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Gemma bodn

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Das Volk von Bregenz soll wählen können — Spiel auf dem Wasser oder baden im Wasser. So kann man es wenigstens einem Flugblatt samt Fragebogen entnehmen, den ein „Mach-mit“-Büro den Bürgern der Ländle-Zentrale ins Haus schickte. — Womit es einen Kulturkampf am Bodensee entfachte.

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Das Volk von Bregenz soll wählen können — Spiel auf dem Wasser oder baden im Wasser. So kann man es wenigstens einem Flugblatt samt Fragebogen entnehmen, den ein „Mach-mit“-Büro den Bürgern der Ländle-Zentrale ins Haus schickte. — Womit es einen Kulturkampf am Bodensee entfachte.

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„Festspielhaus oder Freizeitzentrum — zwei Bregenzer Großprojekte, aber nur eines in den nächsten zehn Jahren erfüllbar“ — diese Frage samt Feststellung soll den Alemannen den rechten Weg ins Wasser weisen, in das sie der Bregenzer Vizebürgermeister Hubert Kinz schicken will; in das Wasser einer Freibad-Hallenbad-Kombination von geschätzten 65 Millionen Schilling Baukosten, die unter der Bezeichnung Freizeitzentrum den seit 19 Jahren geplanten Bau des Bregenzer Festspielhauses wieder einmal um Jahre verzögern soll.

Die „Gemma-bädn“-Aktion der unter der Bezeichnung „Bregenz Team“ getarnten örtlichen FPÖ-Recken um Vize Kinz rief freilich gleich massive Gegenaktionen der Bregenzer Festspieldirektion nach sich, die in einer Erklärung alle Bürgerhoffnungen zunichte machte, durch Kulturverzicht zu öffentlicher Reinwaschungsmöglichkeit zu kommen: „Festspielhaus oder nichts“ lautet hier die Devise, die durch Hinweise auf die durch einen Krankenhausbau geleerte Stadtkasse einerseits und die zu 80 Prozent von Bund und Land gesicherte Finanzierung des 130-Millionen-

Schilling-Festspielhaus-Projektes untermauert wird. Die Musenjünger um Festspieldirektor Ernst Bär mußten gar die schönen Künste vorübergehend beiseite schieben und sich in Rechenexempeln üben, um den badefreudigen Blau(partei)-büchlern nachzuweisen, daß jeder

von den jährlich etwa vier Millionen Schilling städtischer Festspielsubvention den Bregenzern auf dem Umweg der etwa 800.000 Festspielbesucher 4.50 Schilling zurückbringt.

Solcherart hoffen die „Spiel-auf-dem See“-Protagonisten endlich den für heuer geplanten Baubeginn des neuen Festspielhauses samt Kongreßhaus (die Fertigstellung soll 1976 erfolgen) retten zu können, nachdem dies alemannische Starr-köpflgkeit zumindest seit 1956 zu verhindern wußte.

Damals hätte der Bund das Gebäude gar zu 80 Prozent finanziert und überdies auf eigene Rechnung betrieben. Der damalige Vorarlberger Landeshauptmann Ilg konnte der nächtlichen Ruhestörung auf dem See jedoch nichts abgewinnen. Anfang der sechziger Jahre war die feindliche Wiener Zentrale noch immer bereit, wenigstens 60 Prozent der Baukosten vor das Ländle-Volk zu werfen und der damalige Unterrichtsminister Heinrich Drimmel stufte den Bau gar als zweitwichtigstes Kulturprojekt hinter dem Salzburger Festspielhaus ein, das inzwischen auch wie die später in Angriff genommenen Projekte des kleinen Festspielhauses, der Felsenreitschule und des Landestheaters in der Mozart-Stadt, des Theaters an der Wien und der Volksoper, des Grazer Schauspielhauses, des Innsbrucker, Linzer und Klagenfurter Theaters mit kräftiger Bundeshilfe errichtet, beziehungsweise erneuert wurde.

Nur in Bregenz plante man inzwischen wieder mehrmals um, da Land und Stadt nicht mit dem Bund unter einen Hut zu bringen waren.

Appell an Banausen?

Erst als Schöngeist Kessler den Landeshauptmann-Thron bestieg, stieg man im Ländle von der Kulturbremse — die Bundes-Offerte waren inzwischen freilich auf 40 Prozent herabgerutscht und in Bregenz der Bürgermeistersessel (nachdem das Volk gegen die geplante Bodensee-Autobahn aufbegehrt hatte) von der ÖVP mit der FPÖ-Hilfe an den SPÖ-Bürgermeister Mayer übergangen.

In Bregenz ging man daher weiterhin einer bereits bestens vertrauten Beschäftigung nach: man plante um, neu und anders.

Das Ergebnis jüngster Planungsprozesse ist ein Mehrzweckgebäude mit Hotels, Hallenbad, Sauna und dergleichen, wobei für die drei letztgenannten Einrichtungen allerdings ein Hotelier aufkommen wird müssen. Und selbst diesen Bettenvermie-ter fand man — er würde noch dazu zusammen mit den Festspielen nahezu die gesamten Betriebskosten für das neue Haus tragen.

Dies alles ficht FPÖ-Kinz nicht an, weiter gegen Festspiele und Festspielhaus zu kämpfen — etwa auf seinem Fragebogen, mit dem verklausulierten Appell an Banausen-Herzen, ob „die Bregenzer Festspiele ... um jeden Preis wie bisher weiter durchgeführt werden“ sollen. Weitere Auswahlmöglichkeiten: „Die Bregenzer Festspiele sollen weiter durchgeführt werden, jedoch soll der jährliche Zuschuß der Stadt mit 2 Millionen Schilling begrenzt werden.“ (Vergleichsweise gibt etwa

Wien für seine Festwochen 9 Millionen, Innsbruck für das Landestheater 17,3 und das Land Tirol weitere 18,2 Millionen, Klagenfurt für sein Stadttheater 9,5 Millionen und dazu noch weitere 400.000 Schilling für das Musikforum aus.)

Das Bregenzer Volk reagierte allerdings nicht ganz nach FPÖ-Wunsch. Als am 3. Februar erstmals öffentlich über das Bauvorhaben diskutiert wurde, nahm Prof. Bär mit Zufriedenheit eine „Empörungswelle“ gegen Kinz & Co. wahr.

Schließlich dachte man auch in Bregenz über die Motive der Kinz-schen Badefreudigkeit nach, die nicht nur darin liegen dürften, daß der Stadt-Vize „ein nicht gerade musischer Mensch“ ist (so Professor Bär). Kinz, der Hauptaktionär der nicht zu Festspielhaus-Bauehren kommenden „Investbau“ ist, dürfte offenbar auch auf der vermuteten Welle vorarlbergerischer Kultur-übersättigtheit neue Stimmen in Richtung seines auf Ebbe stehenden Wählerpotentials schwimmen sehen. Und an Wahlstimmen könnte es auch liegen, wenn der Festspielbau neuerlich scheitert. Schließlich ist der letztlich entscheidende Bürgermeister Mayer zwar ein erklärter Festspielfreund — darüber hinaus aber auch auf die Stimmen der FPÖ-Fraktion angewiesen, wenn er weiterhin Stadtöberster sein will.

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