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Anna Karenina — lyrisch

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An fünf Abenden gastierte das Ballett des Bolschoi-Thea-ters, Moskau, mit drei verschiedenen Programmen im Großen Haus am Ring. Demnächst kann das berühmte Ballett seinen 200. Geburtstag begehen. Denn im Jahr 1773 wurde in Moskau die erste Tanzschule gegründet, mit Erziehungsheim und eigenem Schultheater. Von Petipa und Gorski, der von 1901—1924 hier wirkte, bis zu den heutigen Choreographen, Tänzern und Komponisten hat sich dort ein wichtiges Stück Ballettgeschichte abgespielt. Heute zählt das Bolschoi-Ballett 250 Mitglieder, denen vier große Übungssäle zur Verfügung stehen. Die meisten Tänzer wurden bereits im eigenen. Internat ausgebildet, wo neben Folklore, Klavier und Rhythmik auch Tanz- und Kuliurgeschichte obligatorisch sind ... Außer in seinem Stammhaus taaat ds Ballett: ün.Kongjftßsaal |IMMMiM<WiMu.

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An fünf Abenden gastierte das Ballett des Bolschoi-Thea-ters, Moskau, mit drei verschiedenen Programmen im Großen Haus am Ring. Demnächst kann das berühmte Ballett seinen 200. Geburtstag begehen. Denn im Jahr 1773 wurde in Moskau die erste Tanzschule gegründet, mit Erziehungsheim und eigenem Schultheater. Von Petipa und Gorski, der von 1901—1924 hier wirkte, bis zu den heutigen Choreographen, Tänzern und Komponisten hat sich dort ein wichtiges Stück Ballettgeschichte abgespielt. Heute zählt das Bolschoi-Ballett 250 Mitglieder, denen vier große Übungssäle zur Verfügung stehen. Die meisten Tänzer wurden bereits im eigenen. Internat ausgebildet, wo neben Folklore, Klavier und Rhythmik auch Tanz- und Kuliurgeschichte obligatorisch sind ... Außer in seinem Stammhaus taaat ds Ballett: ün.Kongjftßsaal |IMMMiM<WiMu.

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Am ersten Abend zeigten die Gäste aus Moskau ein erst 1972 ur-aufgeführtes neues Ballett nach Leo Tolstois berühmtem Roman „Anna Karenina“, der nicht weniger als 13 mal verfilmt wurde, 8 mal als Opernstoff diente und auch schon als Sprechstück auf die Bühne kam. „Vertanzt“ wurde dieses riesige epische Werk unseres Wissens noch nicht (das hatte seine guten Gründe), und vorsichtig nennen der Autor des Librettos Boris Lwow-Anochin sowie die drei beteiligten Choreographen (unter ihnen die Hauptrollenträgerin Maja Plissetskaja) ihr Ballett auch „lyrische Szenen in drei Akten“.

Die Handlung beginnt und endet auf dem Petersburger Bahnhof, wo Anna den ihr Schicksal bestimmenden Grafen Wronski zum erstenmal sieht und wo sie. unter den Rädern eines einfahrenden Zuges, den Tod findet. Gleich die erste der siebzehn zum Teil ganz kurzen Szenen zeigt die Meisterschaft des Komponisten Rodion Schtschedrin: zu dichtem Schneeflockenfall erklingt eine punktuell organisierte Musik mit leise tropfenden Glockentönen. Sofort ist eine intensive Stimmung suggeriert. Gleich danach illustriert die Musik einen Ball, einen Schneesturm und einige Interieurs — besonders gelungen „Wronskis Traum“. Effektvoll beginnt der 2. Akt mit dem Pferderennen, wo Schtschedrin eine Militärkapelle kräftig und falsch gegen das Symphonieorchester blasen läßt und mit diesem kombiniert. Da gibt es, wie auch sonst an dramatischen Stellen, harte polytonale Reibungen und rasch wechselnde Rhythmen, die, wie schon das erste Werk, das wir von Schtschedrin kennenlernten („Das bucklige Pferdchen“, 1956), an Stra-wirtsky erinnern. Überhaupt besitzt Schtschedrin, Jahrgang 1932 und mit der Primaballerina verheiratet, eine sehr reiche und farbige Palette; entwicklungsmäßig steht er zwischen Prokofiew und den Jüngsten. Und er schreibt eine immer plastische, verständliche und doch nicht verstaubte Ballettmusik. In ihren intentivsten

Passagen erinnert sie an Berg, und zwar weniger an den des „Wozzeck“ als an jenen der ,,Lulu“. i *

Die 17 Szenen mit einer Gesamtdauer von etwa eineinhalb Stunden werden durchaus von Maja Plissetskaja beherrscht, die sich diese Partie ja auch gewünscht hat. Sie ist überzeugend im lyrischen Ausdruck und eindrucksvoll in dramatischen Ausbrüchen, so insbesondere in zwei Pas de deux mit ihrem Geliebten Wronski, dem sehr männlichen und eleganten Maris Liepa, der aus Riga kommt und am Bolschoi-Ballett auch als Pädagoge und Choreograph tätig ist. Alle anderen Gestalten, einschließlich des Fürsten Karenin (Nikolai Fadjejetschew), aber mit Aus-

nähme des willkürlich hervorgehobenen Bahnhofbediensteten (Juri Wladimirow, der mit einigen abenteuerlichen Sprüngen Aufsehen erregte und viel Beifall fand) sind viel weniger profiliert.

Und doch haben die einzelnen Szenen ihren Zauber und ergeben einen gewissen Zusammenhang, vor allem dank der mehr symphonischen als aus „Nummern“ zusammengesetzten Musik, die eine Kontinuität der musikalischen Erzählung garantiert. Und dank der stimmungsvollen Ausstattung, für die man freilich das Motto „russisches 19. Jahrhundert“ akzeptieren muß. (Ihr entsprechen die zahlreichen Tschaikowsky-Zitate in der Partitur.) Auch wird, wo es nötig ist, ein gewisser szenischer Aufwand getrieben, etwa beim Ball im 1. Akt, im „Hofzeremoniell“ bei der Verleihung eines Ordens an Ka-renin (die prächtigen weiß-goldenen zaristischen Uniformen!), in der Opernszene usw. Zwei weitere Bilder des 3. Aktes sind besonders gelungen: Anna und Wronski in Italien — mit Blick auf eine traumhaft schöne Landschaft — und Annas nächtlicher Tod, nur durch die roten Lichter und das Stampfen der Lokomotive symbolisiert. — Alle diese Dekorationen und Kostüme schuf Waleri Levintal; die Garderobe der Titelheldin kam von Pierre Cardin aus Paris und war entsprechend kostbar.

Als Opernorchester fungierten die Tonkünstler, die ein schweres Stück Arbeit geleistet haben. Sie spielten unter der Leitung von Juri Simonow, dem Chefdirigenten des Bolschoi-Theaters, der auch die Uraufführung des „Anna-Karenina“-Balletts geleitet hat. — Nur er vermöchte zu sagen, ob das Tonkünstlerorchester allen Anforderungen dieser großen und nicht unkomplizierten Partitur entsprochen hat... Über das zweite Programm der Moskauer mit „Gi-selle“ und die Galavorstellung mit dem 2. Akt „Schwanensee“, der „Carmen-Suite“ u. a. berichten wir nächste Woche.

• Zum erstenmal kommt am 15. Mai Francoise Sagan nach Wien. Blanche Aubru^irA^us^e^nem^pnian, „Bläue 'Flecken auf dir Seele** lesen und Axel Corti wird mit der Autorin plaudern (Mozart-Saal, 19.30 Uhr, Karten an der Konzerthauskasse).

• Filmtheater in 15 europäischen Staaten nahmen im vergangenen

Jahr über eine Milliarde Dollar ein. An der Spitze stehen dabei Italien (364 Millionen), Frankreich (202 Millionen) und die Bundesrepublik (186 Millionen).

• Vor rund 200 Jahren begann der sensationelle Aufstieg der Rothschild-Dynastie vom jüdischen Getto Frankfurts in die Welt sagenhaften Reichtums und unwahrscheinlicher Erfolge. Die Rothschild-Story, bereits Thema eines Bestsellers, wird nun verfilmt. Sherman Yellin hat dazu das Drehbuch geschrieben, Hillard Elkins ist der Produzent.

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