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Von der Ehre und Freiheit unserer Alpenländer

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Südlich von Innsbruck, am Hang des Plumesköpfls, fast ganz eingebettet vom Wiesen- und Waldgelände, liegt ein Einzelhof. Hier lebt und schafft der Innsbrucker Universitätsprofessor Dr. Hermann Vopfaer in Stille und Zurückgezogenheit. Seine geliebtea Berge und eine idyllische Ländlichkeit umgeben ihn. In diesem Landsitz seiner Vorfahren hat er die meisten seiner großen Werke abgeschlossen. Hier hofft er, auch die letzte und schwerste Ernte einzubringen, die ihm in rund 50 Jahren unentwegten Forschem herangereift ist.

Das durchgeistigte Gesicht und die stattliche, vornehme Erscheinung 'Hermann Wopfners verraten den Gelehrten und den Alpinisten zugleich. Vor allem den Tiroler. Bis in“ den Anfang der Neuzeit lassen' sich die Wopfners zurückführen. Hermann Wopfners ge-radlLnign Vorfahren waren jahrhundertelang zwischen Hall und Schwaz ansässig, bis einer zum Kaufmannsberuf in Innsbruck fiberging. Hermann Wopfners Vater hatte ein angesehenes Tuchwarengeschäft der Altstadt inne. Hier kam Hermann Wopf-ner am 21. Mai 1876 zur Welt, hier wuchs er auf. In der väterlichen Familie hörte er gerne von den Tiroler Jahren 1797 und 1809 erzählen; denn seine Urgroßeltern hatten dabei ihren Mann gestellt und eine seiner Urgroßmütter sich als schneidiges Mädel erwiesen. So gab das Elternhaus ihm den festen Sinn für das Heimatliche und Historische mit ins Leben. In der Volksschule fand er in Konrad Fischnaler einen Lehrer, der sich selber zum Heimatforscher emporarbeitete, im Gymnasium in Josef Zösmair einen Geschichtsprofessor, der ihn schon vielfältig anregte.

In Hermann Wopfners Studienzeit nahm die Alpinistik mächtigen Aufschwung. Als Hochschüler trat er einer akademisch-alpine' Vereinigung bei, die von ihrer Gründung her auf die Wertschätzung der Heimatkultur eingestellt war. Wopfners Bergfahrten und Skitouren waren nie auf das Sportliche allein ausgerichtet. Er erwanderte sich vielmehr seinen Heimatbesitz, seine Erkenntnisse vom Bergbauerntum, rqm Höhensiedlungen, von Hausbau und Wirtschaft, von Weltanschauung und Rechtsauffassung, von Sitte und Brauch unserer Bergbevölkerung. Auf diesen Wegen wurd* se' s Einsicht gegenständlich, seine Vorstellung anschaulich, seine Sprache gemeinverständlich und lebenswarm.

Als Hermann Wopfner sich 1894 ab Historiker an der Universität in Innsbruck einschrieb, genoß diese wegen ihrer Geschichtsschreiber Josef Hirn, Emil von Ottenthai und Ludwig von Pastor besonderen Ruf. Auch der Geograph Franz von Wieser wurde sein Lehrer. Pastor lenkte Wopfners Augenmerk auf die große wirtschaftliche, soziale und geistige Umwälzung des Bauernkrieges von 1525 hin. An der Beschäftigung mit dem Tiroler Anführer Michel Gaismayr richtete sich Wopfners Forschung aus. Zur weiteren Fortbildung suchte er die Universitäten Wien und Leipzig auf, hörte hier Oswald Redlich, dort den Wirtschaftshistoriker Karl Lamprecht, den Volkswirtschaftslehrer Bücher und den Verfassungshistoriker Gerhard Seeliger. 1901 trat er als Praktikant in das Tiroler Landesregierungsarchiv ein, 1903 habilitierte er sich für 'österreichische Geschichte, 1908 erhielt er als Nachfolger Hans von Volte-Knis die Innsbrucker Lehrkanzel für österreichische Geschichte mit dem besonderen Lehrauftrag für Wirtschaftsgeschichte. 1914 wurde er Ordinarius. Den Doktor der Rechte holte er sich in Tübingen. Im Jahre 1918 wählte die philosophische Fakultät ihn zu ihrem Dekan, 1928 die Universität zum Rektor. Professor Wopfner blieb seiner Heimatuniversität trotz ehrender und verlockender Angebote treu. Noch heute hält er hier jede Woche seine heimat- und volkskundlichen Übungen ab. ,

Seine ersten Arbeiten beschäftigten sich mit dem Bauernkrieg von 1525. Es ist. eine stattliche Reihe von Werken, die seit seiner Dissertation über den Innsbrucker Landtag von 1525 in den Jahren 1900 bis heute erschienen ist. Sie gehören vornehmlich der Wirtschafts- und Sozialgeschichte, der Siedlungsgeschichte, der Heimat- und Volkskunde der Alpenländer, im beson-

deren Tirols, an und berücksichtigen stet die großen volklichen und staatlichen Zusammenhänge. Für die erste Gruppe sind vor allem die Ausgabe der Beschwerden der Tiroler Bauern von 1525 und die grundlegende Darstellung der Lage Tirols am

Ausgang des Mittelalters zu nennen. Wopfner begnügte sich jedoch nicht mit der Erforschung der geschichtlichen Quellen. Er studierte auf seinen Wanderungen durch die abgelegensten Täler und Siedlungen die Eigenart des Volkes, um dessen Vergangenheit besser verstehen zu lernen and die Überreste des älteren Kulturlebens aufzufangen. Hiebei trieb ihn die Liebe zu Heimat und Volkstum und die Sorge um die* Einheit und Erhaltung Alttirols anProfessor Wopfner war einer der ersten, die auf die großen Gefahren aufmerksam machte, die mit der Losreißung Südtirols für Land, Staat und Volk verbunden waren und bleiben. Von ihm stammt die Denkschrift der Innsbrucker Universität von 1918. Er schrieb die gründlichsten Beiträge zu den Südtiroler Werken von K. von Grab-mayr, K. Bell und anderen. Er ist noch heute immer zur Stelle, wenn es gilt, für die naturgegebenen Rechte und Notwendigkeiten unseres Volkes und Staates einzutreten. Hiebei kamen ihm seine umfassenden siedlungsgeschichtlichen Forschungen sehr zugute. Aus seiner Feder stammen die siedlungsgeschichtlichen Darstellungen des Brennergebietes, von Villgraten und anderen Hochtälern, die eindringlichen Veranschaulichungen des Rückgangs der Höhensiedlungen, etliche Altstraßenforschungen und schließlich eine zusammenfassende Darstellung der Probleme der geschichtlichen Heimatkunde. Die äußeren Verhältnisse und die weitere Ausrichtung seiner wissenschaftlichen Betätigung yeranlaßten Professor Wopfner im Jahre 1920, eine eigene Zeitschrift zur besseren Kenntnis und Wertung des Landes unter dem Titel „Tiroler Heimat“ in Innsbruck zu begründen. Bis zum Jahre 1938 erschienen insgesamt 21 selbständige, zunehmend umfangreichere Hefte.

Damit unternahm er einen weiteren Schritt, von der historischen Heimat-

zur historischen Volkskunde. Im Vordergrund stehen Hausbau, Wirtschaftsführung und Geräte des Bergbauern, sein Kleid, seine Kost, sein religiöses Erleben. Außer in seiner eigenen Zeitschrift veröffentlichte er noch in der Südtiroler Monatsschrift „Der Schiern“, im Jahrbuch des Alpenvereines und vor allem in dem zweibändigen Alpenvereinswerk über Tirol von 1933A bisher die wichtigsten Beiträge zur Entstehung und zum Wesen des tirolischen Volkstums und über die bäuerliche Siedlung und Wirtschaft, Sie haben im besonderen die Sach-

gebiete der Tiroler Volkskunde erschlossen und Vorbildliches für alle Alpenländer geleistet.'

Seit langem bereitet Professor Wopfner eine Bergbauernkunde, eine selbständig erscheinende deutschtirolische Volkskunde, eine Volkskunde der österreichischen' Länder und eine Entwicklungsgeschichte der bayrisch-tirolischen Bauernhausformen vor.

Vor einem Dutzend von Jahren ließ er eine Reihe von Aufsätzen in der „Tiroler Bauernzeitung“ erscheinen, von denen sodann ein Teil unter dem Titel „Von der Ehre und Freiheit des Tiroler Bauernstandes“ ls Buch herauskam, um seine Landsleute auf die Anlagen und Kräfte des eigenen Volkstums, auf die errungenen Rechte und Freiheiten und auf die Schätze der ererbten Kultur hin- und von irreführenden Schlagworten abzulenken. Die politischen Ereignisse der neueren und neuesteh Zeit veranlaßten ihn wiederholt, aus seiner Zurückgezogenheit herauszutreten und seine warnende - Stimme zu erheben. Darin zeigt er seine ganze Anhänglichkeit und Liebe zur Heimat, die väterliche Art, die abgeklärte Güte und Milde, die ihm eine Volkstümlichkeit eigenster Herzlichkeit bei der Bauernbevölkerung ebenso einbrachten wie unter seiner Hörerschaft. Wenn man sein innerstes Streben und Schaffen kennzeichnen wollte dürfte das Wort von der Ehre und Freiheit unserer Alpenländer gegenüber diesem treuejten Sohne am Platte sein.

Schon zur Vollendung seines 60. Lebensjahres überreichten ihm Schüler uiid Freunde als Ehrengabe die Bearbeitung eines Werkes, das der Südtiroler Max Sittich von Wolkenstein vor 340 Jahren als Landesbeschreibung niedergeschrieben hatte. Zur Zeit druckt der österreichische Bundesverlag in Wien eine neue stattliche Festgabe unter dem Titel „Volkskundliches aus Österreich und Südtirol“. Sie umfaßt

16 wissenschaftliche Abhandlungen aus verschiedenen Ländern unseres Staates und eine Übersicht der Veröffentlichungen Hermann Wopfners und eröffnet eine neue Schriftenreihe „Volkskultur in Österreich und Nachbargebieten“ Die Herausgeber glauben, ihr Unternehmen durch eine solche Ehrung kennzeichnen zu sollen, um Professor Hermann Wopfner jene Anhänglichkeit, Wertschätzung und Dankbarkeit zum Ausdruck zu bringen, die ihm Heimat und Volk und darüber hinaus viele Fachleute und Freunde Österreichs zollen, und seinen Gedenktag als Merktag in der österreichischen Geschichte der Volkskunde zu verankern.

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