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Die Geschenke Balanchines

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In Anwesenheit des heute 73jähri- gen Altmeisters der modernen Choreographie George Balanchine fand am vergangenen Samstag-Abend in der Wiener Staatsoper die Erstaufführung eines Werkes statt, das zwar schon vor 20 Jahren geschaffen wurde, das Balanchine aber noch nie einem fremden Ballett anvertraut hat. Das ist eine schöne Geste des großen Künstlers, auf die sich Wien und sein Staatsopernballett wohl etwas einbilden darf.

Im 1. Teil des Programms wurde „Serenade“ auf Streichermusik Tschaikowskys getanzt. 1933 bereits in Amerika konzipiert und ausgeführt, kann dieses Meisterwerk der Choreographie als „Einstand“ Balanchines in den USA gelten, für die damit auch'die Neuzeit des Balletts begann. Wie alle Werke des weltberühmten Georgiers, der ursprünglich Georgi Melitonowitsch Balanchiwadse hieß, ist es ein sogenanntes „ballet blanc“, also handlungslos. Dieser Traum in Blau ist ein Werk von vollkommener Schönheit, ebenso wie Tschaikowskys Musik eine ideale Tanzpartitur ist. Balanchine war immer ein ausgesprochener Frauenchoreograph, der mehrmals mit der jeweils schönsten Ballerina seiner Truppe verheiratet war. So gibt es auch in diesem mehr- sätzigen Ballett von etwa halbstündiger Dauer neben 23 Frauenrollen nur drei für Männer. Die Wiener Staatsoper hat das Ballett „Serenade“ seit 1966 im Repertoire, und jede Wiederbegegnung mit ihm ist ein Fest fürs Auge. Nennen wir wenigstens die Haupttänzer Gisela Cech, Gabriele Haslinger, Marialuise Jaska, Ludwig Musil und Gerhard Dirtl. Da das Ballett „Serenade“ keine Handlung hat und die Personen keine Namen haben, kann auch auf Kostüme und Kulissen verzichtet werden. Vor einem leuchtend blauen Hintergrund wirken die hellblauen Tanzkostüme der Solisten und des Corps harmonisch zusammen.

Uber die „Liebeslieder Walzer" nach op. 52 und op. 65 von Brahms könnte man eine ganze Abhandlung schreiben. Die Ausführenden der Musik sind vier Solisten (am vergangenen Sams tag: Sona Ghazarian, Rohangiz Yach- mi, Thomas Moser und Kurt Rydl) und zwei Pianisten an einem Flügel (Käte Wittlich und Winfried van den Hove). Obwohl sowohl Brahms und Balanchine sich alle Mühe gegeben haben, diese 33 Walzer so abwechslungsreich wie möglich zu gestalten und durch die Reihung auch Kontraste zu schaffen, halte ich dieses Werk für wenig geglückt. Fast eine Stunde Konzertwalzer, mit meist nur einem Paar in Aktion, manchmal mehrere, zuweüen auch ein Trio bildend - das ist, auch in Wien, nicht jedermanns Sache. Das Handikap liegt schon in der Idee, mehr noch in der Musik - da meist alle Sänger gleichzeitig, also im Quartett, singen. Das ist rein vom Klang her, bei nicht immer sehr durchsichtigem Klaviersatz, viel zu massig'und monoton. Wobei nur von einem Künstler vom Rang eines Balanchine doch noch einiges gerettet werden konnte, und einen Hauch von Poesie empfing, besonders wenn er auf den lyrisch-elegischen Ton einging, der ja Brahms besonders liegt.

Die sechs Musiker auf der Bühne - nun gut, sie haben den Tänzern nicht allzu viel Platz weggenommen. Dafür waren sie auch wie die Tänzer kostümiert, alle Herren in dunklen Fräcken, die Damen in entsprechender Abendtoilette. Diese schuf Barbara Ka- rinska mit noblem Geschmack. Das Bühnenbild, ein freundlicher Gartensaal, stammt von Rolf Langenfass. Im 2. Teil treten Damen und Herren in Tanzkleidung auf. Nun wird auch das Spiel lebhafter. Insgesamt gab es 21 Walzerduette. Die wichtigsten Paare: Judith Gerber - Michael Birkmeyer, Susanne Kirnbauer - Franz Wühelm, Lisi Maar - Karl Musil, Lüly Scheuermann - Ludwig Karl. Eine besonders hübsche Idee von Balanchine war es, daß beim letzten Stück die Gruppe der Tänzerinnen und Tänzer unbewegt den Musikern zuhören und diesen am Schluß applaudieren. In diesen Applaus, der auch dem Orchester unter Stefan Soltesz galt, stimmte dann auch das Publikum ein. Aber weniger heftig als nach der „Serenade“.

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