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Von Szeklern und Spaniern

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Auf die österreichische Erstaufführung von Zoltdn Koddlys „Szekler Spiwiistiibe“ durch das Ensemble der Ungarischen Staatsoper Budapest hatten wir uns, ehrlich gesagt, ge-freuit. Das durch konzertante Aufführungen und Schallplatten bekannte Tanz- und Liederspiel einmal auf der Bühne zu zeigen, „diese Musik in lebendiger Einheit mit dem Leben, dem sie ihre Entstehung verdankt“, vorzuführen, wie der vor kurzem verstorbene Komponist selbst sagte, ist in der Tat sehr verlockend. 1932 fand in Budapest die erste Aufführung statt, im Ausland zögerte man. Aus der Fülle von einigen (tausend Volksweisen, die Kodäly gesammelt hat, ist hier ein bunter Strauß vereinigt. Die Rahmenhandlung — mit einer jungen Witwe, ihrem zu Unrecht von der Polizei verfolgten Bräutigam und einem reichen jungen Burschen, der der Schuldige ist — erscheint recht anspruchslos und alltäglich. Doch nicht daran liegt es. Die Tänze und Spiele, die Chöre und Lieder sind ja die Hauptsache. Aber wie das alles — im Verlauf von 80 Minuten — zusammengefügt und arrangiert ist (durch Miklös Szinetär und Ldszlo Seregi), entbehrt es der Leichtigkeit und des Charmes. Das wenig anprechende, aus drei verschiedenen Stilelementen zusammengesetzte Bühnenbild (Zoltdn Fülöp) trägt nicht zur Verbesserung des Gesamiteindrucks bei. Das tun eher die kleidsamen Trachtenkostüme in Schwarzrotweiß von Tivadar Mark und die kräftigen Stimmen von Märta Szimari, Ferenc Szalma, Simändi und Placsö. Am Dirigentenpult stand Jdnos Ferenc-sik.

Einen weit positiveren Eindruck empfing man von Imre Ecks Ballett nach der Musik für Saiteninstrumente, Schlagzeug und Celesta von Bartök. Obwohl es sich hier um eine vollkommen in sich geschlossene Komposition, ein Meisterwerk des 20. Jahrhunderts, handelt, das als solches anerkannt ist, gelang es dem talentierten Choreographen, etwas dieser hochdifferenzierten und magischen Musik Adäquates zu schaffen. Natürlich ist seine Interpretation der Musik Bartöks nur eine unter vielen möglichen: „In diesem Ballett stehen ein Tanzpaar und eine Gruppe einander gegenüber. Das Tanzpaar verkörpert den Menschen, der als Einheit von Mann und Frau aufgefaßt wird; die aus zwölf Tänzerinnen bestehende Gruppe repräsentiert die Umwelt, mitunter aber auch die innere Welt des Menschen ...“ Dieser Gedanke ist konsequent und mit beachtlichem choreographischen Können durchgeführt. Daß es auch mit hoher Musikalität geschieht, so daß man kaum etwas zu sehen bekommt, das gegen den Geist dieser anspruchsvollen und komplizierten Partitur verstößt, sei besonders vermerkt. Im besten Sinn modern und geschmackvoll war das aus Netzen vor zartfarbigem Hintergund gestaltete Bühnenbild von Zoltdn Fülöp, raffiniert die Kostüme von Tivadar Mark: grellfarben für die Protagonisten, in verschiedenartigstem Grün für die zwölf Tänzerinnen des Corps, die man einheitlich in hohe schwarze Stiefel steckte. Virtuos und elegant das Solistenpaar Zsuza Kun und Imre Dözsa, das auch alle Ansprüche, die man an einen „lyrischen“ Pas de deux stellt, befriedigen konnte. Am Pult: Peter Töth.

Die beste Ensembleleistung der Ungarn sahen wir an ihrem letzten Abend bei der Aufführung von Sdndor Szokolays dreiaktiger Oper „Bluthochzeit“ nach dem bekannten Theaterstück von Lorca (in der Übersetzung von Gyula Illyes). Hier waren Regie, Bühnenbild, Kostüme, Orchester und Solisten bis in die letzte Nebenrolle von hoher Qualität und wie aus einem Guß. Andrds Mifcö führte Regie, Andrds Körody stand am Pult des ungemein diszipliniert und intensiv spielenden Orchesters, dessen ununterbrochener Impetus den Hörer zwei Stunden lang, ohne zu ermüden, dahintrug. Die Musik zu dieser Oper, die sich schon seit drei Jahren erfolgreich auf dem Budapester Spielplan hält, stammt von dem 36jährigen Sändor Szokolay, der sie — nach mehreren Tanzspielen und Oratorien — bereits als 32jähriger geschrieben hat. Szokolay ist ein geborener Dramatiker, und er kann als Komponist sehr, sehr viel. Er hat sich weder der Dodekaphonik noch dem Konservativismus verschrieben, sondern bedient sich einer sehr beweglichen und farbigen freitonalen Sprache, die auch des rhythmischen Rückgrats nicht entbehrt. Eher des unverwechselbaren Eigentones, zu dem Szokolay vielleicht noch finden wird. Als gleichwertig, gewissermaßen in einer Reihe, müssen alle Hauptrollenträger genannt werden, die sich nicht nur als perfekte Sänger, sondern auch als intelligente und impulsive Akteure hervortaten: die Damen Komlössy, Häzy, Sdndor, Szabö und Szecsödy sowie die Herren Szönyi, Farago und Vdrhelyi. Nach jedem Akt gab es minutenlangen Beifall, am Schluß für den Komponisten und das ganze Ensemble lebhafte Ovationen. Helmut A. Fiechtner

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