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Bregenzer Festspiele 1952

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Zum 6iebentenmal liegen die Bregenzer Festspiele hinter uns und ermöglichen ein Urteil über den Verlauf und ihre Bedeutung.

Der Vergleich mit Salzburg liegt nahe und wird auch immer wieder gemacht. Er geht natürlich am Wesen der Bregenzer Festspiele völlig vorbei. Bregenz besitzt weder musikalisch noch baugeschichtlich die stolze Tradition der Erzbischofstadt an der Salzach. Daran ändert auch die Tatsache nichts, daß die beiden großen Gestalter von Salzburg, Wolfdietrich und Marcus Sitticus, geborene Vorarlberger waren.

Bregenz ist vor allem bestrebt, die Natur in den Rahmen der Festspiele einzuschließen. Sie sind näher der Erde — hier vielleicht besser gesagt: näher dem See —, als dies in Salzburg möglich ist. Al6 kürzlich der Gesandte Kanadas Bregenz besuchte, versicherte er dem Schreiber dieser Zeilen, es gebe in seinem großen Heimatlande mächtigere Seen als den Bodensee und höhere Berge al6 in .Vorarlberg, einen Pfänder aber unmittelbar an einem See gebe es in Kanada nicht. Diese Erkenntnis war auch im Jahre 1946 den Initiatoren der Festspiele geläufig. Sie haben das in ihren Schoß gelegte Pfund genützt.

Wo ist die Zeit hin, da die Schweizer in ganzen Ketten von Sonderzügen kamen, weil man um einen Franken Eintrittskarte und Abendessen erhielt? Daß die Bregenzer Festspiele auch in Zeiten stabiler Währung und eines gewissen Preisausgleiches zwischen Österreich, dem deutschen Nachbarlande und der Schweiz bestehen können, nicht nur das, daß sie ausverkauft waren, beweist, daß es sich um weit mehr handelte als um eine Spekulation auf Schillingbaisse. Sie gehen ohne jeden Krückstock. Daß die Tribüne heuer zum erstenmal auf einem künstlich aufgeschütteten Hügel stabil steht, ist symbolisch.

Im Mittelpunkt der Bregenzer Festspiele wird immer das Spiel auf dem See 6ein. Es ist klar, daß dieses Spiel auf dem See optisch und regietechnisch unbegrenzte Möglichkeiten zuläßt, nach der Richtung des künstlerischen Niveaus aber gewisse Grenzen findet. Die Handlung muß leicht verständlich sein und darf keine großen Probleme aufgeben. Es ist darum wei6e Selbstbeschränkung, wenn die Wahl auf eine Spieloper oder Operette fällt und nun der Bühnenbildner nach Herzenslust walten darf. „Der Vogelhändler“ mit seinen singenden Tirolern und der Möglichkeit, barocke Farbenpracht auf den nächtlichen See zu zaubern, war gerade das Richtige. Die Solisten waren voll am Platz, die Wiener Symphoniker und das Ballett ausgezeichnet.

Aber auch das gesprochene Wort und die ernste Muse kamen nicht zu kurz. Im „Othello übertraf da6 Wiener Burgtheater sich selbst. Wiener Sommergäste versicherten, sie hätten Othello und Jago noch nicht in solcher gerade zu übermenschlicher Gestaltung gesehen. Interessante Vergleichsmöglichkeiten bot das Bayrische Staatsschauspiel München im „Misanthrop". Es war das erstemal seit 1945, daß ein deutsches Ensemble geschlossen in Österreich auftrat.

Eine grandiose Aufführung von Beethovens III. und IV. Symphonie boten die Wiener Symphoniker unter Eugen Jochum. Auch ein zweites Orchesterkonzert, eine Matinee der Wiener Symphoniker, eine Serenade des Großen Vorarlberger. Funkorchsters auf dem stimmungsvollen Martinplatz, Konzerte des Barylli-Quartetts und der Wiener Sängerknaben sowie der Tanz von Harald Kreutzberg waren voll auf der Höhe. Endlich kamen Freunde der Operette und de6 Tanzes bei „Wiener Blut“ auf ihre Rechnung. Der Abend Vorarlberger Dichtung und Musik machte mit den literarischen und musikalischen Schöpferpersönlichkeiten des Landes bekannt. Auch die bildende Kunst kam zu ihrem Recht. In Bregenz stellte die Albertina aus dem unermeßlichen Reichtum ihrer Schätze aus, während Vorarlberger Künstler in Feldkirch eine Ausstellung veranstalteten. Das Interesse des Publikums für die Bregenzer Fe6t6piele und die Veranstaltungen an ihrem Rande war erfreulich groß. Man sah wieder, daß auch Menschen künstlerisch aufnahmefähig sind, von denen ein Teil sicher zunächst als Ferienreisende oder als Besucher der Dorn- birner Messe gekommen war.

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