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„Der Schiern“ leuchtet...

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Nördlich von Bozen erhebt sich ein massiver Bergrücken; ihm steht eine Bergspitze voran; sie bilden den Schiern, das alpine Wahrzeichen der Talferstadt. Wenn er abends weithin ins Land leuchtet, nimmt der Südtiroler das Bild in sich auf als den Begriff seiner schönen, mächtigen Heimat, ähnlich wie der Schweizer auf der Straßburger Brücke seine Berge erschaute und mit diesem Bilde im Herzen das Bewußtsein des Freien und Starken in die Welt trug. Als die bisherigen Namen „Tiroler“, „Landsmann“, „Vogelweider“ usw. in Südtirol unterdrückt wurden, nannten sie ihre neue Heimatzeitschrift „Der Schiern“, ihr einziges Tagblatt „Dolomiten“ und ihre Verlagsanstalt „Athesia“, letztere nach dem lateinischen Namen der Etsch — Athesis. „Der Schiern“ wurde in der Folge über Südtirol hinaus zum Symbol heimatlicher Kulturpflege.

Aus bescheidenen Monatsheften erstarkte er nämlich rasch als Kulturzeitschrift. In Gestalt und Gehalt geht er noch heute den österreichischen und westdeutschen Heimatblättern voran. Von 1938 bis 1945 unterdrückt, erreicht er 1956 den 30. Jahrgang. Seine Bände bieten eine seltene Heimat- und Volkskunde Südtirols, selten auch deshalb, weil sie über die eigenen Grenzen hinaus Besonderes, Kostbares, Köstliches zu bieten haben.

Um ausgreifenderen Darstellungen den Weg in die Oeffentlichkeit zu bahnen, gründete der Inris-brucker Geologe Prof. Dr. Raimund von Klebels-b e r g, ein gebürtiger und unentwegter Südtiroler, im Jahre 1923 die „S c h 1 e r n - S c h r i f t e n“ als Veröffentlichungen zur Landeskunde Südtirols im Universitätsverlag Wagner. Sie brachten bis zum zweiten Weltkrieg 50 Bände heraus, die zum guten Teil vergriffen sind: denn verblieben ihre thematischen Ausgangsstellungen noch im Räume Südtirols, so dienten sie doch vielfach schon den Fachgebieten überhaupt. Die Vorstellungen von „Schiern“ und „Sehlem-Schriften“ erwiesen sich als Gewinne der Heimatpflege und der Wissenschaft. Es war daher ein folgerichtiger Schritt, als Professor von Klebeisberg 1947 die zweite Reihe der „Sehlem-Schriften“ nicht mehr auf Südtirol und das alte Tirol beschränkte.. Klebelsbergs eigene Universitäts- und K. von Grabmayrs politische Erinnerungen, das Guarinoni-Buch, die Festschriften für M. Enzinger, M. Gamper, H. Kinzl, M. Mayer, J. Schatz, J. Wein-gartner und H. Wopfner, die Autobiographien zeitgenössischer Historiker und Rechtsgelehrter in Oesterreich und andere Bände deuteten die räumliche und geistige Ausweitung des Heimatkulturgedankens an.

Wie österreichische Heimatbücher aus dem Boden wachsen, bezeugen viele „Sehlem-Schriften“. Land und Gemeinden wetteifern im Herausbringen eines zeitgerechteren und sorgfältigeren Schrifttums, keineswegs zunächst um des Absatzes an Auswärtige willen. Manche dieser Gemeinschaften lassen sich „ihr“ Buch auch viel Mühe und Opfer kosten, wie es vordem unerhört gewesen wäre. Noch erfreuter verzeichnet man, daß nun fast schon jede größere Gemeinde eine „Ehrentafel“ derer aufstellt, durch deren Unterstützung ihr Buch gedruckt werden kann. Obenan steht gerne das Kulturamt der Tiroler Landesregierung, auf das wohl auch zurückzuführen ist, daß jeder Tiroler Schule ein Stück der „Tiroler Heimatblätter“ zukommt. Etliche Ortschaften bringen gleich selbst eine stattliche Abnehmerzahl unter ihrer Bevölkerung auf. Als ein Musterbeispiel dieser Art seien die Oberinntaler Industrie- und Markt-gemeinde Telfs mit fast 5000 Einwohnern und ihre nächsten Dorfschaften Oberhofen, Pfaffenhofen und Rietz angeführt, die gegen 1800 Besteller ihres Heimatbuches ausweisen konnten, das sich, ausgehend von einer Ortschronik, zu einem wertvollen Heimatwerk ausgestaltete. An einen solchen sofortigen und rein örtlichen Absatz wäre vor ein, zwei Jahrzehnten kaum zu denken gewesen. Höchstens eine recht lebendige und umsichtige Körperschaft erreichte mit Mühe und Not, daß ihre bescheidene Jubelschrift unter ihren Anhängern in etlichen hundert Exemplaren angebracht wurde. Hier handelt es sich aber fast durchweg um Bücher von mehreren hundert Seiten, mit Bildtafel und dergleichen mehr, vor allem aber um gediegene Fachleistungen. Damit schiebt sich solcher Buchabsatz unmittelbar und sogleich an örtliche und persönliche Interessenten ins Volk. Eine neue Gattung des Hausbuches bürgert sich ein. An Stelle von Ehrenkarten erhalten Preisträger zum Abschluß ihrer Schulbildung, Arbeitsjubi-lare, verdiente Freunde des Ortes, dessen Heimatbuch als Dauerandenken. Sein Charakter gibt den Ausschlag.

Daß Familien und Sippen eigene Hausbücher führten, läßt sich in der heutigen Bürgerschaft nur vereinzelt mehr belegen. Auch Ortschronisten sind auf dem Lande selten geworden. Die wenigen erhaltenen bieten mancher Gemeinde Veranlassung und Ausgangspunkte für diese neuen Heimatbücher; ja, sie sollten sozusagen Kernstücke bilden, um das Charakteristische, Wesentliche und Gewordene des Ortes zur Geltung zu bringen. Manche Gemeinde kann damit seine besten Heimatkenner herausstellen, ohne in Lokalhistorie aufzugehen, auch wenn diese infolge ihres Berufes oder anderer Umstände wegen den Ort schon längst verlassen haben. Ueberhaupt ist das Beibringen von Beiträgen durch den örtlichen Redaktionsausschuß selbst geeignet, davon auszugehen. Eine möglicht vielseitige und sachliche Darstellung des Gebietes und Wesens der eigenen Gemeinde ist jedenfalls das Endziel solcher Heimatbuchbestrebungen.

Bis jetzt sind die Heimatbücher von M a t r e i am Brenner, L i e n z in Osttirol, der Inntaler Ortschaften {in f t, T e 1 f s, Solbad Hall, S c h w a z, Langkampfen und der Gebiete Außerfern und Nordosttiroler Unterland erschienen. Etliche weitere, wie für K u f s t e i n, L a n d-eck, Wattens, Bruneck, sind in Arbeit begriffen, andere werden gerade erörtert. So ist als 150. Band der „Sehlem-Schriften“ ein neues I n n s-b r u c k e r Heimatbuch vorgesehen. Keines der Bücher verkrampft sich in der Parole: „Tirol den Tirolern!“ oder in der Kirchtumpolitik des „Salt regiera!“ (Selbst regieren). Was schon einzelnen Heimattagungen vorschwebte, daß eine Dauerverbindung zwischen Einheimischen und Abgewanderten erstrebt und gepflegt werde, sollte auch der Wirkung dieser Heimatbücher zugute kommen.

Handbuch des österreichischen Verwaltungsrechts.

Erster Band: Allgemeiner und formalrechtlicher Teil. Von Univ.-Prof. Dr. Ludwig Adamovich, Präsident des Verfassungsgerichtshofes. 5., neubearbeitete Auflage. Springer-Verlag, Wien. 317 Seiten.

Von allen Interessenten sehnlichst erwartet, ist jetzt der erste Band des Werkes erschienen, der den allgemeinen und formalrechtlichen Teil enthält. Der gegenüber den früheren Auflagen bedeutend erweiterte allgemeine Teil enthält eine Einführung in die Institutionen und Begriffe, die durch die Verwaltungsrechtslehre, und ihr folgend, durch die österreichische Gesetzgebung und die Rechtsprechung der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts für den Bereich der öffentlichen Verwaltung ausgebildet wurden. Der formalrechtliche Teil enthält eine Darstellung der Organisation der staatlichen Verwaltung, der Einrichtungen der territorialen und beruflichen Selbstverwaltung und des für den Bereich der inneren Verwaltung geltenden Verfahrensrechts einschließlich der Verwaltungsgerichtsbarkeit. Das Werk ist nicht nur in luristenkreisen, sondern im öffentlichen Leben überhaupt seit langem ein feststehender Begriff geworden, so daß sich jede Empfehlung erübrigt.

DDr. Robert Dillrich

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