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Der zweite Band des Großen Herder

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Der Große Herder. Fünfte, neubearbeitete Auflage von Herders Konversationslexikon. Zweiter Band. Bittgang bis Drechsler. Verlag Herder, Freiburg. 4 + 1520 Spalten.

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Der Große Herder. Fünfte, neubearbeitete Auflage von Herders Konversationslexikon. Zweiter Band. Bittgang bis Drechsler. Verlag Herder, Freiburg. 4 + 1520 Spalten.

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In rascher Folge empfangen wir die weiteren Bände des bewährten, vortrefflichen Lexikons, über dessen Art und von dessen Vorzügen schon berichtet worden ist. Im zweiten Band sind als erweiterte und auflockernde, reich bebilderte Artikel zunächst die über Braut und Brot zu nennen. Besondere Aufmerksamkeit und Beifall fordern sodann die Schlagworte Blut (und die damit zusammengesetzten Begriffe), Boden, Bund, Chemie (sie alle mit ihren Ableitungen), unter den politischen Artikeln aber Bolschewismus (hervorragend, knapp, gehaltig, sachlich), Demokratie (nicht minder vorbildlich, in der angegebenen Literatur leider nichts von grundlegenden französischen Werken). Ganz überragend in seiner stoffsatten Gedrängtheit die Ausführungen über Christentum, christliche Literatur, christliche Kunst, christliche Philosophie und christlichen Sozialismus (ein kleines Wort in eigener Sache: Herausgeber der „Katholischen Leistung in der Weltliteratur der Gegenwart“ [1934] war nicht, wie irrig angegeben, Fr. Schneider, sondern O. Forst-Bat-taglia). Bei den biographischen Notizen fesseln in erster Linie die aufs beste geratenen über Anton Bruckner, Buddha (dazu auch die ausgezeichnete Darstellung des Buddhismus mit wohlgewählten Bildern), Calvin (und Calvinismus) —■ Muster einer gerechten Beurteilung aus frei-offener, doch unverleugneter katholischer Sicht • —, Cäsar (Literatur dazu bedauerlicherweise ungenügend), Dante (als Vorbehalt: kein Hinweis aufs wichtige Problem der islamischen Vorbilder uH auf die kapitalen Arbeiten Asfn Palacios sowie ariderer spanischer Gelehrter). Der Band enthält mehrere Bearbeitungen wesentlicher Länder. Davon sind Deutschland (72 Spalten) und China (30 Spalten), die wichtigsten, in jeder Hinsicht als gelungen zu betrachten. Dänemark, im Abstand Chile und Brasilien sind befriedigend charakterisiert worden, sofern man sich — was der Rezensent grundsätzlich nicht tut — mit der zu summarischen Behandlung der Geschichte und der als weiteres Hilfsmittel verzeichneten Literatur zu den Länderartikeln befreundet. Noch spärlicher ist Bulgarien bedacht. Entschieden nein aber sagen wir zur Einengung des Raumes für Byzanz, für dessen, zumal vom christlichen Standort aus, so belangreiche Literaturgeschichte und zu Literaturangaben, die von der verwirrenden Vielfalt und der Blüte der heutigen Byzantinistik keinen Hauch verspüren lassen. Hier darf man am entscheidenden Beitrag der Russen — Emigranten und Sowjetgelehrten — nicht vorbeihasten.

Es liegt in der Natur der Sache, daß eine Anzeige, auch der rühmenswertesten Lexiken, besonders wenn es sich nicht mehr um den Beifall für ihre allgemeinen Eigenschaften dreht, sondern um die Würdigung einzelner Bände, daß eine derartige Rezension den kritischen Bemerkungen und den Ergänzungen mehr Platz gewähren muß als dem überzeugten und weitaus überwiegenden Lob. Ehe wir auf die, unseres Erachtens, künftig auszufüllenden Lücken der biographischen Schlagworte hindeuten, sei nochmals mit Nachdruck betont, daß derlei Erinnern dem hohen Wert des Großen Herders nicht den leisesten Abbruch tut. Und nun zur Fehlliste. Sie betrifft unter anderen folgende Namen:

Blacas, leitender Staatsmann Frankreichs unter der Rest aüration; Iwan Bloch, russischer Staatsmann. Initiator der Haager Friedenskonferenz; Bobrinskij, führender russischer Rechtspolitiker, Generalgouverneur Galiziens Im ersten Weltkriege; Bobrzynski, überragender politischer Historiker; Karl Viktor v. Bonstetten, bedeutender Schweizer Denker und politischer Schriftsteller; Emile B o r e 1, einer der Begründer der modernen Wahrscheinlichkeitsrechnung; Boucicault, französischer Großkaufmann und Philantrop; Bour-baki, französischer General im Krieg von 1870/71; B o u r d e t, hervorragender französischer Dramatiker, Verfasser berühmter Sittenstücke; Boy-Zeleflski, bedeutendster polnischer Kritiker seiner Zeit; B r i e u x, bedeutender französischer Dramatiker des Fin de siecle; Marschall de Broglie im 18. Jahrhundert und Maurice de Broglie, Bruder des im Lexikon erwähnten Louis, nicht minder bekannter Physiker; Broniewski, polnischer Lyriker der Gegenwart, repräsentativ für die volksdemokratische Literatur; Thomas Alexander Browne, Nationaldichter Australiens; Brunet, französischer Bibliograph; Brunhes, französischer Geograph; De Bunsen, britischer Diplomat; Burke, englische Genealogenfamilie, Herausgeber der berühmten Peerages; Max Burckhard, Burgtheaterdirektor und Schriftsteller; Bussy-Rabotin, französischer Barockschriftsteller; Codoudal, französischer Verschwörer gegen Napoleon I.; Ca-lonne, französischer leitender Staatsmann am Vorabend der Revolution; Calvo Sotelo, spanischer Politiker, dessen Ermordung durch die Roten den Bürgerkrieg entfesselte; Cambronne, jener General, dessen Wort vor Waterloo das häufigste der französischen Umgangssprache ist; Canaris, griechischer Nationalheld (ob Verwandter des deutschen Admirals?); Canrobert, französischer Marschall; Capo d ' I s t r i a, griechischer Staatsmarin und erster Präsident des unabhängigen Hellas; Car-denas, mexikanischer Präsident; Carl, Wiener Theaterdirektor des Vormärz; Carton de W i a r t, belgischer Ministerpräsident, katholischer Parteiführer und Romancier; Casimir-Perier, französischer Politiker; Castelar, spanischer Staatsmann; Sir Ernest Cassel, Freund Eduards VII. und mächtiger Finanzmann; Catinat, Marschall Ludwigs XIV.; Cavaignac, französischer Historiker; Caylus, französischer Archäologe; C e c i 1, berühmte Familie britischer Staatsmänner; Chel-cicky, tschechischer Denker; Chelmonski, polnischer Meister der realistischen Malerei; Chle-dowski, polnischer Kulturhistoriker, auch in Deutschland wohlbekannt; Chlumetzky, Vater und Sohn, österreichische Politiker; Chodkiewicz, gefeierter polnischer Feldherr des 17. Jahrhunderts; Citroen, französischer Autoindustrieller; Clam-Gallas, österreichischer Genelal (Königgrätz); C 1 a m - M a r t i n i c, k. k. Ministerpräsident; C 1 a r y, österreichischer Ministerpräsident; Clan-z e 1, französischer Marschall, Eroberer Algeriens; C o b e n z 1, bedeutender österreichischer Staatsmann, Außenminister; Cochin, französischer Katholikenführer; Jacques Coeur, der berühmte „königliche“ Kaufmann von Bourges; Coquelin, zwei große französische Schauspieler; Cori, tschechoslowakisch-amerikanischer Biologe, Nobelpreisträger; Paul-Louis Courier, Publizist, einer der Meister französischer Prosa; Courtenay, französisches Hochadelsgeschlecht, Seitenlinie der Kapetinger, Kaiser von Byzanz; Croiset, Brüder und französische Hellenisten von Format; C r o y, franko-belgisch, auch in Deutschland und in Oesterreich ansässiges Herzogsgeschlecht; C u z a, Fürstenhaus, aus dem der erste Herrscher des geeinten Rumäniens stammte; Cyrankiewicz, polnischer Ministerpräsident; Czacki, polnischer Staatsmann und Unterrichtsreformer; Czarniecki, polnischer Feldherr; Czartoryski, außer dem im Lexikon verzeichneten Adam, auch dessen gleichnamiger Vater, sein Großvater und Großonkel, die überragenden Gestalten der Geschichte ihres Landes in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts; Czekanowski, hervorragender polnischer Anthropolog; Dabrowski, General und polnischer .Nationalheld (Noch ist Polen nicht verloren ... Marsch, marsch, Dabrowski!); Dalbor, Erzbischof-Primas von Gnesen; Daszyfiski, polnischer Sozialistenführer; D e c a z e s, französischer Regierungschef, maßgebender Günstling Ludwigs XVIII.; dessen Sohn, Außenminister und Gegenspieler Bismarcks; Degoutte, französischer General (Rheinlandbesetzung!); Denis (Ernest, französischer Historiker und Tschechophile); De-p r e t i s, italienischer Ministerpräsident; De Sanc-tis, italienischer Literarhistoriker; Deschanel, französischer Staatspräsident; Destree, belgischer Politiker; Dewey, amerikanischer Admiral (Spanischer Krjjg 1898; Dierx, französischer Dichter des Parnasses; Roman D m o w s k i, Führer der polnischen Nationalisten, Russophüe; D o I g o r u k i j, berühmte russische Fürstenfamilie aus Ruriks Geschlecht; Maurice D o n n a y, französischer Komödienautor; Doumic, französischer Kritiker und Herausgeber der „Revue des Deux-Mondes“.

Die von uns in gesperrtem Druck hervorgehobenen Personen verdienen unbedingt Aufnahme; über die andern Namen ließe sich streiten. Wir möchten vom zweiten Herder-Band nicht Abschied nehmen, ohne neuerlich die untadelige Ausstattung und wiederum die prächtigen, mit sicherem Geschmack gewählten Illustrationen zu loben. Auch die vorzüglichen Landkarten wecken unser Entzücken.

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