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Mythos und Verismo

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Der Ballettabend in der Wiener Staatsoper am vergangenen Sonntag, das sei vorausgeschickt, war ein eindeutiger Publikumserfolg. Das ist um so erfreulicher, als der. Ballettdirektor und Choreograph Aurel von Milloss geistige und künstlerische Ansprüche stellt. Das gilt besonders für seine neueste Kreation, das mythische Ballett „Daidalos“, das, nachdem es im Juni dieses Jahres beim „Maggio“ in Florenz uraufgeführt worden ist, jetzt zum erstenmal in Wien gezeigt wurde.

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Der Ballettabend in der Wiener Staatsoper am vergangenen Sonntag, das sei vorausgeschickt, war ein eindeutiger Publikumserfolg. Das ist um so erfreulicher, als der. Ballettdirektor und Choreograph Aurel von Milloss geistige und künstlerische Ansprüche stellt. Das gilt besonders für seine neueste Kreation, das mythische Ballett „Daidalos“, das, nachdem es im Juni dieses Jahres beim „Maggio“ in Florenz uraufgeführt worden ist, jetzt zum erstenmal in Wien gezeigt wurde.

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Seit 1960 hat sich A%rel von Milloss, auf Anregung des bekannten Mythenforschers Gerhard Zacharias, mit dem Dädolus-Stoff und seiner

Neuinterpretation beschäftigt Abe,r . .tfcston-jßiwifc. Qe^^Kmi^Mm^B'^ erst 1970 fand er den geeigneten die Hauptparl ien. Die ersten vier rer Sa Komponisten in der Person des 1916 Solopaare waren mit den Damen

Gerber, Haider, Kozna, Möbius und den Herren Gerhard Dirtl, Falusy, Haderer und Hohn besetzt.

1928 ist Ravels berühmter ,Bolero“ entstanden. 1944 schuf in Rom geborenen Guido Turchi. DJe dem Stoff und dem Stil entsprechende Ausstattung schuf Fabrizio Clerici: farblich elegante Kostüme in Hellgrau und Orange für die Tänzer (dazu orangefarbene Perücken) sowie, als Hintergrund, abstrakte, ständig wechselnde, ineinander übergehende Projektionen von erlesener Schönheit. Die Musik Turchis, eine Partitur von etwa 35 Minuten Dauer, zeigt ein reiches Spektrum origineller Klangfarben und Strukturen. Sie beginnt und endet mit einer mächtigen Fanfare, hat meditative und dramatische Passagen, kulminiert in gewaltigen Detonationen des Schlagwerks und ist weit mehr als nur eine Klangkulisse.

In seinem neuen Ballett zeigt Mil-los Dädalus als den ersten Baumeister und ersten Künstler überhaupt: wie er sich zunächst in sein Werk verstrickt und zum Gefangenen des eigenen Labyrinths wird. Auf dem Höhepunkt der Krise kommt er zu der Erkenntnis, daß die Befreiung aus der Enge nur durch den freien Flug des Geistes möglich ist. Diese Erkenntnis überträgt sich auch auf die Materie. Aber die Materie sind in diesem Ballett Menschen, die Tänzer, die sich am Schluß in einer vom Eros beflügelten Choreographie zum geordneten Tanz gruppieren und erheben.

Das alles ist in jeder einzelnen Phase spannend, im Ganzen übersichtlich und zwingend dargestellt. Immer wieder ergeben sich Bewegungen, Gruppierungen, „Bilder“ von erlesener Schönheit. Und für den Haupttänzer Franz Wilhelm wurde hier eine ganz große und dankbare Partie geschaffen. Zwei Dutzend Tänzerinnen und Tänzer wären namentlich zu nennen, die mitgeholfen haben, diese Vision suggestiv zu gestalten.

„Estro arguto“ nach Prokofieffs schmissigem 3. Klavierkonzert, das auch romantisch-grüblerische Passagen nicht entbehrt, ist eines der Meisterwerke Milloss'. Es stammt aus dem Jahr 1957, wurde während der ersten Direktionsära des großen Choreographen in Wien gezeigt und war seit sieben Jahren nicht mehr zu sehen (warum wohl?). In dem dekorationslosen Ballett, das zu den klassischen Werken der modernen Tanzkunst gezählt werden kann, exeku-

Oper eine Choreographie, die sich nicht nur heute noch sehen lassen kann, sondern die auch die wirksamste (uns bekannte) ist. Auch dieses Werk wurde, obwohl von Schneider-Siemssen und Rony Reiter effektvoll ausgestattet, seit sechs Jahren nicht mehr bei uns gezeigt (warum wohl?). Die beiden Haupttänzer, an die gewaltige physische Anforderungen gestellt werden, waren die stets brillante Christi Zimmerl und der kraftvolle Ludwig M. Musil. — Lediglich der musikalische Teil dieses Werkes ließ zu wünschen übrig. Aber das lag nicht an dem Gastdirigenten Ettore Gracis, einem ausgezeichneten Mann, der die schwierige Partitur Turchis gut beherrschte und der Prokoffleffs Musik nichts schuldig blieb. Das Corps de Ballet, alle Solopaare, der Choreograph und der Dirigent wurden am Schluß durch minutenlangen Applaus lebhaft gefeiert, Gerne hätte man diesen auch an den Komponisten Tur-chi und an den Maler Clerici direkt adressiert...

Ein Abend dn der Staatsoper, der die siamesischen —_Opernzwi'llinge „Cavalleria rustieana“ ,von Mascagni

Die Filmsaison 1972/73 hat begonnen — und durchaus nicht uninteressant.

Da ist zunächst der französisch-und „Der Bajazzo“ von Leoncavallö italienische- Polizeifilm „Ein toller (dem Lieblingskonpohisten, Kaiser Bluff“ zu nennen, den man als Gro-Wilhelms II.) vereinigte, vermittelte teske oder Parodie mit ernstem Hinkabre Kriminalkomödie, --hat- hier sehenswert-und filmhistorisch wich-abermals ein höchst amüsantes tig-Werk über einen Kommissar des Pariser Rauschgiftderzenates geschaffen, der neben seinen beruflichen Problemen auch private dazu-bekommt. Diese mit zahlreichen angi gen, in Florenz lebend! Griechin Elena Souliotis und der in Genua geborenen Celestina Casapietra. Die Santuzza der Souliotis hatte Format und Charakter, auch stimmlichen, die Nedda der Casapietra war sehr

„Cavalleria“ auch Gianfranco Cec-chele, Reid Bunger, Gertrude Jahn und Hilde Rössel-Majdan. Aber die richtige Stimmung kam erst mit dem Auftritt Gianpietro Mastromeis mit dem berühmten Prolog sowie mit der ersten Szene von Ludovico Spiess als Canio. Gut charakterisierend: Murray Dickie als Beppo und Harlequin, etwas schwächer Vincen-20 Sardinero als junger Bauer Silvio. Heinz Wallberg, der beide Werke des heute kaum mehr erträglichen italienischen Frühverismo leitete, ist vielleicht nicht der geborene Interpret dieses Genres. Aber er kam gut über'die Runden: Es fehlte der Aufführung weder an Schwung noch an Lyrismus.

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