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Ballett und Tanztheater

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In der Wiener Staatsoper wird gegenwärtig die Aufführung der „Trionfi“ von Carl Orff vorbereitet. Damit werden auch dem Staatsopernballett neuartige Aufgaben gestellt, für die es nicht unvorbereitet ist. Von neueren Werken stehen im Repertoire: Blachers „Mohr von Venedig", Egks „Abraxas", Einems „Rondo vom Goldenen Kalb", von älteren „Giselle", „Der Zauberladen" und „Josephslegende“. Bezeichnend für die Entwicklung des modernen Tanztheaters ist das literarisch anspruchsvolle Libretto und seine Realisierung in den Formen des klassischen Balletts, zu dem sich auch die führenden Komponisten unserer Zeit bekennen.

Voraussetzung ist also die Erarbeitung des klassischen Repertoires, eine Aufgabe, die an der Wiener Staatsoper dem vom Sadler’s Wells Ballet kommenden Gordon Hamilton übertragen wurde. Hier, beim Ballet blanc, gilt vorläufig noch das Wort „Augen auf, Ohren zu!", denn die Musik, zu der getanzt wird, ist — von den Meisterwerken Tschaikowskys abgesehen — oft recht primitiv. Der nächste Schritt wird also auf das Gebiet der neueren Musik zu tun sein. Hier gibt es eine lange Reihe ausgezeichneter, zum Teil speziell für das Ballett geschriebener Werke, aber auch zahlreiche Orchesterstücke und Suiten, die sich besonders für den Bühnentanz eignen. Bartok zum Beispiel hat nicht nur das . barfcafo“ geschrieben. .. sondern auch die Tanzsuite für Orchester, das Divertimento, drei Klavierkonzerte, die Musik für Saiteninstrumente und das Ballett „Der wunderbare Mandarin". — Von Strawinsky gibt es mehr als ein Dutzend Ballettkompositionen. Solche Werklisten ließen sich noch von Hinde- mith, Egk, Blacher, Einem, Reutter, Fortner und Henze, von Tscherepnin, Prokofieff und Schostakowitsch, von Roussel, Satie, Poulenc, Honegger, Milhaud und Frampaix, von Casella, Constantinescu und vielen anderen aufstellen.

Studiert man das Repertoire der großen Ballettgruppen in Europa und Amerika, so kann man feststellen, daß von den sechs Gattungen (Ballett blanc, Demi-caractėre, Caractėre, Ballet d’action, Symphonisches Ballett und Ballett- Oper) die erste und die beiden letzten im Vordergrund stehen. An der Entwicklung des modernen Tanztheaters ist die Ballettmeisterin der Wiener Staatsoper, Erika H a n k a, mit mehreren Libretti bzw. Choreographien maßgeblich beteiligt. In Zusammenarbeit mit ihr und im Auftrag der Wiener Staatsoper schrieben die Komponisten Wagner-Regeny (Tristan-Stoff), Gottfried von Einem („Medusa“) und Theodor Berger („Heiratsannoncen“) neue Partituren, die demnächst in Wien uraufgeführt werden. An Neueinstudierungen sind die Ballette „Joan von Zarissa“ von Werner Egk und „Hotel Sacher" nach Musik von Hellmesberger geplant.

„Das Ballett unter dem Opernhimmel bedarf des Wohlwollens“, schrieb vor einiger Zeit der führende deutsche Ballettfachmann O. F. Regner. Früher führte das Ballett in den Opernhäusern ein Aschenbrödeldasein Es trat bei den Einlagen in „Ai'da" und „Carmen", im Holzschuhtanz von „Zar und Zimmermann" und im Bacchanal des „Tannhäuser“ in Aktion und gab mit diesem Repertoire, das noch durch die „Puppenfee“ und Stücke aus „Coppėlia“ ergänzt wurde, ein bis zweimal im Jahr seinen Abend. Wir sind heute schon weiter, aber wir müssen noch weiter kommen. Was anzustreben wäre, ist der „Jour fixe“ für das Ballett, etwa nach dem Vorbild der Pariser Oper (dort ist es seit eh und je der Mittwoch). Geplant ist auch eine zwei- bis dreiwöchige Ballettsaison an der Oper, jeweils im November, mit eigenem Ballettorchester und dem Gastspiel auswärtiger Tanzgruppen und Choreographen. Wir sind überzeugt, daß das Wiener Opernballett dieses „Wohlwollen“ rechtfertigt und auch hochgespannte Erwartungen erfüllen wird.

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