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Massenets „Manon“ in der Volksoper

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Jules M a s s e n e t, der in Frankreich populärste Opernkomponist, kam mit zehn Jahren auf das Pariser Konservatorium, wo er bei Ambroise Thomas studierte und wo er selbst später Lehrer wurde. Im Schulorchester bediente er den Triangel, später, im „Theätre lyrique“, die Pauken. Hier erwarb er sich eine eminente Orchester- und Bühnenerfahrung, die, verbunden mit seinem Talent zu gefallen, ihn ein langes Leben lang (er starb siebzigjährig im Jahre 1912) zu einem der erfolgreichsten Opern-ko-?PfWis$l. ^di£zi£te., Mjsfgo.ej .kann$f,keiaiL, Stilprobleme, vom ersten Werk an hatte er sein be-r stimmtes. Schema,.seine .gefällige „ Manier, Mit Raffinement fand und mischte er alle Elemente, die dem französischen Durchschnittsgeschmack zusagen: Passion und Tendresse, Rührendes und Dramatisches, Meyerbeer und Wagner (die damals beide in Paris hoch im Kurs standen). Seine Musik sei besserer Kitsch, erklären die Puristen, „Zuk-kerbäckermusik“, sagte Brahms, das typische „Seelensofa“; aber Debussy hatte eine Schwäche für sie. Romain Rolland schrieb, in jedem Franzosen stecke ein Stück Massenet, und Poulenc nannte seine Musik „notre folklore“. Ihre Popularität in Frankreich ist mit keiner anderen zu vergleichen. Das muß man bedenken, wenn man über sie urteilt. Ebenso typisch sind die Stoffe. Massenet liebte die schönen Sünderinnen, die er gern zu Heroinen seiner Opern und Oratorien machte, angefangen von „Eve“ und „Marie Madeleine“ über „Sapho“, „Herodias“ und „Thals“ bis „La Navarraise“ und „Manon“, nach dem berühmten Roman des Abbe Prevost. Mit dem Stoff sind Massenets Librettisten eigenmächtiger umgesprungen, als die von Puccini oder — in jüngster Zeit — Henze (in „Boulevard Solitude“). — Für unser Gefühl hat Massenets Manon — bei allem Respekt vor dem Formtalent und der Effektsicherheit ihres Autors — Schwächen und Längen. Das im Geschmack des Diichuitieme stilisierte Volksfest auf der Cours la Reine (drittes Bild) und die Szene im Priesterseminar zu Saint Sulpice (4. Bild), wo Massenet auch von seinem sonst so sicheren Geschmack verlassen wurde, sind entbehrlich. Die HPhcronkte liegen in den beiden letzten Bildern: in der Schilderung des Spielsalons im „Transsylvanischen Hotel“ zu Paris, die atmosphärisch glänzend gelungen ist und gewisse nostalgische Stimmungen von Weills „Mahagonny“ vorwegnimmt, schließlich in der Abschieds- und Todesszene der Manon.

Die V o 1 k s o p e r brachte eine Neuinszenierung des Werkes, das zuletzt vor etwa zehn Jahren in Wien gespielt wurde. Dino Yannopoulos ist der Name des Regisseurs, der anscheinend den konventionellen französischen Inszenierungsstil des Werkes kennt und der gut tat, nicht wesentlich däv^-%ü*el4rieM'~(Hier gäbe'W'vÄTMicn -iääUS-zu modernisieren oder gar zU monumentalisieren.) Auch Stefan Hla wa als Bühnenbildner; tmd-A. M. Schlesinger als Kostümzeichnerin strebten offensichtlich weniger die Nachbildung des Milieus und der Zeit von Prevosts Roman, als die einer „Manon“-Aufführung um etwa 1900 an, in dem richtigen Gefühl für die Einheit von Sujet und musikalischer Einkleidung. Hauptattraktion der Aufführung war die junge, erstmals in Europa gastierende Amerikanerin Lee V e n o r a, eine auffallend hübsche, dunkelhaarige und schlanke junge Dame, deren kräftige, weiche und helle Sopranstimme ihrer Erscheinung in nichts nachsteht. Ihr Spieltalent muß sich noch entfalten, dann kann sie unter die Nachwuchsspitzenklasse gezählt werden. Sehr erfreulich auch Anton D e r m o t a als Chevalier Des Grieux — eine der seltenen echten deutschen Belcanto-stimmen, kultiviert und von noblem Ausdruck. In den übrigen Rollen: die Damen Felbermayer, Rychlink, Sobota und Hawlik sowie die Herren Hurshell, Pernerstorfer, Jaresch und Weber. Das Ballett im Cours-la-Reine-Bild hat Dia Luca einstudiert. Argeo Q u a d r i dirigierte sicher und mit Temperament, wie wir's von diesem zuverlässigen Musiker gewohnt sind. — Das Publikum, mit dem Werk anscheinend wenig vertraut, brachte die Künstler durch Nichtreagieren an typischen Applausstellen anfangs ein wenig in Verwirrung. Aber was ist das für ein Publikum, das auf den kleinen Aussprachefehler eines Gastes („bis du eifersjuchtig?“) mit schallendem Gelächter reagierte — während man sich von einem hauseigenen Liebling jahrelang die barbarischesten Bulgarismen gefallen ließ?

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