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Bregenzer Festspiele

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Die achten Bregenzer Festspiele waren eine, würdige Fortsetzung ihrer. Vorgänger. Immer wieder gelingt es, die Möglichkeiten, welche Bodensee und .Pfänder bieten, richtig auszuschöpfen.- Adolf Rott als Regisseur und Walter Hößlein als Bühnenbildner haben die riesige Naturbühne, die bei den Lichtern von Lindau beginnt und über den Horizont . des Sees bis zu den Leuchtfeuern am Pfänder reicht, mit großem Geschick in ihren. Dienst gezwungen. . • , ,

Ob die “Wahl von Suppes. „Boccacci o“ besonders glücklich war,, darüber läßt sich streiten. Dem Vernehmen nach ist. für. nächstes Jahr die Wahl auf eine .Operette von größerer musikalischer Durchschlagskraft und szenischer .Tragweite, gefallen. Beim „Boccaccio“ brachte die neue Bearbeitung durch Friedrich Schreyvogel und Adolf Rott sowie die musikalische Einrichtung durch' Anton Paulik und Rudolf Kattnigg gegenüber der ursprünglichen Fassung wertvolle Bereicherungen. Auch eine Operette darf nicht mit so anspruchslosen Mitteln arbeiten wie vor 75 Jahren. Manche Suppe-Melodie, als Einzellied komponiert oder ursprünglich einem anderen Theaterstück einverleibt, fand im Bregenzer „Boccaccio“ fröhliche Urständ. Dazu kamen noch die herrlichen Einlagen des Staatsopernballetts unter Führung von Professor Erika Hanka. Von den Solisten seien hier bloß Hans Beirer in der Titelrolle und Esther Rethy als Fiametta erwähnt. Das Ensemble, das aus den verschiedensten Himmelsrichtungen kam, spielte sich gut zusammen. Irgendeine Konkurrenz zwischen den „alten“ Festspielkräften und neugewonnenen Künstlern fühlt man in Bregenz nicht, Beweis, daß sich bereits eine Ortstradition herausgebildet hat. Landschaft und Regiekunst taten das ihre, um den „Boccaccio“ zu einem Erlebnis für 50.000 Menschen werden zu lassen. Und dennoch: auch dieser Rahmen verträgt einen stärkeren Inhalt.

Das große Erlebnis für die Gäste aus dem ganzen deutschen Sprachraum und über seine Westgrenze hinaus war der „Fiese o“ des Burgtheaters. Man mußte nur die Kraftwagen auf dem Parkplatz sehen — da fand man die Zeichen aller österreichischer Bundesländer und sämtlicher Staaten der Deutschen Bundesrepublik, aber auch der Schweizer Kantone, Südtirols, des Elsaß' und Luxemburgs und ahnte etwas davon, daß eine Kulturgemeinschaft durch keinen Grenzpfahl unterbrochen' wird. Die Wahl des Stückes war sehr glücklich: das Drama der Revolution und die Tragödie des Revolutionärs, die wir in den letzten vier Jahrzehnten so häufig in der Wirklichkeit erlebt haben. Raoul Aslan als Andreas Doria, Albin Skoda als Fiesco, Ewald Baiser als Verrina und, ja nicht zu vergessen, Heinz Moog als Mohr boten Spitzenleistungen, die von einem Publikum, das aus vielen Ländern kam, niemals vergessen werden. Höchsten Lobes sind auch Hilde Mikulicz und Lilly Stepanek in den weiblichen Hauptrollen würdig.

Das WienerStaatsopernballett glänzte nicht nur im Rahmen der Seeaufführungen, sondern auch mit vier eigenen. Abenden und brachte den Ruhm der Wiener Tanzkunst an die Gestade des Bodensees.

Die beiden Orchesterkonzerte der Wiener Symphoniker, einmal dirigiert von Clemens Krauß, das andere Mal von Volkmar Andreae, die glanzvolle Strauß-Matinee unter Julius Patzak, das Konzert des Barylli-Quartetts, die Serenade des Vorarlberger Funkorchesters unter Hans Moltkau, der Vorarlberger Komponistenabend, das Chorkonzert des Amsterdamer Oratoriumchores, das Konzert der Wiener Sängerknaben und die drei großen geistlichen Aufführungen vereinten in glücklichster Weise schwere und leichtere, klassische und moderne Musik und konnten damit buchstäblich jedermann etwas bieten. Nicht nur, daß die Einzelleistungen durchweg auf der Höhe waren, die gesamte Programmsetzung des musikalischen Teiles bewies eine überaus glückliche Hand. Mit Ausnahme von zwei Abenden blieben die Vorarlberger Künstler bescheiden im Hintergrunde; die Bregenzer Festspiele sollen gesamtösterreichisches Kunstschaffen an den Besucherkreis herantragen, der aus ganz Westeuropa über die österreichische Grenze kommt, aber für künstlerische Metropolen weiter im Osten nicht mehr faßbar ist.

Mit Absicht werden für die Bregenzer Festspiele und für die Dornbirner Exportmesse die gleichen Termine gewählt. Nicht nur, um die Teilnehmer an der wirtschaftlichen Großveranstaltung für die künstlerischen Programme zu gewinnen und umgekehrt. Der Sinn liegt tiefer. Dornbirn ist allsommerlich eine riesige Warenbörse für die Kaufleute und Industriellen zwischen dem Eisernen Vorhang und dem Atlantik. Und Bregenz ist die große künstlerische Plattform Oesterreichs im europäischen Westen. Die hier gestellte und so glücklich erfüllte Aufgabe verdient auch in den östlichen Bundesländern und in der Bundeshauptstadt bedankt zu werden.

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