6712717-1964_28_17.jpg
Digital In Arbeit

Bregenzer Festsommer

Werbung
Werbung
Werbung

In diesen Wodien wird Bregenz, Vorarlbergs Landeshauptstadt, wieder im Mittelpunkt des kulturellen Interesses von In- und Ausland stehen, weil die 19. Bregenzer Festspiele stattfinden. Viele Gäste und alte Freunde werden sich in der kleinen Stadt am Bodensee versammeln. Erfahrungsgemäß kommen von rund eineinhalb Millionen internationalen Gästen, die während des Sommerhalbjahres in den verschiedensten Urlaubsorten rund um den Bodensee logieren, fast die Hälfte nach Bregenz. Sie wollen damit Österreich besuchen und etwas von seiner Lebensart kennenlernen; sie wollen auf den Pfänder fahren, um hier eine herrliche Aussicht über den Bodensee und die Berge zu genießen; sie besuchen die Veranstaltungen der Bregenzer Festspiele oder unsere große Barockausstellung; sie machen wohl auch einen Besuch auf dem Gebhardsberg, um dort festzustellen, daß aus der mehr als 100 Jahre alten Gaststätte ein moderner Restaurationsbetrieb entstehen wird, der trotz Erfüllung technischer Notwendigkeiten in seiner baulichen Gestaltung der Tradition des Ortes und Namens verpflichtet bleibt.

Sie werden bei der Gelegenheit aber auch die Auswirkungen kommunaler Tätigkeit erkennen können, das rege Baugeschehen in der ganzen Stadt, das den Bedürfnissen der Wirtschaft und des täglichen Lebens, dem ständigen Wachstum der Stadt, der Erfüllung sozialer und kultureller Bedürfnisse dient. Dabei finden sie neu entstehende Siedlungen, Schulen und Kirchen, moderne Straßen und andere Tiefbauten. Zu diesen zählt insbesondere ein umfangreiches Kanalisierungsprojekt, das ebenso der städtischen Hygiene wie der Reinhaltung des Bodenseewassers dient. 25 Millionen Schilling kostet allein die im Bau befindliche Großkläranlage im Westen der Stadt. Zu ihr führen neue Kanäle, deren Verlegung im Grundwasser erhebliche Summen kostet. Nachdem schon vor fast 10 Jahren die Stadt durch eine moderne Trinkwasseranlage das kostbare Naß gesichert erhielt, wird nun für den Bodensee gesorgt, daß er zugleich Sport- und Erholungsgebiet, Fischereirevier und Trinkwasserreservoir für die anderen Anrainer bleiben kann, denn allein der Südwestraum Deutschlands entnimmt ihm bei Sipplingen gegenwärtig je Sekunde 2160 Liter und will, neuesten Nachrichten zufolge, diese Menge auf 3000 Liter steigern.

Unsere Gäste werden aber, insbesonders, wenn sie am motorisierten Verkehr teilnehmen, das größte kommunale Problem der Gegenwart verspüren, das schwierige Ver- kehrsprojekt und seine Lösung. Schon in römischer Zeit war Bregenz als Knotenpunkt der Verbindungen von Süden und Westen zum nördlichen Limes bekannt und erscheint in der Tabula Peutingeriana so verzeichnet. Die Gegenwart erkennt hier die Kreuzung der Europastraßen von Wien—München nach Zürich und Genf, von Ulm über den S. Bernardino nach Mailand und der Poebene. Die Landenge zwischen Pfänder und Bodensee bildete seit eh und je einen zu Kriegs- und Friedenszeiten wichtigen Paß, im Krieg entscheidend als Befestigungsanlage, im Frieden wirkend als befruchtender Straßenknoten. Nun muß hier für moderne Verkehrsanlagen Platz geschaffen werden. Wer Bregenz kennt, weiß, welche Schwierigkeiten das verursacht, hat doch schon der Bau der Vorarlbergbahn in der zweiten Hälfte des letzten Jahrhunderts entscheidende Auswirkungen zum Nachteil der heutigen Entwicklung der Stadt mit sich gebracht. Bregenz ist eine durch Geschichte und Lage zum See orientierte Stadt, und eine ungeschickte Führung der Autobahn am See bildet eine Sperrlinie zwischen Stadt und Ufer, wie die bisherigen Planungen beweisen. Städtebauliche, wirtschaftliche und kulturelle Nachteile ergeben sich daraus in einem Maße, daß für das zukünftige Leben der Stadt schwere Sorgen entstehen.

Dem Seeprojekt steht der Vorschlag der Stadtverwaltung, hinter dem mehr als 90 Prozent der Bregenzer Bürger stehen, gegenüber, durch eine Bergtrassenführung oder einen Basistunnel das Seeufer zu schonen und die bisherige Entwicklung der Stadt nicht zu unterbrechen. Es ist möglich, daß eine solche Lösung technisch und finanziell größere Kosten verursacht, doch vertraut man in Bregenz auf die Großzügigkeit der Straßenbauer, wie sie sich in vielen ähnlichen Fällen zur Erhaltung der Landschaft — etwa bei Dürnstein in der Wachau oder bei Hallstatt in Oberösterreich — bewährt hat. Den Stadtvätern von Bregenz ist bei dieser Entscheidung eine schwere Verantwortung aufgeladen.

Sonst ist Bregenz gerüstet zum sommerlichen Festgeschehen. Die Bregenzer Festspielgemeinde hat wieder alle Vorbereitungen getroffen, daß insbesondere die typischen Veranstaltungen auf dem Bodensee, nämlich das nächtliche Spiel und das Ballett auf der großen Raumbühne am See glanzvoll abrollen. Das „Land des Lächelns” wird einmal ostasiatischen Zauber auf den Bodensee bannen. Der Regisseur Wolfgang Liebeneiner und der Bühnenbildner Walter Hoesslin wollen aus der „gelben Jacke” alles für den Bodensee herausholen, und Meister Lehar soll in dieser großen Schau mit seiner Musik Triumphe feiern. Das in Wien erprobte große Tschaikowsky-Ballett „Dornröschen” wird mit Spitzenstars des . Staalsoperxüialletljs. große Kunst mit einem .; gigantischen visuellen Eindrude zu verbinden wissen. Das Burgtheater und die Wiener Symphoniker, längst in Bregenz eiserner Bestand, werden alte Freunde wieder zu ernstem, großem Kunstgenuß erheben und auf diese Weise Besinnung und Freude zugleich vermitteln.

Neben einem Beitrag, den junge Wiener Künstler mit einer Ausstellung „phantastische Malerei” im alten Schloß der Oberstadt vorbereitet haben, eröffnet der Verein Bregenzer Kunstausteilungen seine dritte große Veranstaltung, die dem Thema der „Barockplastik am Bodensee” gewidmet ist. Sie bildet zugleich Abschluß und Höhepunkt des dreijährigen Zyklus, ‘ in dem Archtitektur und Malerei schon behandelt wurden, und wird beweisen, wie reich und hervorragend die Barockplastik am Bodensee gewesen ist. Sie ist aus einem lebendigen Austausch erwachsen, Wechselbeziehungen mit der bayrischen und österreichischen Plastik sind öffensichtlich. Der zeitliche Rahmen umfaßt das 17. und 18. Jahrhundert, reicht vom Manierismus über Barock und Rokoko in den frühen Klassizismus hinein. Neben den hier am Bodensee ansässigen und tätigen Meistern wie Jakob Bendel, Johann Georg Dirr, Joseph Anton Feuchtmayer, Dominikus Hermengild Herberger, Erasmus Kern, Hans Morinck, Christoph Daniel Schenck, Fidel Spohrer, dem Hegenauer und der bedeutenden Familie Zürn finden wir auch Diego Carlonė, Johann Joseph Christian, Joseph Anton Hops, Aegidius und Ignaz Verhelst und Christian Wenzinger sowie die vom Bodensee ausgewanderten Künstler Nikolaus Moll und Matthias Rauchmüller.

Wie - im vergangenen Jahr Joseph Anton Maulbertsch der ungekrönte König der Ausstellung war, wird es heuer der faszinierende Joseph Anton Feuchtmayer sein, dessen Schaffen in diesem Zusammenhang wohl erstmalig umfassend gezeigt wird. Schon in den Vorbereitungen konnten neue Beziehungen zur österreichischen Barockplastik verschiedentlich nachgewiesen werden, und nicht umsonst deutet das Vorwort des Herrn Bundesministers für Unterricht, Dr. Piffl-Percevic, im vornehm ausgestatteten Katalog auf diese Tatsache hin. Die Ausstellungsstücke kommen vor allem aus dem Bodenseegebiet, aber auch aus weiter entfernten Sammlungen Deutschlands, Österreichs, Liechtensteins und der Schweiz, zum Teil sogar aus der CSSR, Frankreich, Italien und aus England. Sie stellen naturgemäß zum Großteil geistliche Themen dar. Die tiefe Ausstrahlung der Ausstellung der vergangenen Jahre läßt erwarten, daß für Wissenschaft und Forschung, aber auch für die Kunstkenntnisse der Besucher wertvolle Anregungen entstehen werden.

So wird der festliche Sommer von Bregenz im Zusammenwirken aller Kräfte aus Stadt und Land wieder eine frohe Einheit schaffen mit den Gästen aus nah und fern und dem Vermittlungsauftrag Österreichs an Bregen neue Erfolge bescheiden.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung