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Bregenz: Spiel auf dem See

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Zum zehnten Male haben heuer die Bregenzer Festspiele am und auf dem Bodensee die ständig wachsende Schar ihrer Bewunderer zu sich gerufen. Mit Recht. Denn in diesem Dezennium sind sie in dem reichhaltigen österreichischen Festspielkalender zu einem festumrissenen Begriff geworden. Die 63.000 Besucher des Vorjahres waren ein beredter Beweis dafür. Mit dem „Spiel auf dem See“ wurde dieser beschwingten und wahrlich nicht provinziellen Sommerredoute künstlerischen Schaffens aus der naturgegebenen Verschmelzung von Landschaft und Kunst ein Mittelpunkt geschenkt, den sie mit keiner anderen Veranstaltung gemein hat und der sie immer wieder anziehend macht.

Besonders deutlich wurde dies bei der jetzigen Jubiläumsaufführung der komischen Oper „Eine Nacht in Venedig“ von Johann Strauß. Der zauberhafte Rahmen in seiner einzigartigen Mischung von See, Wald und Berg überdeckte mit seiner illusionierenden Atmosphäre alle Schwächen, die diesem Werk des Walzerkönigs vom Libretto her anhaften. Regie und Bühnenbild, von Burgtheaterdirektor Dr. Adolf Rott und Professor Walter Hößlin gestaltet, taten ein übriges, um den mitreißenden Eindruck einer wirklichen venezianischen Karnevalsnacht, erfüllt von prickelndem Uebermut, zu vollenden. Helge Rosvaenge als Herzog von Urbino wurde zum Beispiel ein Auftritt geschenkt, wie ihn in dieser grandiosen Manier ein Schauspieler und Sänger nicht oft in seiner Laufbahn erhält. Aus dem Dunkel der Nacht und der unergründlichen Weite des Sees glitt, magisch beleuchtet und von buntschillernden Feuerwerksraketen überstrahlt, ein altertümliches Segelschiff heran, auf dessen Kommandobrücke er sein Auftrittslied erschallen lassen konnte. Bewundernswert bei der enormen räumlichen Ausdehnung dieser Seebühne über Hunderte von Metern bleibt immer wieder die Leistung des musikalischen Leiters, Professor Anton Paulik, der trotz der weit voneinander getrennten Schauplätze mit Können und Routine Sänger, Chor und das Orchester der Wiener Symphoniker straff zusammenhält. Die Ueberraschung der diesjährigen Seeaufführungen bot die junge Sopranistin Friederike Sailer vom Staatstheater Stuttgart, die in der Premiere mit wohlklingendem Timbre die Partie der Barbara gesungen hatte und dann im Laufe weniger Stunden von der gesundheitlich leider angegriffenen Wilma Lipp die Hauptrolle des Fischermädchens Annina übernahm, wobei sie in Stimme und Spiel wirklich zu überzeugen wußte.

Zweiter Schwerpunkt des Bregenzer Festspielprogramms sind seit jeher seine tänzerischen Darbietungen, die diesmal vom Ballett der Städtischen Oper Berlin mit „Abtaxas“ von Werner E g k getragen wurden. Viele Besucher vermochten zwar zu dieser auch in Wien gezeigten Ballettoper keine rechte Beziehung zu finden, sie wuchs jedoch in der wirbelnden Choreographie der Französin Janine Charrat und der überaus exakten Durchführung der von Ballettmeister Gustav Blank einstudierten Tänzerinnen und Tänzer zu einer aufwühlenden Auseinandersetzung zwischen Körper und Geist heran. Die vor allem von Tatjana Gsovsky in Berlin gepflegte Synthese des modernen Tanzes aus der künstlerischen Improvisation des Ausdruckstanzes und der Gebundenheit des klassischen Spitzentanzes erwies hier seine Berechtigung. Lieselotte Köster als dämonisch-sinnliche Archisposa, Jockel Stahl, der von Leidenschaften zerrissene Faust, Friedel Herfurth als empfindunes-reiche Margarete und Ingeborg Höhnisch in der Maske der verführerisch-schönen Hexe Bellastriga waren seine hervorragenden solistischen Interpreten, denen das übrige Ensemble den kongruenten Rahmen schuf.

Die Burgtheatergastspiele, heuer mit

„Kabale und Liebe“ und „Bauer als Millionär“ in den Inszenierungen von Dr. Adolf Rott, denen nun auch mit dem neugebauten Theater am Kornmarkt eine würdigere Pflegestätte gegeben wurde, haben sich als weitere Zugkraft erwiesen. Die Konzerte der Wiener Symphoniker — ebenfalls seit einem Jahrzehnt das „Hausorchester“ der Bregenzer Festspiele — vermittelten unter Dr. Karl Böhm und Volkmar Andreae mit Werken von Beethoven, Brahms, Bruckner, Boccherini und Wagner einen vielbeachteten Eindruck wienerischer Musikkultur.

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