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Rumoren

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„Glasnost in Staat und Kirche“ stand auf einem der Transparente, die beim Evangelischen Kirchentag in Ostberlin von jungen Leuten herumgetragen wurden. „Vertrauen wagen — Maulkorb tragen“, war schon vor drei Jahren eine sarkastische Devise, mit der bei der Frie- denswerkstatt“ gegen die Kirchenbürokratie aufbegehrt wurde.

Dieses Jahr gab es den großen Kirchentag, der am vergangenen Sonntag zu Ende ging — aber keine Friedens- Werkstatt“. Seit fünf Jahren trafen sich Basisgemeinden aus der gesamten DDR zu dieser Konferenz, in der vor allem über Frieden, Ökologie, Dritte Welt und den,Allgemeinen Krieg gegen die Menschen innerhalb der Systeme“ diskutiert wurde. Heuer verbot die Kirchenleitung die Friedenswerkstatt“ mit dem Hinweis auf die „angespannte politische Situation“ im Jubiläumsjahr.

Das wurde von Vertretern der Basisgemeinden als Fniefall vor dem DDR- Staatsratsvor sitzenden“ qualifiziert.

Schon Mitte Mai hatte die .Jnitiative Kirchentag von unten“ dagegen polemisiert, daß eine Kirche, die immer vom Frieden rede, ihre Mitarbeiter militarisiere. Man kündigte eine Kirchenbesetzung für den Kirchentag an. Das war dann nicht notwendig, denn die Kirchenleitung war klug genug, den jugendlichen Rebellen einen Raum zur Verfügung zu stellen.

Aber es gärt weiter, und das Rumoren dringt auch sehr deutlich nach außen. Man wendete sich gegen einen „Kirchentag westlichen Musters — mit Rollrasen zu 60.000 Mark“, und in der erwähnten Erklärung der ,Jnitiative Kirchentag von unten“ wird auch gerügt, daß in Feprä- sentationsobjekte“ wie den Berliner Dom 80 Millionen Mark gesteckt würden: „Unsere Dauerwestvisabesitzer leben schon zu sehr in der Welt, aus der sie ihr Geld beziehen“, heißt es da anzüglich mit Hinweis auf die üppig sprudelnden Geldquellen im Westen. Die Umkehr zu Jesus von Nazareth, dem Menschensohn, wird gefordert, Solidarität mit dem einfachen Kirchenvolk und Glaubwürdigkeit des Christseins. Man wendet sich gegen die Deklassierung der Basis zu Statisten, „die durch ihre Arbeit den vorgegebenen Rahmen in christlich geübter Unterwürfigkeit auszufüllen haben“.

Im Westen weitgehend unbemerkt und nicht selten sorgsam ignoriert, ist auch in der DDR eine sehr selbstbewußte Jugend herangewachsen, die nichts mehr hält von Privilegienverwaltung und bloßer Autorität der Institution. Das wird ein immer drängenderes Problem für die Evangelische Kirche.

A ber auch für den kommunistischen Staat.

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