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Kulturzentrum im Westen

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Mit dem zunehmenden Einfluß der Massenmedien und der Entwicklung der Verkehrsmittel, kurz gesagt mit dem Kleinerwerden der Welt, verschwimmen immer mehr die kulturellen Gegensätze zwischen „Metropole“ und „Provinz“. Die „Provinz“ wird anspruchsvoller, sie wehrt sich gegen ein geographisches Kulturgefälle und will teilhaben an den Möglichkeiten der Großstadt. Dies bedeutet eine erhöhte Verpflichtung für die Kulturträger der von einem großen Kulturzentrum weiter entfernten Gebiete, insbesondere für die Landeshauptstadt Bregenz.

Für Österreichs westlichstes Bundesland, Vorarlberg, und seine Landeshauptstadt Bregenz ergibt sich daher folgendes Bild: Die Bundeshauptstadt Österreichs, Wien, und die nächsten großen ausländischen Kulturzentren München, Stuttgart und Zürich sind zu weit entfernt, um als ständige Kulturträger wirken zu können, aber doch nahe genug, um bei gelegentlichen Fahrten und toicht zuletzt durch die Massenmedien als Maßstäbe zu dienen und daher die kulturellen Ansprüche steigen zu lassen. Der Landeshauptstadt Bregenz, einer kleinen Stadt von nur 23.000 Einwohnern, kommt daher die Aufgabe zu, einem Bundesland von 260.000 Einwohnern ein auf höherem Niveau stehendes Kulturleben zu ermöglichen. Dazu kommt noch die Verpflichtung als österreichisches Tor zu Deutschland und der Schweiz im Rahmen der Kulturgemeinschaft des Bodenseeraumes und die Verpflichtung als Fremdenverkehrsstadt. Nach einer kürzlich in Deutschland durchgeführten Ermittlung, bei der die Ausgaben für Kulturbelange in ihrem Verhältnis zur Einwohnerzahl dargestellt wurden, steht Bregenz von allen Bodenseestädten mit einem jährlichen Pro- Kopf-Aufwand von 33 DM an der Spitze, wobei dazu 16 DM allein auf die Subvention der Bregenzer Festspiele fallen.

Im vielfältigen Tätigkeitsbereich der Kulturarbeit der Landeshauptstadt Bregenz liegen die Schwerpunkte auf dem Konzert- und Theaterwesen, auf der Förderung zeitgenössischer Kunst und auf dem Ausstellu’ngs- wesen. Dazu kommen unterstützende Aufgaben wie etwa die schon erwähnte Förderung der Bregenzer Festspiele oder die Unterstüt zung der Volkshochschularbeit. Auf dem Sektor des Theaterwesens kommt Bregenz die Aufgabe zu, erstens dem das ganze Land bespielenden „Theater für Vorarlberg“ Heimstätte und finanziellen Rückhalt zu bieten und zweitens durch qualitätvolle Gastspiele den gesteigerten Erwartungen des Publikums zu genügen. Bei der Gestaltung des Gastspielprogramms geht daher die Tendenz dahin, über die üblichen Tournee-Theater-Verpflichtungen hinaus mit großen Bühnen direkt in Kontakt zu treten und interessante Stücke in guter Besetzung zu gewinnen, oder Tourneegastspiele in Bregenz proben zu lassen, um damit Erstaufführungen zu erhalten. Als schöner Erfolg ist zu erwarten, daß in der Bevölkerung die Aufnahmebereitschaft auch für moderne, schwierige Stücke wächst, die meistens durch Einführungsvorträge dem Publikum nahegebracht werden, daß also die Bemühung, das Theater mehr sein zu lassen als bloße AbendunterhaitUng, Früchte trägt.

Die Aufgaben auf dem Konzertsektor umfassen sowohl die Förderung heimischer Kräfte, deinen die Möglichkeit geboten wird, regelmäßig vor ein breiteres Publikum zu treten, als auch die Verpflichtung großer internationaler Orchester und Solisten. Ein bedeutendes kulturelles Abkommen wurde auf diesem Gebiet mit Wien getroffen. Jedes Jahr einmal gastieren abwechselnd die Wiener Philharmoniker und die Wiener Symphoniker in Bregenz, ein Ereignis, das auch im benachbarten Ausland große Beachtung findet.

Ein großes Anliegen ist der Landeshauptstadt Bregenz auch die Förderung des gegenwärtigen Kunstschaffens. Einmal wurde dies dokumentiert durch die Schaffung des Hugo- von-Montfort-Preises, der in regelmäßigen Abständen für jeweils bestimmte Gebiete zeitgenössischer Kunst international ausgeschrieben wird und Preisträger und Juroren in besonderer Weise mit Bregenz verbindet. Weiters wird die Empfehlung des Bundesministeriums für Unterricht und der Vorarlberger Landesregierung, bei öffentlichen Bauten 2 Prozent der Bausumme für Kunstzwecke auszugeben, streng befolgt.

Einen besonderen Ruf, auch im Ausland, konnte sich Brege’nz in den vergangenen Jah ren durch seine repräsentative Sommerausstellung schaffen. Auch auf diesem Gebiet wurde nun ein kulturelles Abkommen mit der Bundeshauptstadt Wien getroffen. Die gegenwärtig in Bregenz veranstaltete Ausstellung „Angelika Kauffmann und ihre Zeitgenossen“ wird anschließend in Wien gezeigt werden, dafür übernimmt Bregenz im nächsten Sommer die Ausstellung „Sezessionismus und Jugendstil“ von Wien.

Die heurige, der großen Vorarlberger Malerin Angelika Kauffmann gewidmete Ausstellung, die vom 23. Juli bis 13. Oktober 1963 im Vorarlberger Landesmuseum gezeigt wird, stellt den Höhepunkt der bisherigen Bregenzer Ausstellungen dar. Aus 21 europäischen Ländern und den Vereinigten Staaten sind über 300 Leihgaben an Ölbildern, Skizzen, Graphiken, Skulpturen und kunstgewerblichen Gegenständen aus der Epöehe des Über- ;ga es;vbm Rokoko in den Klassizismus in Bregenz vertretet. Unter den Leihgebern befinden sich so bekannte Museen wie der Louvre Paris, die Uffizien Florenz, der Prado Madrid, die Eremitage Leningrad und das Metropolitan-Museum New York. Im Mittelpunkt der Ausstellung steht Angelika Kauffmann (1741 bis 1807), die durch ihre langen Auslandsaufenthalte mit nahezu allen wichtigen Künstlern in persönlicher oder stilistischer Beziehung stand und darüber hinaus durch ihre Bekanntschaft mit Winckelmann, iKlopstock, Herder und Goethe auch geistesgeschichtlich große Bedeutung hatte. Neben der Vorarlberger Künstlerin sind auf der Ausstellung unter anderem ihre bedeutendsten Zeitgenossen Pompeo Batoni, Antonio Canova, J. A. Carstens, Jaques David, Jean-Honore Fragonard, Heinrich Füssli, Thomas Gains- borough, Johann Wolfgang Goethe, Anton Raphael Mengs, Joshua Reynolds und Bertel Thorwaldsen vertreten.

Die Richtigkeit der Bregenzer Kulturbemühungen beweist das weit über die Grenzen des Landes Vorarlberg hinausgehende positive Echo in der Bevölkerung. Auf dem ein- geschlageneh Weg weiterzugehen, ist daher eine Verpflichtung, der nachzukommen die Landeshauptstadt Bregenz stets bemüht sein wird.

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