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Turnen und Psydio-Tanz

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Vier fulminant getanzte Abend- und ein Nachmittagsprogramm bescherte Robert Joffrey's City Center Ballet, New York, ein großartig trainiertes, ungewöhnlich, homogenes Ensemble, das in der gegenwärtigen Form zwar erst 1965 gegründet wurde, indes in verschiedenen anderen Formationen bereits seit 17 Jahren besteht. Nach jahrelangen Schwierigkeiten mit den Geldgebern, besonders mit der Rcbekah Harkness Foundation, ist es seit 1966 hauseigene Truppe des City Center, als die es bisher in den USA größte Erfolge erntete. Joffrey, zugleich Ensemblechef und Leiter seiner eigenen Ballettschule, hat seine Gruppe gemeinsam mit dem vielseitigen, vitalen Gerald Arpino originell und eigenwillig geformt. Sein internationales Debüt in Wien hat das Joffrey-Ballett mit imponierenden Programmen absolviert. Man müßte den dynamischen jungen Leuten, wahren Olympioniken des Tanzes, in Europa oft begegnen, um zu erfahren, was heute „drüben“ Tanz ist und was er morgen sein wird.

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Vier fulminant getanzte Abend- und ein Nachmittagsprogramm bescherte Robert Joffrey's City Center Ballet, New York, ein großartig trainiertes, ungewöhnlich, homogenes Ensemble, das in der gegenwärtigen Form zwar erst 1965 gegründet wurde, indes in verschiedenen anderen Formationen bereits seit 17 Jahren besteht. Nach jahrelangen Schwierigkeiten mit den Geldgebern, besonders mit der Rcbekah Harkness Foundation, ist es seit 1966 hauseigene Truppe des City Center, als die es bisher in den USA größte Erfolge erntete. Joffrey, zugleich Ensemblechef und Leiter seiner eigenen Ballettschule, hat seine Gruppe gemeinsam mit dem vielseitigen, vitalen Gerald Arpino originell und eigenwillig geformt. Sein internationales Debüt in Wien hat das Joffrey-Ballett mit imponierenden Programmen absolviert. Man müßte den dynamischen jungen Leuten, wahren Olympioniken des Tanzes, in Europa oft begegnen, um zu erfahren, was heute „drüben“ Tanz ist und was er morgen sein wird.

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Stiltetfecir■ -gehen-'Joffrey^amii seine-Starchoreographenkollegen, wie Arpino oder Jerome Robbins, vom Modern Dance aus, von ein paar Elementen aus Mary Wigmans Repertoire, besonders von Martha Graham; wesentliche Charakteristika des klassisch-akademischen Tanzes kommen hinzu, werden mit den ersten synthetisiert. Mit allen Konsequenzen: Es ist Ballett zwischen Turnen und klassischen Pas, stets voll höchster Bewegungskultur, Tanz, der sich auf sich selbst besinnt. Joffrey wie Arpino haben den richtigen Blick für die menschliche Gestalt, für die elastisch federnde wie die ruhig gleitende Bewegung, die alle Reize des Körpers akzentuiert. Sie berauschen sich am vollendeten Schreiten, Laufen, Springen, Drehen. Mit welchem Enthusiasmus etwa Joffrey das Spiel von Trinette Singleton und Dermot Burke in dem (im ganzen eher latschig überladenen) „Mixed-media“-Ballett „Astarte“ auskostet, überrascht immer wieder. Das Liebesabenteuer der beiden, durch Farbfllmeinblendungen auf beweglichen Segeltuchwölbungen, über dem Publikum rotierende Scheinwerfer und Crome Syrcus' Rock-Music intensiviert, nehmen orgiastischen Charakter an, werden zum psychedelischen Inferno; der werbende junge Mann findet sich in den bald eisigen, bald glühenden Umschlingungen der Mond- und Liebesgöttin Astarte verstrickt. Sozusagen „Firmenschild“ der Gruppe, ist dieses Werk dennoch nicht ihr stärkstes, da zu sehr auf Hippie-Geschmack abgestimmt und zu modisch.

Glänzender Tribut an die Schönheit klassisch-ebenmäßigen, wohlproportionierten Tanzes: „Olympics“ (Musik: Toshiro Mayuzumi, Bühnendekors: Ming Cho Lee) in Gerald Arpinos rasanter Gestaltung. Sportlich-kultisches Olympionikenrondo in US-Perfektion, in einer Welt angesiedelt, in der nur noch Schönheit, vollendete Ästhetik, rhythmische Ausgeglichenheit zählen. Luis Fuente tanzte (überragende Leistung des ersten Abends) die peitschenden Fouettes und Pirouetten des Fackelträgers. In der ihm und den beiden Solistinnen Erika Goodman und

Susan Magno dedizierten „Fanjariia“ (Choreographie: Arpino, lateinamerikanische Musik: Ruperto Chapi) wies er sich überdies als souveräner Interpret einer ungewöhnlich schwierigen Paraphrase auf den Nationaltanz im klassischen Ballett aus. Aus dem Geist idealer Bewegungs-

proportionen geschaffen ist Jerome Robbins Studie „Moves“, ohne Musik, ganz nach innen gerichteter Tanzkommentar zum Thema „menschliche Beziehungen“. Fünf Nummern lang wird da in steno-grammatischer Form vorexerziert, in welche Bezirke konzentriertester Aussage der Tanz vorstoßen kann, wenn man ihn von allem befreit, was die Assoziationen des Zuschauers von ihm ablenkt.

Höhepunkt der Gastspielserie überhaupt waren „The Clowns“, Arpinos berühmtestes Ballett zur donnernden Geräuschorgie Hershy Kays. Es zählt wohl zu den stärksten choreographischen Leistungen des modernen amerikanischen Balletts, wie hier das Erwecken von Instinkten und Gefühlen für Bewegung und Rhythmus in starren Puppen dargestellt wird, wie diese Puppen sich vermenschlichen und schließlich ihren Schöpfer in einem immer weiter aufquellenden Plastikgefängnis töten wollen, dabei aber selbst zugrunde gehen. Pantomime und kabarettistische Elemente werden hier mit akrobatischen Leistungen verflochten, das Requisit spielt entscheidend mit, wird zum Träger der quirligen, bald urkomödiantischen, bald seltsam drohenden Szenen, in denen scheinbar harmlose Wesen einander mitleidlos malträtieren. Außerdem sah man Arpinos entzückende klassische Show „Pas des Deesses“, die Begegnung der kapriziösen Primaballerinen des 19. Jahrhunderts, sein spanniungsgeladenes abstraktes Handlungsbadiett „Ani-mus“ und seine anmutig verspielten Etüden „Viva Vivaldi!“ und „Cello Concerto“, zwei besonders schöne, ruhig fließende Tanzspiele, in denen er dem klassischen Nummernballett seine Reverenz erweist. Resümee: Es war wohl die interessanteste, in informativer Hinsicht wichtigste'Begegnung dieses Tanzfestivals. Mari kann nur'nbffeh.'ääB die Wiener Ballettensembles und Choreographen davon profitieren. Und man konnte sich nirgends so amüsieren, wie man auch selten so vollendetes tänzerisches Ebenmaß in diesen vier Wochen sah.

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