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Lebendiges Tirol

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Drei gleichzeitige Veranstaltungen geben zur Zeit einen Einblick in das sehr rege und vielseitige Schaffen der b i 1-dendenKunstim heutigen Tirol, zwei davon in der Bundeshauptstadt: die mehr graphisch und ausgesprochen modern gerichtete Schau „Maler aus Tirol“ in der Galerie Würthle, die anfangs des Monats eröffnet wurde, und die große Tiroler Kunstausstellung im ganzen ersten Stock des Künstlerhauses, die im Rahmen der Frühausstellung der Gesellschaft der bildenden Künstler Wiens in diesen Tagen eröffnet wird. Dazu noch die seit Mitte Februar in den neuen Sälen des Tiroler Landesmuseums Ferdinandeum in Innsbruck laufende große Kollektivschau Max Weilers, der wohl heute unstreitig der meistbeachtete unter den nicht wenigen Vertretern des neuen, stark akzentuierten Kunstschaffens in Tirol ist.

Es ist, als ob Tirols junge Kunst durch eine besondere Kraftanstrengung, durch einen gemeinsamen Anlauf jetzt eine gewisse Erstarrung durchbrochen hätte, die seit der überragenden Erscheinung Egger-Lienz' in diesem Land noch nachgewirkt hat in den Jahrzehnten, in denen etwa in Kärnten die neue österreichische Malerei, besonders siegreich in der Farbe, schon aufgeleuchtet hatte. Damit trifft zusammen, daß die Tiroler Künstler in diesem Jahre ihr langersehntes Ausstellungshaus erhalten — zwar räumlich bescheiden begrenzt, aber vornehm und neuzeitlich, im schönsten Teil des Innsbrucker Hofgartens. Hier wird nun eine Schau die andere ablösen und die Künstler der verschiedenen Richtungen und Generationen werden ihre Eigenart in geschlossenen Kollektiven herausstellen und mit der Öffentlichkeit in einen ganz neuen Kontakt treten können, was gewiß zur lebendigen Entfaltung der Kunst Tirols viel beitragen wird.

Ein neues Arbeitsgebiet ist den bildenden Künstlern Tirols seit zwei Jahren durch den Beschluß der Landesregierung eröffnet worden, einen bestimmten Prozentsatz der Bausummen bei Neu- und Umbauten der künstlerischen Ausschmückung zu widmen. Die Maßnahme wirkt sich günstig aus, nicht nur für die Beschäftigung förderungswürdiger Künstler, sondern auch für die Entwicklung neuer zeitgemäßer Lösungen in der Fresko- und Sgraffitotechnik; zahlreiche öffentliche Gebäude, namentlich Schulen, haben im letzten Jahre solch neuen Schmuck erhalten, und Bezirke und Gemeinden wetteifern im Interesse für diese Aufgabe und holen sich Rat für die Auswahl von Künstlern und Entwürfen bei den zuständigen Stellen.

Die D i c h t u n g Tirols zeigt sich in dieser Zeit gleichfalls reich gesegnet und von lebendiger Fruchtbarkeit; zweifach bei der ersten Vergebung der österreichischen Staatspreise bedacht, hat Tirol auch auf diesem Gebiete soeben erst die Anerkennung ganz Österreichs erfahren. Das weltweite und zeitaufgeschlossene Jahrbuch „Wort im Gebirge“, dessen dritter Band in diesen Wochen erscheint, breitet eine Auslese des neuen dichterischen Schaffens Tirols alljährlich aus, neben berühmten und anerkannten Namen in gleicher Weise dem Schaffen neuer Talente den Weg bahnend.

Es wäre eine verlockende Aufgabe, auch das musikalische Schaffen des heutigen Tirol durch Aufführungen in der Bundeshauptstadt in breiteren Auschnit-ten bekanntzumachen, als dies bisher durch vereinzelte dankenswerte Rundfunksendungen und kirchenmusikalische Darbietungen möglich “war. DuTch die Komponisten K. Senn. K. Koch und J. Gasser ist die Nachfolge der musikalischen Spätromantik in Profan- und Kirchenmusik auf hoher Stufe gepflegt und fortgeführt worden. Die vielseitigen Werke dieser noch rüstig schaffenden Tondichter sind sehr anspruchsvoll und stellen sich wohl in die Reihe des besten zeitgenössischen Musikschaffens in Österreich; mehr auf das Volkstümliche gerichtet, treten J. E. Ploner und A. Kanetschneider dazu. Aber auch die moderne Kompositionsweise ist in Tirol durch den noch jüngeren hochbegabten E. Berlande, das jüngste Schaffen durch den auch das Orffsche Schulwerk pflegenden P. Zwetkoff und den Chormeister E. Breit vertreten. Alle Genannten kommen wohl in Innsbruck durch fallweise vom Kulturreferat der Landesregierung veranstaltete Tiroler Komponistenabende oder im Rahmen der Jugendkulturtage des Jugendreferats zu Worte, wir möchten aber wünschen, daß sie durch ähnliche Veranstaltungen auch in Wien oder durch den Rundfunk in ganz Österreich bekannt würden.

Mit Recht erhoben sich wiederholt — gerade auch in der „Österreichischen Furche“ — mahnende Stimmen, die österreichische Forschungs- und wissenschaftliche Publikationstätigkeit gegenüber anderen Kulturzweigen nicht zurückzusetzen und insbesondere bei der Verteilung des Kulturgroschens auch auf diese wichtigen Aufgaben bedacht zu sein. Tirol ließ es sich, wie auch einzelne andere Bundesländer, in diesen Jahren angelegen sein, aus eigenen, freilich begrenzten Kräften, in dankenswerter Weise unterstützt von den zentralen Stellen in Wien, auch die wissenschaftliche Forschung zu fördern, insbesondere auf landeskundlichem Gebiete. Die frühgeschichtlichen Ausgrabungen auf dem Lavanter Hügel in Osttirol (Prof. Miltner), auf der Hohen Birga am Innsbrucker Mittelgebirge (Prof. Frfinz und Dozent Menghin), die großzügige Wiederaufnahme der Freilegung vnn Arguntum bei Dölsach (Prof. Miltner), die planmäßige Erforschung des bronzerr'i-lichen Bergbaus in den Kitzbüheler Alpen (Prof. Pittioni), ferner eine Reihe wissenschaftlicher Drucklegungen zur Landesgeschichte und Landeskunde seien als Beispiele der regen Arbeit Tirols auch auf diesem Gebiete genannt.

Das Tiroler Landesmuseum, dessen Wirksamkeit im Brennpunkt des kulturellen Lebens im Lande steht, wird im Sommer dieses Jahres in seinem wiederaufgebauten Hause seine gesamten Schausäle in neuer zeitgemäßer Aufstellung eröffnen. Für den Herbst bereitet es eine große Egger-Lienz-Gedächtnisschau zum 25. Todesjahr des großen Tiroler Künstlers vor.

So ist ein Land, das noch keine „Festspiele“ nach dem Muster anderer Plätze aufweist, im Zusammenwirken aller lebendigen Kräfte bestrebt, sein kulturelles Antlitz neu zu formen und mit gesammelter geistiger Kraft, unter Wahrung der traditionellen Werte, der neuen Epoche entgegenzugehen, in welche die Länder des alten Europa einzutreten im Begriffe stehen. Die Rolle, die anderwärts städtische Festspiele innehaben, ist im „Land im Gebirge“ den volkskulturellen Kräften (Volksmusik, Volksspiele, Volkstrachten) zugedacht und es wird in diesem Sommer in größerem Rahmen ein Anfang dazu gemacht werden.

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