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Bregenz — Modellstadt

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Viele Städte, die bisher mehr oder weniger gut mit einem städtebaulichen „Laissez faire“ ausgekommen sind, stehen heute angesichts technischer, wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Umstrukturierungen an einem Endpunkt ihrer bisherigen Entwicklung und vor der Notwendigkeit einer koordinierten, weit vorausblickenden Stadtplanung. Für Vorarlbergs Landeshauptstadt Bregenz ist eine solche Planung deshalb so dringend, weil den Aufgaben der Stadt als Verwaltungs-, Wirtschafts-, Verkehrs-, Fremdenverkehrs-, Sport- und Kulturzentrum eine sehr begrenzte Nutzungsfläche — bedingt durch die Lage zwischen Bodensee und Pfänder — gegenübersteht. * Wegen der lange ungelösten Frage der Autobahntrassierung im Räume Bregenz war es bis vor kurzem nicht möglich, eine umfassende Planung zu betreiben; jedoch wurden alle notwendigen Vorbereitungen getroffen, so daß nach der endgültigen Festlegung der Trasse die eigentlichen Planungsarbeiten begonnen werden konnten.

Mit der Entwitklungsplanung Bregenz wurden gemeinsam das österreichische Institut für Raumplanung und das schweizerische Unternehmen METRON beauftragt. Dieser Planung einer Arbeitsgemeinschaft steht ein

Planungsbeirat zur Seite, dem Verantwortliche aus Politik, Wirtschaft, Kultur, Technik, Verwaltung und Meinungsbildung, besonders auch Vertreter der jüngeren Generation, angehören, hat die Aufgabe, durch Vorschläge und Kritik eine demokratische Voigangsweise zu gewährleisten. Der Planungsbeirat wird auch nach gründlicher Information und Stellungnahme Empfehlungen ausarbeiten und diese den zuständigen städtischen Ausschüssen und dem Stadtrat vorlegen.

Erster Schritt der Bregenzer Stadtplanung

war eine gründliche Bestandsaufnahme, die unter anderem eine sozio-ökonomlsche Untersuchung und eine Verkehrszählung und -be-fragung in der Stadt und im Raum Bregenz beinhaltete. Die Analyse dieser Untersuchungen Wird derzeit durchgeführt. Gemeinsam mit dem Planungsbeirat arbeitete die ARGE-Planung Bregenz einen Entwurf der allgemeinen Zielsetzungen aus, die der Stadtplanung zugrunde zu legen sind. Dieser Entwurf lautet: Schaffung optimaler Lebans-und Umweltsbedingungen für die Bregenzer Bevölkerung — Schaffung optimaler Entwicklungsbedingungen für die Bregenzer Wirtschaft — Vorsorge für die künftige Entwicklung in der Landeshauptstadt Bregenz

durch Berücksichtigung des sozialen, wirtschaftlichen und technologischen Wandels und der Bildungsbedürfnisse — Wahrung und Ausbau der relativen Stellung in der Region — Einkommens- und Vermögenszunahme und daraus Vermehrung der kommunalen Steuereinnahmen — optimaler Einsatz der öffentlichen Ausgaben — kulturelle Repräsentation des Landes durch Bregenz — Pflege und Weiterentwicklung des landschaftlichen und städtebaulichen Charakters der Landeshauptstadt (Erhaltung und Gestaltung der Innenstadt, Oberstadt, Seeuferzonen und Berghänge) — Ausbau und Nutzung des Freizeitwertes — Sorgfältige Nutzung des verfügbaren Bodens unter Berücksichtigung der Ver-kehrsgunist innerhalb des Stadtgebietes sowie der Region — Förderung der Wirtschaftsent-wicklung und der Investitionstätigkeit — Zusammenarbeit mit Bund, Land und Nachbar-geroainiden sowie innerhalb des Bodenseeraumes — Koordination der öffentlichen und privaten Maßnahmen (Finanz- und Investi-tiohsplan, Flächenwddmungs-, Verkehrs- und Zenitrumsplanung, Öffentlichkeitsarbeit).

Vier Entwicklungsmodelle, die bis zum Ende des Jahres nach den Kriterien Aufwand, Ertrag, Risiko, Flexibilität und Zeit geprüft werden, stehen auf Grund der Vorschläge der ARGE für Bregenz zur Diskussion:

Modell A: Fortsetzung der bisherigen Entwicklung

Modell B: Schwerpunkt Industrie Modell C: Ausbau der Landeshauptstadt Bregenz (Verwaltung, Handel, Dienstleistungen, Wohnen)

Modell D: Intennaitiionales Zentrum (Forschung und Ausbildung, Fremdenverkehr, Kultur, Freizeit, Verwaltung, Handel, Wohnen). In der letzten Sitzung des Plamuntgsbeiirates am 10. Juli 1969 wurden einige diesbezügliche Argumente erörtert. Beim Modell „Schwerpunkt Industrie“ würden sich vor allem die größeren Gewerbesteuereinnahmen positiv auf den Stadthaushalt auswirken. Die Nähe zum EWG-Raum könnte Bregenz attraktiv für Konzerne machen, die an Standorten für Zweigbetriebe in EFTA-Ländern interessiert sind. Für die Modelle „Ausbau der Landeshauptstadt Bregenz“ und „Internationales Zentrum“ spielt vor allem der sehr große Freizeitwert von Bregenz eine Rolle. Für das letztgenannte Modell sprechen dabei unter anderem die zunehmende Bedeutung der natürlichen Umwelt als Standortvorausset-zung für forschungsorientierte Betriebe und das 'Steigende Interesse am Bildungsurlaub im Sinne einer Education Permanente, das eine Verbindung von Fremdenverkehr und Ausbildung gewährleistet. Das höchste Wirtschaftswachstum, das bereits jetzt durch Forschung und Ausbildung ausgelöst wird und eine große Expansion auf diesem Sektor zu erwarten ist, spricht ebenfalls für eine Entwicklungsorientierung dieser Richtung. Bis zum Herbst werden von der ARGE-Planung Bregenz die Zwischenberichte, die unter anderem den Gesamtrabmen, die Ergebnisse der sozäo-ökonomischen und Verkehrsbefragung und die Finianzanalyse enthalten werden, vorgelegt. Noch heuer wird im Planungs-beirat darüber entschieden werden, welches Entwicklungsmodell der Bregenzer Stadtvertretung zur Beschlußfassung empfohlen wird. Damit wird die Landeshauptstadt Bregenz, der als Österreichs westlichem Tor ins Ausland auch gesamtösterreichisch gesehen große Bedeutung als Kultur- und Verkehrszentrum zukommt, in eine entscheidende neue Phase seiner Entwicklung treten.

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