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Junges amerikanisches Ballett

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Wie viele künstlerische Unternehmungen und Veranstaltungen verdankt auch das vor 10 Jahren begründete Harkness Ballet of New York seine Existenz und die Möglichkeit, weltweite Tourneen zu unternehmen, privatem Mäzenatentum. In diesem Fall war es die Multimillionärin Rebeka Harkness, die zunächst bereits bestehende Balletttruppen unterstützte und dann ihre eigene Kompanie gründete, die nach einjähriger Vorbereitungszeit im Frühjahr 1965 in Cannes debütierte.

In diesem Ballett wechseln nicht nur die Tänzer, sondern auch die Choreographen und Ausstatter ständig, so daß von einem spezifischen Stil der Truppe kaum gesprochen werden kann. Es wäre denn, man einigt sich auf den Begriff „Jugend'. Denn jugendlichen Schwung, zuwei-

len auch eine gewisse Unbedenklichkeit im Einsatz der Mittel kennzeichnen diese Truppe, die dank ihrer bunten, geschickt zusammengestellten Programme sowie durch ein Aufgebot von etwa 40 jungen Tänzern beim Publikum immer gut „ankommt“. .

So war es auch an den vier Abenden in der Volksoper, wo zwei verschiedene Prograimme gezeigt wurden. Das erste begann, ziemlich anspruchsvoll, mit „Ceremonials“ nach einer sehr ballettgerechten modischen, aber nicht zu komplizierten Musik von Alberto Ginastera, die ursprünglich „Variaciones Concer-tantes“ hieß. Die Choreographie von Norman Walker verbindet klassische Elemente mit neuartigen Arm-und Handbewegungen, auch werden stereotype Schrittfolgen vermieden. So entstand ein feierliches Zere-

moniell, das von sechs Paaren und einer Tänzerin ausgeführt wurde. Ein Glanzstück des Choreographen Vicente Nebrada ist „Gemini“ auf Musik von ikfohler (Adagietto aus der Fünften), mit großer Anmut und Dezenz ausgeführt von Christopher Aponte und Darrell Barnett, das trotz seines ausgesprochen homoerotischen Charakters nie peinlich wirkte (ebensowenig wie Viscontis großer Film „Der Tod in Venedig“). Auch der nachtblaue goldbestäubte Himmel in dem Gemini-Ballett verfehlte nicht seine Wirkung.

„Percussion for Six-Men“, vom Tonband abgespielt und ebenfalls von Nebrada choreographiert, wurde von den jungen Spitzentänzem des Balletts Jensen, Barnett, Aponte, Campaneria, Wilson und Tanju Tuzer (jeder einem Schlaginstrument zugeordnet) mit hinreißendem Brio interpretiert.

Strawinskys erstes großes Ballett für Diaghilew, „Der Feuervogel“, von 1910 ist heute kaum mehr zu realisieren, und obwohl sich der Choreograph Brian MacDonald eine neue Handlung hat einfallen lassen und obwohl Ter-Arutunian eine phantasiereiche, farbenprächtige Ausstattaing geschaffen hat und obwohl fast alle Solisten samt Corps darin beschäftigt waren, kann es (wer kann Debussy das Wasser reichen?) als nur halbgelungen bezeichnet werden. Aber, wie gesagt, an diesem

Werk haben sich in den letzten Jahrzehnten auch schon andere die Zähne ausgebissen. Hervorragend Manola Asenio in der Titelrolle, Tunja Tuzer als Zarawitsch und Patricia Machette als Prinzessin. — Doch war das Ganze, trotz mangelhafter musikalischer Interpretation, sehr wirkungsvoll.

Der zweite Abend wurde mit acht der schönsten Preludes von Debussy eingeleitet, und der Charakter „Shadows“, den der Titel suggeriert, in den verschiedensten Varianten immer wieder realisiert. Auch hier hat der Choreograph Vicente Nebrada fast das ganze Ensemble beschäftigt, meist zwei bis fünf Tänzer in jeder Nummer, dann aber auch

Wesentlich simpler ist die Musik zu einem Pas de deux aus „Le Corsaire“, nach Stücken von Adam, Minkus und Pugni, bekannten Bal-lettroutiniers des vorigen Jahrhunderts. Hier gab es zwei Glanzrollen und bewunderungswürdige Leistun-

gen von Manola Asenio und Tanju Tuzer.

*

Das „Sebastian“-Ballett auf Musik von Gian-Carlo Menotti, von Vicente Nebrada choreographiert, ist eine sehr eigenwillige Variante des bekannten Themas. Nicht sehr angenehm, aber wirkungsvoll in der etwas überladenen Ausstattung von Sandro La Ferla, Im übrigen arbeiten die Inszenatoren viel mehr mit Projektionen als mit Vorhängen und Versatzstücken, es gibt fast keine Kulissen. (Zur Nachahmung dringend empfahlen!) Christopher Aponte, Clara Cravey und Zane Wilson sowie seine bösen Schwestern Helen Heineman und Susan McKee zeichneten sich als spielfreudige Solisten vor dem Hintergrund des Corps besonders aus.

Das anspruchsvollste, am schwersten verständliche und doch wir-samste Stück des Harkness-Reper-toires, soweit wir es an diesen beiden Abenden sehen konnten, war „Time Out of Mind“ auf Kompositionen von Paul Creston. Der Titel bedeutet „Seit undenklicher Zeit“ oder, hln-tersinmig, „ver-rückte Zeit“. Hier überfuhren Brian MacDonald mit einer wohldurchdachten Choreographie (eine Art „Sacre“ im Kleinformat) sowie die rasant tanzende Truppe alle etwaigen Einwände, und hier zeichneten sich zwei wirklich großartige junge Tänzer aus: Helen Heineman und Zane Wilson. Wirkungsvoll auch die Ausstattung von Rouben Ter-Arutunian. Am effektvollsten aber war das Brio der jungen Tänzer und ihre offensichtliche Freude an dem, was sie da vorführten. — Starker, langanhaltender Applaus.

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