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Gastspiel des Georgischen Balletts

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Die während des vergangenen Jahres angekündigte und zum erstenmal durchgeführte Ballettsaison der Wiener Staatsoper dauerte heuer von 11. bis 28. November und brachte nur ein einziges Gastspiel. Statt des vorgesehenen „Bolschoi Ballet“, das etwa 120 Mitglieder zählt, erschien das aus etwa zwei Dutzend Tänzerinnen und Tänzern bestehende „Georgische Ballett der UdSS R“, das an acht Abenden zwei verschiedene Programme zeigte. Um den Gesamteindruck zu resümieren: die Enttäuschung war ziemlich groß. Auch wenn man sich nach dem Besuch einiger großer russischer Ballettfilme aus jüngster Zeit von der Choreographie und der Ausstattung keine Sensationen erwartete, so blieb doch, was uns die Georgier da in einem „Othello“-Ballett boten (einem Hauptwerk ihres Repertoires!) auch hinter den bescheidensten Erwartungen und Ansprüchen zurück. Der gefälligen und unpersönlichen Musik von Matschawariani entsprach eine primitive, hilflose Choreographie und eine ebenso einfallslose wie konventionelle Gestik. Von künstlerischer Gestaltung und „Tanz“ war in dieser langweiligen Pantomime kaum eine Spur (Ein ins Detail gehender Vergleich dieser Darbietung mit dem „Othello“-Ballett von Boris Blacher und Erika Hanka mit den Bühnenbildern und Kostümen von Georges Wakhe-vitsch wäre ein lohnendes Thema für eine Ballettseminar-Arbeit).

Die gleichen Mängel zeigte auch das Hauptstück des zweiten Abends. „Das Herz der Berg e“, nach Musik von Balantschiwadse, dessen anscheinend revolutionäre Handlung, die in einer großen Liebesszene gipfelt, trotz lebhaftester Gestikulation der drei Hauptbeteiligten unverständlich blieb. (Leider wurde der Zuschauer nicht nur vom Choreographen, sondern auch vom Programm im Stich gelassen.) — Die fünfteilige Chopin-Suite des zweiten Programms wirkte künstlerisch ungefähr so, wie von einem Kapellmeister für Salonorchester gesetzte Chopin-Musik. Hier sowohl wie in einem „M o m e n t m u s i c a 1“ nach Schubert und in „Phantasie“ nach Schumanns „Carnaval“ wirkte sich, bis zum

Peinlich-Lächerlichen, die Vorliebe der georgischen Damen (oder ihrer künstlerischen Berater) für Schleier aller Art aus. Diese weißen, himmelblauen und rosafarbenen Gewebe dienen ihnen zum Winken, Wallen und Sich-Drapieren. — Die Männer waren etwas seriöser kostümiert, aber auch bei ihnen gab es die komischesten Färb- und Formkombination.

Natürlich fanden sich unter den zwei Dutzend Tänzern einige (zu denen aber keineswegs der Hauptrollenträger und Choreograph der Truppe, W. M. Tschabukiani, zählt), die eine gute (aber freilich keineswegs überragende) klassische Technik besitzen, zum Beispiel Monavardisaschwili oder die gelenkige E. W. Tschabukiani, der wir auch die beste Nummer im klassischen Stil zu danken haben, den „Sterbenden Schwan“ nach der herz-erweichenden Cellomelodie von Camille Saint-Saens. Aber was soll man dazu sagen, wenn eines der bekanntesten Stücke des klassisch-russischen Ballettrepertoires, der Pas de quatre aus „Schwanensee“ von Tschaikowsky, von drei Balleteusen exekutiert wird, deren Anmut freilich eher die von kleinen Entlein war und deren Präzision sehr zu wünschen ließ?

Als Positiva vermerken wir gern: im zweiten Teil der beiden Programme, die aus insgesamt 20 Nummern bestanden, einige kaukasische Volkstänze nach folkloristischer Musik. Hier sah man einige hübsche und anmutige Tänzerinnen sowie ein paar originelle und schwierige Tanzschritte der Männer. Aber das alles hat man in Wien schon vor zehn Jahren von Volkstanzgruppen aus der UdSSR mindestens ebenso gut gesehen. — Dem Stehparterre- und Galeriepublikum hat, zumindest am ersten Abend, alles großartig gefallen. Man schrie vor Begeisterung bei jeder geglückten Pirouette und bewies wieder einmal seine Inkompetenz. — Nicht vergessen sei der wirklich gute Mann am Dirigentenpult: Odyssey Dimitriadi, der der Musik und der Bühne in gleicher Weise gerecht wurde.

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