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BUrgermeister unter Beschuß War Umfrage manipuliert?

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Hoch schlagen derzeit die politischen Wellen in Vorarlbergs Landeshauptstadt: Der Bregenzer Bürgermeister Fritz Mayer sorgte wieder einmal für Schlagzeilen, indem er eine Meinungsumfrage durchführen ließ, die das Wahlverhalten der Bregenzer Bürger durchleuchten sollte. Dabei wurde den Befragten - wie wohl bei jeder Umfrage - Anonymität zugesichert. Später stellte sich dann heraus, daß diese Anonymität nicht gewährleistet war.

Grund für die Umfrage war die von der sozialistischen Mehrheit geplante Verbauung des Bregenzer Seeufers, die vor einem Jahr mit dem Bau des Festspiel- und Kongreßhauses begonnen hatte. Bereits damals hatte sich eine Bürgerinitiative gebildet, die sich gegen diesen Bau am ansonsten noch relativ unberührten Seeufer zur Wehr setzte. Mehr als 3000 Unterschriften wurden gegen das Projekt gesammelt, trotzdem ist das Festspielhaus heute in Bau. Besonderen Staub wirbelte auf, daß der Bürgermeister jene Bürger, die sich durch ihre Unterschrift gegen das Festspielhaus ausgesprochen hatte, durch ein Meinungsforschungsinstitut nach ihren Beweggründen fragen ließ. Unterschriftenlisten, die ihm in gutem Glauben übergeben worden' waren, gab er an Dritte, an das Meinungsforschungsinstitut, weiter.

Das war aber erst der Anfang. Bereits kurze Zeit später erklärte Mayer, daß das Festspielhaus nicht ausreiche, daß - zur Bewirtschaftung dieses Hauses - noch ein Hotel in unmittelbarer Umgebung notwendig sei. Wieder bildete sich eine Bürgerinitiative - die „Initiative Uferlandschaft Bregenz“ -und lief gegen das geplante Hotel Sturm. Darauf beantragte der Bürgermeister in einer Sitzung der Stadtvertretung im Juli, das Konzept der Seeuferverbauung einer Volksabstimmung zu unterziehen. Er fand hiefür die erforderliche Mehrheit, aber mit unterschiedlicher Auffassung. War der Bürgermeister der Meinung, daß eben über das „gesamte Konzept“ abgestimmt werden sollte, sprach sich die Opposition und die Bürgerinitiative für eine getrennte Abstimmung aus, weil im Gesamtkonzept auch das Hallenbad enthalten ist, das von der Bregenzer Bevölkerung seit langem gewünscht wird. Wer sich also für das Hallenbad aussprechen wollte, mußte zwangsläufig auch die Zustimmung zum Hotelbau am See geben.

Dieser Auseinandersetzung wollte Mayer nun mit einer Meinungsumfrage begegnen, die von ihrer Fragestellung her als manipulativ bezeichnet werden muß. So sollten die Bürger ihre Meinung über dieses „Seeufer-Konzept“ äußern, obwohl der Bürgermeister bisher immer erklärt hatte,daß die bisherigen Pläne „schon längst nicht mehr gültig sind“. Das endgültige Konzept werde erst im Februar der Öffentlichkeit vorgestellt.

Besonders ereiferte sich die Volksseele, weil in dieser Umfrage auch nach der Wahlentscheidung des einzelnen gefragt wurde. So sollten die Befragten einen Wahlzettel ausfüllen, in dem sie anzukreuzen hatten, was sie bei der letzten Nationalrats-, Landtags- und Gemeinderatswahl gewählt hatten und gleichzeitig, was sie heute wählen würden. Das wäre an sich bei einer Meinungsumfrage noch nichts Schlimmes, nur kamen Fragebögen an die Öffentlichkeit, in denen ein Hinweis für den Interviewer enthalten war, daß er - nachdem der Befragte seine Wahlentscheidung eingetragen hatte-das neutrale und verschlossene Kuvert mit einer laufenden Nummer und einer Seriennummer versehen solle.

In Bregenz ist man nun der Meinung, daß das ausreicht, um die Identität des Befragten festzustellen. Im Klartext: Sollte Bürgermeister Mayer Interesse an diesen Informationen haben, so wäre es für ihn kein Problem, vom IFES, das die Befragung durchgeführt hat, die Entscheidung einzelner Wähler bei der letzten oder bei einer kommenden Wahl zu erfahren. Und davor haben nun viele Menschen in Bregenz Angst. Sie hatten - im Vertrauen auf eine seriöse Umfrage - ihre Karten auf den Tisch gelegt und könnten nun ihrerseits „gelegt“ werden. Schließlich ist das Wahlgeheimnis in der Demokratie nicht zu Unrecht verfassungsmäßig geschützt. Notwendigerweise müßte dieser Schutz wohl auch auf solche Umfragen ausgedehnt werden, wenn er nicht grundsätzlich zur Farce werden sollte.

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