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Kein zweites Fußadi

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„Da hätten wir dem Frachtenbahnhof nde zugestimmt“ erklärte der Wolfurter Bürgermeister, als er davon hörte, daß nun neuerlich an dem Bregenzer Autobahnprobleme gerüttelt wird, das man für bereits entschieden hielt. Im Bautenministerium aber konnte man ironische Stimmen vernehmen, die meinten, „da brauchen wir wenigstens jetzt noch nicht für die Finanzierung Sorge tragen“.

Während nämlich die Autobahn südlich von Bregenz in Richtung Feldkirch Schritt um Schritt wächst, weiß man in der Bodenseestadt, wo man seit Jahren heftigst darüber diskutiert, ob die Seetrasse oder die beidseitig am Fuße des Pfänder geführte Autobahntrasse als Lösung in Frage kommen, noch nichts Genaues. Kaum war der neue Bautenminister, Josef Moser, bisher als Obmann der Mietervereinigung bekannt, ins Gebäude am Stubenring eingezogen, als schon die Vorarlberger SPÖ-Mandatare im Ministerbüro erschienen, um jene Wünsche vorzutragen, mit deren Hilfe man den einstigen ÖVP-Bürgermeister von Bregenz, Dr. Tizian, bei der heimischen Bevölkerung aus dem Sattel gehoben hatte.

Die SPÖ-Mandatare Nationalrat Roman Heinz und Bundesrat Viktor Schwarzmann, die beiden Landtagsabgeordneten Neururer und Falsch-lunger trugen, wie die „Vorarlberger Nachrichten“ schrieben, „ihre Wünsche zum Autobahnbau in Bregenz vor“. Der Bautenminister ließ seine Parteikollegen nicht im Stich und sicherte ihnen zu,

• es werde für die Erstellung des generellen Projektes einer berg-seitigen Alternativtrasse ein Gremium internationaler Fachleute beauftragt werden,

• es würden die statistischen Grundlagen (Verkehrsziffern) überprüft werden, und es würden

• der betroffenen Bevölkerung die Alternativprojekte zur Begutachtung unterbreitet werden. Bautenminister Moser wird wahrscheinlich im Laufe dieses Monats nach Bregenz kommen, um sich über die Vorarlberger Verkehrs- und Wohntoauprobleme persönlich zu informieren.

Moser sprach sich der „Furche“ gegenüber übrigens für eine Inter-nationalisierung des Problems Bregenzer Autobahn aus, er will also jene Projekte, die derzeit zur Lösung der Autobahnfrage im Raum Bregenz bestehen, von einem internationalen Fachgremium nicht nur überprüfen, sondern notfalls auch überarbeiten lassen.

Diesen Fachleutevorschlag auf internationaler Ebene hatte zuvor auch Sektionschef Dipl.-Ing. Dr. Rudels-dorfer vom Bautenministerium Anfang Mai in Bregenz vor Pressevertretern angekündigt. Hatte Dr. Bruno Kreisky im Februar (damals noch nicht Bundeskanzler, sondern Waihlkampfredner) versprochen, im Falle eines sozialistischen Wahlerfolges die Vorarlberger Autobahnfrage neu aufzurollen, so dürfte es jetzt, nachdem die Wahlerfolge der Sozialisten nicht zuletzt durch dieses Problem in Vorarlberg besonders deutlich ausfielen, der SPÖ-Minderhedtsregierung schwerfallen, ihre Versprechungen einzuhalten,

• denn durch ein neues Aufrollen der Bregenzer Autobahn-Frage würde eine wesentliche Verzögerung des Baubeginns auftreten.

• Diese Verzögerung würde zweifellos für das Land Vorarlberg auch eine Schädigung des Fremdenverkehrs bedeuten, denn der Flaschenhals Bregenz würde während der Reisesaison zweifellos auf der schweizerischen Rheintalautobahn — mindestens teilweise — umfahren werden,

• und schließlich darf man, trotz der sozialistischen Wahlerfolge im Bundesland Vorarlberg, vor allem aber bei den Gemeinderatswahlen in Bregenz, nicht vergessen, daß Wol-furt und andere Randgemeinden nur einer Unterflurtrasse zugestimmt haben.

Vor allem die an Bregenz angrenzenden Wolfurter erklären nunmehr, sie hätten dem Bau des Bregenzer Güterbahnhofes nur im Falle einer Unterflurtrasse zugestimmt, denn durch eine Bergtrasse würde das Gemeindegebiet arg zerschnitten werden.

Bautenminister Moser, mit solchen Meinungen aus dem Ländle konfrontiert, erklärte der „Furche“: „Der Frachtenbahnhof bringt den Wolfurtern wesentliche wirtschaftliche und steuerliche Vorteile.“ Optimistisch geben sich auch die „Vorarlberger Nachrichten“, die meinen: „Nach unserer Ansicht sollte es möglich sein, daß zuerst einmal die betroffenen Gemeinden unter sich gemeinsam die gegebenen Vorschläge und Ideen für eine berg-seitige Autobahnführung sichten und diskutieren“.

Für Bregenz und seine Festspiele allerdings dürfte die lange Diskussion langsam zur Katastrophe werden, und darüber spricht auch das Aktionskomitee für die Bergtrasse wenig, denn frühestens in fünf Jahren rechnet man mit der Realisierung einer Autobahnlösung, auch wenn diese noch heuer in der Planung fertiggestellt sein sollte. In drei Jahren aber wird sich der Verkehr verdreifacht haben. Schon heute entsteht an starken Verkehrstagen ein Rückstau bis Lindau einerseits und über Dornbirn hinaus anderseits. Feststeht im Augenblick eigentlich nur, daß die sozialistische Regierung derzeit alles versucht, um sich mit den Vorarlbergern gutzustellen. Ein zweites Fußach soll verhindert werden.

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