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Neuer Ballettmeister und neuer „Teil“

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Dimitrije P a r 1 i c heißt der neue, vorläufig für ein Jahr verpflichtete Ballettmeister der Wiener Staatsoper, der mit der Choreographie von B i z e t s Symphonie in C (ein Jugendwerk des Carmen-Komponisten, das wiederholt als Ballettmusik benützt wurde) seine Visitenkarte abgegeben hat. Parlic wurde 1919 in Saloniki geboren und war zunächst als Tänzer an der Belgrader Oper tätig, kam während des Krieges als Solotänzer nach Berlin und, als Solotänzer und Choreograph, auch an die Wiener Volksoper. Nach 1945 war er abwechselnd in Jugoslawien und bei großen „westlichen“ Balletten als Choreograph beschäftigt. Von diesem Stil, etwa von Balanchine und dem Grand Ballet des Marquis de Cuevas, ist auch seine (streng klassische) Choreographie der „Symphonie in C“ beeinflußt, ohne freilich die Feinheit und Poesie der großen Vorbilder ganz zu erreichen. Für die Solisten des Wiener Staatsopernballetts schuf er schöne, nicht allzu schwierige Rollen (Edel-traut Brexner, Richard Adama, Christi Zimmerl, Karl Musil, Paul Vondrak, Lucia Bräuer und Willy Dirtl). Das Corps de ballet versteht Parlic dekorativ und raumfüllend einzusetzen, und auch an Musikalität scheint es ihm nicht zu fehlen, obwohl er im Fugato des zweiten Satzes nicht, wie es die Musik nahelegt, einzelne Tänzer, sondern gleich eine 20 Mann starke Gruppe einmarschieren läßt. (Der gleiche Einwand Ist uch im Trio des dritten Satzes zu machen). Duiän R i s t i c schuf für die vier Sätze einen gleichbleibenden, dekorativen Rahmen in Mattblau mit kreidigen Zeichnungen sowie pastellfarbene Kostüme in Weiß, Grau und Weiß, Grau und Blau (für die Damen), Orange und Weiß (für die Männer). — Der erste Eindruck war günstig, aber mehr kann nach diesem ersten Ballett über den neuen Mann nicht gesagt werden, der das Erbe von Erika Hamka angetreten und damit auch das moderne Repertoire zu betreuen hat. — Die 70jährige „Puppenfee“ von Haßreiter, Gaul und Bayer hat Willy Franzi neu einstudiert. Bühnenbilder und Kostüme wurden von Robert K a u t s k y nach den alten Entwürfen rekonstruiert. Daß man gerade dieses Werk, das in einer Blütezeit des schlechten Geschmacks entstanden ist (und einen entsprechenden Erfolg hatte) für den ersten Premierenabend der Staatsoper ausgegraben hat, ist nicht recht einzusehen, obwohl Christi Zimmerl in der Titelpartie eine Paraderolle findet und Erika Zlocha als Puppen-Bebe da Amüsement großer und kleiner Kinder bildet.

Mit ebenso großem Aufwand brachte die Volksoper Rossinis letzte Oper „W i 1 h e 1 m Teil“ heraus, und für viele Opernbesucher war es eine erste Begegnung, da die letzte szenische Aufführung in Wien vor einem Menschenalter stattgefunden hat. Wer dieses abstruse, überlange Stück genießen will, tut gut, weder an Tschudi noch an Schiller zu denken. Aber auch wenn er das nicht tut, ist der nach einer italienischen Neufassung hergestellte (angeblich verbesserte) deutsche Text von Fritz Kuba noch immer schlimm genug. Der Bühnenbildner Dominik Hertmann versucht durch mattglänzende Erzfels-wände zu monumentalisieren, und manche Kostüme von Alice Maria Schlesinger passen eher für einen infernalischen Cocteau-Film als für das Freiheitsdrama der Schweizer. Hierfür und für die ebenso bizarren Tänze, die Dia Luca einstudiert hat, ist wohl der Gastregisseur Bohumil Herlischka verantwortlich. Dieser hat zwar viel Arbeit (auch gedankliche und spekulative) in diese Inszenierung gesteckt, aber sein Konzept sowie einzelne Einfälle sind so kompliziert, daß sie eines Kommentars bedürften. Es erhebt sich aber die Frage, ob gerade diese Art der Inszenierung bei einer „Volksoper“, im doppelten Sinn, die richtige ist... Was die Musik Rossinis zu „Wilhelm Teil“ betrifft, so werden diejenigen, die an der großen französischen Oper der Zeit, etwa an Auber und Meyerbeer

Gefallen finden, mehr Freude daran haben, als Liebhaber des italienischen Stils, von dem hier kaum eine Spur vorhanden ist. Chöre und Orchesterpart unter der Leitung von 'Argeo Q u a d r i waren vorzüglich einstudiert, und das Orchester erhielt nach der brillant gespielten Ouvertüre wohlverdienten Sonderapplaus. (In den Hauptrollen: Alexander Sved, Karl Terkal, Marjan Rus, Christiane Sorell, Sonja Draxler, Alois Pernersdorfer,: Gerda Scheyrer und andere).

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