießen“. Ihre handelnden Personen können vom kirchlichen Selbstverständnis her nicht so in die Schlagzeilen und auf den Bildschirm drängen wie die Exponenten von Politik oder Kultur.

Problematisch bleibt auch nach wie vor die in den Medien vorzufindende Reduktion der Kirche auf eine politische Größe oder auf ein Institut zur Brauchtumspflege. Ganz am Rande mag sie das eine und das andere auch sein. Aber beide Perspektiven verfehlen das Wesen der Kirche. Kirche ist eben nicht die fünfte Partei und die sechste Interessenvertretung und auch kein Kostümverein unter der Devise „Seid nett zueinander“.

In einem Land, in dem die politische Öffentlichkeit so stark von den Parteien „kolonisiert“ ist wie in Österreich, besteht immer wieder die Versuchung, die Kirche „zuzurechnen“. Damit hängt es zusammen, daß Journalisten und Kirchenleute gelegentlich aneinander vorbeireden. Wer in den Kategorien der politischen Öffentlichkeit denkt, für den ist es schwer zu verstehen, daß die Kirche — siehe Abtreibung — auch dann nicht „aufgibt“, wenn sie in der Parteienlandschaft nicht durchdringt.

Die Aktionsebene der Kirche ist die Gewissensbildung, die Sinnvermittlung. Im Glaubensfest des Katholikentags wurde das besonders deutlich — und damals wurde es auch von den Journalisten verstanden. Manches von dieser Einsieht ist vielleicht wieder in Vergessenheit geraten - auch die Einsicht, daß sich Glaube, Religion, Kirche nicht im Spiegel der Zahlen oder mit dem Instrumentarium der Statistik beziehungsweise der Meinungsforschung „festnageln“ lassen.

Neuralgische Punkte gibt es nicht nur im Medienbereich, sie existieren auch am kirchlichen „Ufer“. Der Papst sprach bei einer Journalistenbegegnung zu Beginn dieses Jahres von der Kirche als einem „Haus aus Glas“, der neue „Medien-Chef“ des Vatikans, der amerikanische Erzbi-schof John Foley, wiederholte vor ein paar Tagen kategorisch: „Die katholische Kirche hat nichts zu verbergen.“

Mit dieser — von der Kirchenspitze geforderten — maximalen Transparenz hat man sich auch in Österreich noch nicht auf allen Ebenen des kirchlichen Lebens endgültig angefreundet.

Und noch ein neuralgischer Punkt verweist auf ein tieferliegendes Problem. Weihbischof

Krätzl hat es in seiner Analyse zum Jahrestag von Katholikentag und Papstbesuch angesprochen. Im September 1983.habe sich gezeigt, daß Kirche „doch mehr gefragt ist, als manche glauben wollen“, meinte der Bischof und fuhr fort: „Viele warten auf das Wort der Kirche, zumal in einer Zeit, da die Fragen immer größer werden. Das Warten auf das Wort der Kirche ist geblieben. Konkrete Antworten sind oft ausgeblieben.“

Die „ausgebliebenen Antworten“ sind ein zentrales Problem zwischen Kirche und Medien. Strategien des öffentlichkeitswirksamen Antwortgebens auf die Fragen der Zeit sind in der katholischen Kirche Österreichs noch nicht entworfen worden. Vieles geschieht nur punktuell, aus der Notwendigkeit des Augenblicks. Vielleicht wäre die Besinnung auf das Medienereignis der Septembertage des Jahres 1983 auch ein Anlaß, in diesem Bereich Versäumtes nachzuholen.

Der Autor ist Chefredakteur der KATH-PRESS.

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